Macron, der einsame Präsident
Dem einstigen Hoffnungsträger läuft das Personal weg – Kritik in Frankreich wird lauter
PARIS - Die jugendliche Leichtigkeit, die Emmanuel Macron in seinen ersten Monaten im Amt ausstrahlte, ist verflogen. Der französische Präsident ist 41 – und damit jünger als fast alle anderen Politiker. Doch er wirkt müde. Als er im Februar mit Angela Merkel im Élysée-Palast vor die Presse trat, war auch aus ein paar Metern Entfernung zu erkennen, dass der Staatschef dick geschminkt ist. „Zum Glück trägt er Make up, denn sonst würde man sehen, wie erschöpft er ist“, zitiert die Zeitung „Le Parisien“eine Mitarbeiterin.
Sicher ist es die Verantwortung, die ihre Spuren hinterlässt. Beim früheren US-Präsidenten Barack Obama war das im Laufe der Jahre gut zu beobachten. Doch Macron muss nicht nur die Last des Amtes schultern. Er ist dazu noch isoliert. Mit Benjamin Griveaux, dem Regierungssprecher, ging vergangene Woche einer der letzten Getreuen von Bord. Der 41-Jährige, der Macron schon im Wahlkampf begleitete, will Bürgermeister von Paris werden. Davor hatte schon der Redenschreiber des Präsidenten, Sylvain Fort, den Élysée verlassen. Ebenso wie Sonderberater Ismaël Emelien, der Kopf hinter dem erfolgreichen Präsidentschaftswahlkampf. Der 32-Jährige, dem die Prügel-Affäre um den Leibwächter Alexandre Benalla mit angelastet wird, packte nach fünf Jahren an der Seite Macrons vergangene Woche in aller Stille seine Kartons.
Aus dem Zirkel bleibt niemand
Von den sogenannten Mormonen, dem engsten Zirkel um den Staatschef, bleibt knapp zwei Jahre später keiner mehr übrig. „Alle, in die er Vertrauen hatte, sind gegangen“, sagt ein Minister. Zum einen, weil der strenge Arbeitsrhythmus des Präsidenten sie ermüdet hat. Aber auch, weil sie von dem Chaos im Élysée genug haben. Vor allem weil Macron, der Kontrollfreak, jedes Dossier selbst mitverfolgt und bei jeder noch so kleinen Entscheidung mitredet. „Er ist der schlechteste Manager, den diese Erde hervorgebracht hat“, kritisiert ein Berater im „Parisien“.
Kein Wunder also, dass es nur noch wenige Freiwillige für die zu besetzenden Posten im Präsidentenpalast gibt. So ist der Job des Kommunikationschefs seit dem Abgang von Fort im Januar verwaist. Gleich mehrere Kandidaten, darunter der frühere Kommunikationschef von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, sollen das Angebot des Staatschefs ausgeschlagen haben.
Am Montag verließ auch Sibeth Ndiaye, die für ihre unverblümten Worte bekannte Sprecherin, Macrons Beraterstab. Die umstrittene 39-Jährige, die schon im Wirtschaftsministerium mit Macron zusammenarbeitete und ihn später durch den Wahlkampf begleitete, wird Nachfolgerin von Griveaux (siehe Text nebenan). Gleichzeitig ernannte der Präsident die Abgeordnete Amélie de Montchalin zur neuen Europastaatssekretärin und seinen Berater Cédric O zum Internet-Staatssekretär.
Die beiden Personalien waren nötig geworden, da zwei weitere Weggefährten aus der Regierung ausscheiden. Die frühere Europaministerin Nathalie Loiseau zieht für Macron in den Europawahlkampf – und Os Vorgänger Mounir Mahjoubi will wie Griveaux Bürgermeister von Paris werden will.
Der Staatschef besetzte die frei gewordenen Posten diesmal schnell, nachdem er im Herbst zwei Wochen gebraucht hatte, um einen Nachfolger für den zurückgetretenen Innenminister Gérard Collomb zu finden.
Seine Wahl zeigt allerdings, dass sein Personalreservoir immer kleiner wird. Mit Ndiaye und O greift Macron auf seine eigenen Berater zurück, von denen er ohnehin nur noch wenige hat. Hier rächt sich, dass seine noch junge Bewegung La République en Marche kaum Politiker mit Erfahrung in ihren Reihen hat. Stattdessen hat der Präsident sich mit Technokraten umgeben, die ihn laut Kritikern von der Realität abschirmen.
Die Gelbwesten übersehen
Macron selbst soll mit seiner Entourage ebenfalls unzufrieden sein, weil sie die gefährliche Entwicklung der Gelbwesten nicht habe kommen sehen. Wohl auch deshalb holt er inoffiziell den Rat von Altpolitikern wie François Bayrou ein, dessen Partei Modem zu seinen Verbündeten gehört. Auch auf Sarkozy soll Macron hören. Der Ex-Präsident übt inzwischen allerdings ziemlich unverhohlen Kritik an seinem Nach-Nachfolger. Dem Staatschef habe es im Umgang mit den Gelbwesten an Führungsstärke gemangelt, kritisierte Sarkozy. „Das wird schlecht enden“, zitiert die Zeitung „Le Figaro“den Konservativen.