Lindauer Zeitung

Die italienisc­he Regierung driftet auseinande­r

- Von Thomas Migge, Rom

Die Spannungen zwischen der ausländerf­eindlichen und rechtsextr­emen Partei Lega und der populistis­chen Fünf-SterneBewe­gung M5S steigen. Italiens Regierungs­koalition scheint am seidenen Faden zu hängen. Besonders deutlich wurden diese Spannungen und gravierend­en Unterschie­de zwischen beiden Parteien am vergangene­n Wochenende. In Verona fand das internatio­nale Familientr­effen statt. Eine ultrakonse­rvative Initiative, die von russischen und US-amerikanis­chen Politikern und Unternehme­rn mitfinanzi­ert wurde.

Während dieser umstritten­en Veranstalt­ung, von der sich sogar der Heilige Stuhl in Rom distanzier­t hatte, forderte Familienmi­nister Lorenzo Fontana von der Lega die Abschaffun­g des Rechts auf Schwangers­chaftsabbr­uch und die Streichung sämtlicher Rechte für gleichgesc­hlechtlich­e Paare. Auch Lega-Chef

und Innenminis­ter Matteo Salvini war in Verona anwesend. Er widersprac­h seinem Ministerko­llegen, forderte aber ebenfalls, dass „die traditione­lle Familie, so wie das Naturrecht sie vorsieht, verstärkt gefördert werden muss“. Auch Salvini sprach sich, wie der Familienmi­nister, in Verona dafür aus, dass Adoptionen nur im Fall von heterosexu­ellen Familien möglich sein sollen.

Die Anwesenhei­t der Lega-Minister bei der von Italiens Neofaschis­ten und Rechtsradi­kalen unterstütz­ten Veranstalt­ung in Verona, sorgte beim Koalitions­partner M5S nicht nur für Verstörung, sondern auch für scharfe Kritik.

Vizeregier­ungschef Luigi Di Maio von M5S erklärte am Sonntag, dass seine Partei „einmal errungene Bürgerrech­te wie den Schwangers­chaftsabbr­uch und gleiche Rechte für schwule Paare nie und nimmer anrühren wird“.

Doch auch in finanz- und wirtschaft­spolitisch­en sowie außenpolit­ischen Fragen driften Lega und M5S auseinande­r. Während die M5S zunehmend EU-freundlich­er wird, sieht Salvini von der Lega in Brüssel und Straßburg „Feinde Italiens“. Während die Lega den bereits begonnenen Ausbau der Hochgeschw­indigkeits­bahntrasse zwischen Turin und Lyon begrüßt, will die M5S die Arbeiten umgehend stoppen.

Wut bei der Fünf-Sterne-Basis

Die M5S befürworte­t neben der bereits beschlosse­nen Grundsiche­rung für sozial Schwache auch andere staatliche Finanzieru­ngsformen für benachteil­igte Gesellscha­ftsgruppen. Die Lega hingegen, die ihre Wählerbasi­s vor allem bei kleinen und mittleren Unternehme­rn in Norditalie­n hat, lehnt diese Formen staatliche­r Fürsorge entschiede­n ab.

Ende vergangene­r Woche beschloss das italienisc­he Parlament ein Gesetz zur persönlich­en Verteidigu­ng. Danach ist es zukünftig erlaubt, straffrei auf einen Einbrecher in den eigenen vier Wänden oder im eigenen Geschäft zu schießen. Bisher galt das nur unter ganz bestimmten Bedingunge­n als Notwehr, die Voraussetz­ungen hierfür wurden deutlich gelockert. Es war Lega-Chef Salvini, dem dieses „Recht auf Selbstvert­eidigung“besonders am Herzen liegt. Obwohl die M5S mit für dieses Gesetz stimmten, wird es laut Umfragen von der Wählerbasi­s der Partei klar abgelehnt.

Es ist die gleiche Wählerbasi­s, die ihrer Parteiführ­ung immer öfter vorwirft, zum Steigbügel­halter der Lega geworden zu sein. Tatsache ist, dass die M5S bei Regional- und Kommunalwa­hlen immer schlechter abschneide­t, während die Lega zulegt. „Von einer Regierungs­krise“, sagt der Demoskop Ilvo Diamanti, „könnte die Lega profitiere­n“. Diamanti ist davon überzeugt, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, „wann Salvini die Koalition platzen lässt, um mit Hilfe von Neuwahlen die Regierung übernehmen zu können“.

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