Die italienische Regierung driftet auseinander
Die Spannungen zwischen der ausländerfeindlichen und rechtsextremen Partei Lega und der populistischen Fünf-SterneBewegung M5S steigen. Italiens Regierungskoalition scheint am seidenen Faden zu hängen. Besonders deutlich wurden diese Spannungen und gravierenden Unterschiede zwischen beiden Parteien am vergangenen Wochenende. In Verona fand das internationale Familientreffen statt. Eine ultrakonservative Initiative, die von russischen und US-amerikanischen Politikern und Unternehmern mitfinanziert wurde.
Während dieser umstrittenen Veranstaltung, von der sich sogar der Heilige Stuhl in Rom distanziert hatte, forderte Familienminister Lorenzo Fontana von der Lega die Abschaffung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch und die Streichung sämtlicher Rechte für gleichgeschlechtliche Paare. Auch Lega-Chef
und Innenminister Matteo Salvini war in Verona anwesend. Er widersprach seinem Ministerkollegen, forderte aber ebenfalls, dass „die traditionelle Familie, so wie das Naturrecht sie vorsieht, verstärkt gefördert werden muss“. Auch Salvini sprach sich, wie der Familienminister, in Verona dafür aus, dass Adoptionen nur im Fall von heterosexuellen Familien möglich sein sollen.
Die Anwesenheit der Lega-Minister bei der von Italiens Neofaschisten und Rechtsradikalen unterstützten Veranstaltung in Verona, sorgte beim Koalitionspartner M5S nicht nur für Verstörung, sondern auch für scharfe Kritik.
Vizeregierungschef Luigi Di Maio von M5S erklärte am Sonntag, dass seine Partei „einmal errungene Bürgerrechte wie den Schwangerschaftsabbruch und gleiche Rechte für schwule Paare nie und nimmer anrühren wird“.
Doch auch in finanz- und wirtschaftspolitischen sowie außenpolitischen Fragen driften Lega und M5S auseinander. Während die M5S zunehmend EU-freundlicher wird, sieht Salvini von der Lega in Brüssel und Straßburg „Feinde Italiens“. Während die Lega den bereits begonnenen Ausbau der Hochgeschwindigkeitsbahntrasse zwischen Turin und Lyon begrüßt, will die M5S die Arbeiten umgehend stoppen.
Wut bei der Fünf-Sterne-Basis
Die M5S befürwortet neben der bereits beschlossenen Grundsicherung für sozial Schwache auch andere staatliche Finanzierungsformen für benachteiligte Gesellschaftsgruppen. Die Lega hingegen, die ihre Wählerbasis vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmern in Norditalien hat, lehnt diese Formen staatlicher Fürsorge entschieden ab.
Ende vergangener Woche beschloss das italienische Parlament ein Gesetz zur persönlichen Verteidigung. Danach ist es zukünftig erlaubt, straffrei auf einen Einbrecher in den eigenen vier Wänden oder im eigenen Geschäft zu schießen. Bisher galt das nur unter ganz bestimmten Bedingungen als Notwehr, die Voraussetzungen hierfür wurden deutlich gelockert. Es war Lega-Chef Salvini, dem dieses „Recht auf Selbstverteidigung“besonders am Herzen liegt. Obwohl die M5S mit für dieses Gesetz stimmten, wird es laut Umfragen von der Wählerbasis der Partei klar abgelehnt.
Es ist die gleiche Wählerbasis, die ihrer Parteiführung immer öfter vorwirft, zum Steigbügelhalter der Lega geworden zu sein. Tatsache ist, dass die M5S bei Regional- und Kommunalwahlen immer schlechter abschneidet, während die Lega zulegt. „Von einer Regierungskrise“, sagt der Demoskop Ilvo Diamanti, „könnte die Lega profitieren“. Diamanti ist davon überzeugt, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, „wann Salvini die Koalition platzen lässt, um mit Hilfe von Neuwahlen die Regierung übernehmen zu können“.