Nesthocker-Schwan findet im Osten die Liebe
Doch treu zu sein, fällt dem Vogel schwer
FRIEDRICHSHAFEN
- Schwan Hugo ist ein echter Nesthocker. Anstatt in Freiheit lebte er lieber bei seiner Pflegemutter Susanne Kinsch in Friedrichshafen. Sie hat ihn jetzt in das sächsische Markersdorf vermittelt. Dort hat Hugo eine Partnerin gefunden. Eigentlich eine rührende Geschichte – wäre der Schwan nicht ausgerissen.
Rückblick: Vergangenes Jahr erhält Susanne Kinsch einen Anruf. Am Apparat ist die Polizei. An der Uferpromenade attackieren Schwäne einen ihrer Artgenossen. Die Beamten fragen Kinsch, ob sie das Tier retten könne. Die Fischbacherin kümmert sich privat um verletzte Wasservögel. Auch das neue „Mobbing-Opfer“wird eines ihrer Pflegekinder – gezwungenermaßen. Mehrmals versucht Kinsch vergeblich, den Schwan auszusetzen. „Körperlich war er ja gesund“, sagt sie. Doch Hugo, wie sie den Vogel tauft, will das „Hotel Mama“offenbar nicht verlassen. Immer wieder reißt er Susanne Kinsch aus, wenn sie ihn auswildern will.
Im März erhält Kinsch eine Nachricht von der Wildtierhilfe Hegau am Bodensee „Bio-top“. Der Ortschaftsrat der Gemeinde Markersdorf suche einen Partner für seine Schwanendame Franzi. Eine „liebevolle Pflege“durch den erfahrenen Pflegevater Kurt Klare, einen schönen großen Teich und Schlosspark gebe es inklusive. Kinsch ist sofort begeistert und ruft beim Markersdorfer Ortschaftsrat an. Dessen Mitglieder, Constanze und Beatrix Rudolph, freuen sich ebenfalls tierisch über die erfolgreiche Kontaktanzeige. So schnell wie möglich möchten sie Franzi mit Hugo bekannt machen.
Das will auch Susanne Kinsch. Es gibt nur ein Problem: Markersdorf liegt in Sachsen, mehr als 700 Kilometer von Friedrichshafen entfernt. Wie soll Hugo diese enorme Distanz überwinden?
Das Glück kommt Kinsch zur Hilfe. Der aus Markersdorf stammende Speditionsunternehmer Jürgen Beyer hat zufällig einen Fahrauftrag zum Bodensee. Susanne Kinsch muss Hugo nur noch von Friedrichshafen nach Salem fahren, dort nimmt Beyer ihn in Empfang. Transportiert wird der Schwan in einer Kiste, die mit Stroh ausgepolstert ist. Derart komfortabel reist Hugo mit dem 40-Tonner bis ins bayerische Thurnau. Constanze und Beatrix Rudolph warten dort bereits auf ihn. Sie nehmen den Schwan mit auf die dritte und letzte Wegetappe nach Markersdorf.
Als Hugo spätabends in Sachsen eintrifft, erwarten ihn dort schon die Ortschronistin Katrin Linke und Schwanenvater Kurt Klare. Sie bringen ihn in einen Schlafstall in der Nähe des Schlossteichs. Als sie Hugo am nächsten Morgen besuchen wollen, wartet Schwanendame Franzi schon vor der Tür auf ihren neuen Partner.
Das erste Treffen der beiden findet vor Publikum statt: Die Markersdorfer freuen sich über den Neuankömmling; auch die Presse ist vor Ort. „Das ganze Dorf war in Tränen aufgelöst“, berichtet Susanne Kinsch. Die Schwäne selbst ignorieren den Rummel – wahrscheinlich, weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Nachdem sie sich intensiv „beschnäbelt“haben, drehen beide erst einmal eine Runde auf dem Teich.
Die Markersdorfer sind begeistert über die geglückte „Schwanenhochzeit“. Sie geben Hugo einen neuen Namen – Franz – weil das unter Frischvermählten „so üblich sei“.
Ende gut, alles gut. So klingt es zumindest. Zumal Franz und Franzi inzwischen Nachwuchs erwarten. Doch auch in seiner neuen Heimat bleibt Franz seinen alten Marotten treu: Bei einem gemeinsamen Spaziergang ließ der Schwanenmann seine Angebetete sitzen. „Er hat sich einfach in die Lüfte erhoben und flog gen Westen davon“, sagte Rudolph dem Nachrichtenportal „Tag24“. Nun setzen die Markersdorfer alles daran, den flüchtigen Schwanenmann wiederzufinden.
Susanne Kinsch hofft, dass Franz sich nicht wieder auf dem Weg zum Bodensee gemacht hat. „So behämmert kann er doch nicht sein“, sagt sie. „Ich hoffe sehr, dass er wieder auftaucht und es ein Happy End für alle gibt.“