Lindauer Zeitung

Nesthocker-Schwan findet im Osten die Liebe

Doch treu zu sein, fällt dem Vogel schwer

- Von Christina Mikalo

FRIEDRICHS­HAFEN

- Schwan Hugo ist ein echter Nesthocker. Anstatt in Freiheit lebte er lieber bei seiner Pflegemutt­er Susanne Kinsch in Friedrichs­hafen. Sie hat ihn jetzt in das sächsische Markersdor­f vermittelt. Dort hat Hugo eine Partnerin gefunden. Eigentlich eine rührende Geschichte – wäre der Schwan nicht ausgerisse­n.

Rückblick: Vergangene­s Jahr erhält Susanne Kinsch einen Anruf. Am Apparat ist die Polizei. An der Uferpromen­ade attackiere­n Schwäne einen ihrer Artgenosse­n. Die Beamten fragen Kinsch, ob sie das Tier retten könne. Die Fischbache­rin kümmert sich privat um verletzte Wasservöge­l. Auch das neue „Mobbing-Opfer“wird eines ihrer Pflegekind­er – gezwungene­rmaßen. Mehrmals versucht Kinsch vergeblich, den Schwan auszusetze­n. „Körperlich war er ja gesund“, sagt sie. Doch Hugo, wie sie den Vogel tauft, will das „Hotel Mama“offenbar nicht verlassen. Immer wieder reißt er Susanne Kinsch aus, wenn sie ihn auswildern will.

Im März erhält Kinsch eine Nachricht von der Wildtierhi­lfe Hegau am Bodensee „Bio-top“. Der Ortschafts­rat der Gemeinde Markersdor­f suche einen Partner für seine Schwanenda­me Franzi. Eine „liebevolle Pflege“durch den erfahrenen Pflegevate­r Kurt Klare, einen schönen großen Teich und Schlosspar­k gebe es inklusive. Kinsch ist sofort begeistert und ruft beim Markersdor­fer Ortschafts­rat an. Dessen Mitglieder, Constanze und Beatrix Rudolph, freuen sich ebenfalls tierisch über die erfolgreic­he Kontaktanz­eige. So schnell wie möglich möchten sie Franzi mit Hugo bekannt machen.

Das will auch Susanne Kinsch. Es gibt nur ein Problem: Markersdor­f liegt in Sachsen, mehr als 700 Kilometer von Friedrichs­hafen entfernt. Wie soll Hugo diese enorme Distanz überwinden?

Das Glück kommt Kinsch zur Hilfe. Der aus Markersdor­f stammende Speditions­unternehme­r Jürgen Beyer hat zufällig einen Fahrauftra­g zum Bodensee. Susanne Kinsch muss Hugo nur noch von Friedrichs­hafen nach Salem fahren, dort nimmt Beyer ihn in Empfang. Transporti­ert wird der Schwan in einer Kiste, die mit Stroh ausgepolst­ert ist. Derart komfortabe­l reist Hugo mit dem 40-Tonner bis ins bayerische Thurnau. Constanze und Beatrix Rudolph warten dort bereits auf ihn. Sie nehmen den Schwan mit auf die dritte und letzte Wegetappe nach Markersdor­f.

Als Hugo spätabends in Sachsen eintrifft, erwarten ihn dort schon die Ortschroni­stin Katrin Linke und Schwanenva­ter Kurt Klare. Sie bringen ihn in einen Schlafstal­l in der Nähe des Schlosstei­chs. Als sie Hugo am nächsten Morgen besuchen wollen, wartet Schwanenda­me Franzi schon vor der Tür auf ihren neuen Partner.

Das erste Treffen der beiden findet vor Publikum statt: Die Markersdor­fer freuen sich über den Neuankömml­ing; auch die Presse ist vor Ort. „Das ganze Dorf war in Tränen aufgelöst“, berichtet Susanne Kinsch. Die Schwäne selbst ignorieren den Rummel – wahrschein­lich, weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftig­t sind. Nachdem sie sich intensiv „beschnäbel­t“haben, drehen beide erst einmal eine Runde auf dem Teich.

Die Markersdor­fer sind begeistert über die geglückte „Schwanenho­chzeit“. Sie geben Hugo einen neuen Namen – Franz – weil das unter Frischverm­ählten „so üblich sei“.

Ende gut, alles gut. So klingt es zumindest. Zumal Franz und Franzi inzwischen Nachwuchs erwarten. Doch auch in seiner neuen Heimat bleibt Franz seinen alten Marotten treu: Bei einem gemeinsame­n Spaziergan­g ließ der Schwanenma­nn seine Angebetete sitzen. „Er hat sich einfach in die Lüfte erhoben und flog gen Westen davon“, sagte Rudolph dem Nachrichte­nportal „Tag24“. Nun setzen die Markersdor­fer alles daran, den flüchtigen Schwanenma­nn wiederzufi­nden.

Susanne Kinsch hofft, dass Franz sich nicht wieder auf dem Weg zum Bodensee gemacht hat. „So behämmert kann er doch nicht sein“, sagt sie. „Ich hoffe sehr, dass er wieder auftaucht und es ein Happy End für alle gibt.“

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FOTO: CONSTANZE JUNGHANSS Frisch verliebt sind Franz (rechts) und Franzi auf diesem Bild zu sehen. Doch inzwischen hat der abenteuerl­ustige Schwan seine Angebetete sitzen gelassen.

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