Aufstieg und Fall eines Ungeschickten
Wie Reinhard Grindel in nur 1084 Tagen sein Amt als DFB-Präsident wieder loswurde
FRANKFURT (SID/dpa) - Die Kanzlerin war oft dabei. Im politischen Berlin, wenn die Plenarsitzungen vorbei waren, traf sich Reinhard Grindel zu seinen Zeiten als CDUBundestagsabgeordneter gerne mit Angela Merkel und anderen Parteikollegen zum gemeinsamen Fußballabend vor dem Fernseher – und konnte einfach Fan sein.
Diesen Zeiten trauerte der seit gestern Ex-Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) schon kurz nach seinem Amtsantritt am 15. April 2016 ein wenig wehmütig nach. Grindel glaubte, dass ihm seine politische Karriere, die ihn 2002 vom ZDF in den Bundestag geführt hatte, die Aufgabe als Chef des mit sieben Millionen Mitgliedern größten Sportfachverbandes der Welt erleichtern könnte. Es war ein Trugschluss.
Grindel, den die Nachwehen des Sommermärchenskandals rund um die Vergabe der WM 2006 ins Amt gebracht hatten, war als Krisenmanager gefragt. Und trat in diverse Fettnäpfchen, wirkte häufig ungeschickt – auch in seinen Stellungnahmen. Das abgebrochene Interview mit der Deutschen Welle, das in den sozialen Medien für Hohn und Spott gesorgt hatte („Aber Herr Grindel“), ärgerte den 57-Jährigen selbst enorm. Etlichen Sachfragen war er relativ professionell ausgewichen, ehe er doch die Nerven verlor.
Interna wurden gestreut
Zu den Berichten über den wohl auch DFB-Präsidiumsmitgliedern gegenüber verschwiegenen Zusatzeinnahmen über 78 000 Euro kam am Montagabend noch eine „Bild“Schlagzeile über eine geschenkte Luxusuhr aus fragwürdiger Quelle. Das stärkte nur das Bild eines Präsidenten, der zwar mantrahaft Transparenz und Offenheit predigte, aber Maßlosigkeit lebte. Dass Grindel auch nach seinem Rücktritt die finanziell lukrativen Posten im FIFACouncil und UEFA-Exekutivkomitee behält, zusammen mit rund 500 000 Euro pro Jahr dotiert, verstärkt dies.
Wobei Geldgier und Maßlosigkeit lange nicht die Vorwürfe waren. Eher Ungeschicklichkeit in Führungsfragen und fehlendes Rückgrat, als es darum ging Mesut Özil in der Caujsa Erdoga vor rechten Parolen zu schützen. Schnell waren Aussagen des Politikers ausgekramt, die ihn als Integrationsgegner outeten – konträr zur DFB-Politik. Immer wieder mussten Grindel selbst oder seine Medienleute getätigte Stellungnahmen wieder einfangen, zuletzt rund um die Ausmusterung der WM-Helden Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng durch Bundestrainer Joachim Löw.
Entscheidend war nun aber auch: Jemand aus Grindels unmittelbarem Umfeld streute seit Wochen Informationen, um den DFB-Präsidenten in die Ecke zu treiben. Rückhalt spürte Grindel im DFB kaum noch, weder aus dem Profilager, noch von den Amateuren. Der Rücktritt war unausweichlich.
Selbst die Tatsache, dass der DFB unter Grindel zum Gastgeber der EM 2024 (im Duell gegen die Türkei) aufstieg, brachte dem DFB-Boss wenig Sympathiepunkte in der Öffentlichkeit ein.
Seinen letzten größeren Auftritt hatte Grindel am Montagabend bei der Aufnahme „Der Ersten Elf “in die Hall of Fame im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Er hielt grundsolide die Laudatio auf das Stürmertrio Gerd Müller, Uwe Seeler und Helmut Rahn. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass er zum letzten Mal als DFB-Präsident in Erscheinung trat.
„Ich bin in Hamburg aufgewachsen und habe mir als kleiner Junge oft Autogramme von den HSV-Spielern geholt, unter anderem natürlich von Uwe Seeler. Selfies gab es damals noch nicht“, erzählte Grindel einmal.
Auf Funktionärsebene war Grindel lange nur engagiertes Mitglied seines Heimatvereins Rotenburger SV – bis er 2011 zum großen Sprung ansetzte. Erst Vizepräsident des niedersächsischen Verbands, dann ab 2013 Schatzmeister beim DFB. Und 2016, nach dem Rücktritt Wolfgang Niersbachs endlich Präsident. Seine Ära dauerte jedoch nur 1082 Tage.