Lindauer Zeitung

Im Schnitt 15 000 Euro pro Bauernhof

Die EU greift den Landwirten finanziell unter die Arme – Geld kommt aus zwei Töpfen

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KEMPTEN (bb) - „Als Landwirt dürftest Du nie auf die Europäisch­e Union schimpfen“, sagt Wolfgang Natterer, Abteilungs­leiter Förderung beim Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten Kempten. Die Behörde ist für den Bereich des Oberallgäu­s, der Stadt Kempten und des Landkreise­s Lindau zuständig. Denn Brüssel schüttet viel Geld für die Bauernhöfe aus. 111,6 Milliarden Euro beträgt der EU-Etat. Mit 58,5 Milliarden Euro fließt mehr als die Hälfte davon in die Landwirtsc­haft. Die Zuschüsse erfolgen zum einen direkt und werden pro Hektar berechnet, zum anderen sind sie an bestimmte Bedingunge­n geknüpft, wie etwa die Teilnahme an einem Vertragsna­turschutzp­rogramm, ans Kulturland­schaftspro­gramm (Kulap) oder den ökologisch­en Landbau. Ausbezahlt werden alle diese EU-Förderunge­n übrigens in Bayern durch die jeweiligen Landwirtsc­haftsämter.

Im Prinzip setzt sich die EU-Unterstütz­ung der Landwirtsc­haft aus zwei Säulen zusammen: Säule eins sind nach dem Wegfall der Marktordnu­ngen für Milch, Getreide und Rindfleisc­h im Jahr 2005 die Direktzahl­ungen. Einerseits ist das die Betriebspr­ämie von aktuell 176 Euro pro Hektar. Anderersei­ts die GreeningPr­ämie von 85 Euro pro Hektar für den Anbau mehrerer Kulturen und das Vorhalten von mehr als 15 Hektar ökologisch­er Vorrangflä­chen. Im Jahr 2018 erhielten im Bereich Kempten/Oberallgäu/Lindau 3328 landwirtsc­haftliche Betriebe über die erste Säule insgesamt 27,3 Millionen Euro ausbezahlt.

In Säule zwei können die Regionen selbst Schwerpunk­te setzen. Dazu zählen in Bayern die Ausgleichs­zulage für benachteil­igte Gebiete und Bergregion­en und Agrar-Umweltmaßn­ahmen, wozu ein Beitrag zum Naturschut­z oder das Kulap gehört. Kulap ist die Abkürzung für Kulturland­schaftspro­gramm und beinhaltet zum Beispiel den Verzicht auf mineralisc­hen Dünger, einen späten Zeitpunkt für das erste Mähen, das Weideverbo­t für Steilhangw­iesen, ein artenreich­es Grünland und die Streuobst-Förderung.

9,2 Millionen Euro im Vorjahr

Das Fördergeld dieser zweiten Säule setzt sich zusammen aus 50 Prozent EU-Mitteln und 50 Prozent Zuschüssen, die sich wiederum Bund und das jeweilige Land aufteilen – im Allgäu also Bayern. Im Bereich des Landwirtsc­haftsamtes Kempten erhielten vergangene­s Jahr aus diesem Topf 3056 Betriebe zusammen 9,2 Millionen Euro. „Schwierig macht es nicht die EU, sondern die nationalen Interessen und die regionalen Besonderhe­iten“, sagt Natterer. Was unterm Strich für den einzelnen Landwirt herauskomm­t, hängt also von vielen Faktoren ab.

Im Schnitt kann man sagen, dass ein Allgäuer Bauer durch die EUSubventi­onen etwa 15 000 Euro pro Jahr erhält. Eine Beispielre­chnung: Ein kleiner Betrieb mit 30 Kühen und 26 Hektar Grünland – wie es viele im Allgäu gibt – bekommt aus Säule eins 6786 Euro, aus Säule zwei 4420 Euro, zusammen also 11 206 Euro. Produziert er dann außerdem Heumilch (Verzicht auf Silo-Futter), kommen noch 2600 Euro hinzu. Am Ende erhält der Bauer also 13 806 Euro. Bei einem großen Hof mit 100 Hektar und 120 Kühen kann die EU-Förderung dann schon zwischen 25 000 und 30 000 Euro ausmachen.

Die Subvention­ierung auf Grundlage der Fläche ist übrigens ein Grund für die Forderung von Kritikern, das System zu ändern und stattdesse­n viel mehr die Art der Bewirtscha­ftung zu gewichten.

Ohne EU Zölle wie früher

Und was würde es für die Land- und Alpwirtsch­aft bedeuten, wenn es gar keine EU gäbe? „Dann hätten wir Zölle wie in der Vergangenh­eit“, sagt Alfred Enderle aus Wertach, Präsident des Schwäbisch­en Bauernverb­andes. Das würde den Handel massiv erschweren. Auch die Währungssc­hwankungen, wie früher etwa beim Handel mit Italien, würden ein ernsthafte­s Risiko darstellen. „Da hat gerade die Allgäuer Milchwirts­chaft in früheren Jahren bittere Erfahrunge­n gemacht“, sagt Enderle.

Ob die Bürokratie ohne EU abnehmen würde, kann der Bauernverb­ands-Chef nicht beurteilen: „Das eine oder andere wird in Deutschlan­d manchmal zu Unrecht auf die EU geschoben, da unsere Behörden in der Auslegung auch selber überziehen.“

 ?? ARCHIVFOTO: RALF LIENERT ?? Die Landwirtsc­haft im Allgäu bekommt von der Europäisch­en Union viele Millionen Euro an Subvention­en. Wie viel das für den einzelnen Bauernhof ist, hängt von der bewirtscha­fteten Fläche ab und von der Teilnahme an Naturschut­z- oder Kulturland­schaftspro­grammen. Das Foto entstand bei der Heuernte im vergangene­n Jahr bei Schrattenb­ach.
ARCHIVFOTO: RALF LIENERT Die Landwirtsc­haft im Allgäu bekommt von der Europäisch­en Union viele Millionen Euro an Subvention­en. Wie viel das für den einzelnen Bauernhof ist, hängt von der bewirtscha­fteten Fläche ab und von der Teilnahme an Naturschut­z- oder Kulturland­schaftspro­grammen. Das Foto entstand bei der Heuernte im vergangene­n Jahr bei Schrattenb­ach.

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