Das Leben in vollen Zügen
In München gibt es derzeit Riesenärger um Einschränkungen des S-Bahn-Betriebs – auch innerhalb der CSU
MÜNCHEN - In München wurden zu Schuljahresbeginn S-Bahn-Verbindungen eingeschränkt – sehr zum Unmut der Passagiere. Verschiedene Seiten schieben sich nun gegenseitig die Schuld zu.
Vor einigen Tagen teilte die SBahn München mit, dass man gezwungen sei, eine Reihe von Verstärkerzügen in den Stoßzeiten zu streichen. Grund: Man komme mit der Wartung der Züge des Typs ET423 und bei der Instandsetzung der alten ET420 nicht nach. Außerdem führten Bauarbeiten an einem S-Bahn-Werk zu Verzögerungen bei der Bereitstellung der mehr als 250 dort stationierten Fahrzeuge.
Quantitativ sind die Einschränkungen beim Münchener S-Bahn-Betrieb, der täglich von 840 000 Menschen benutzt wird, nicht dramatisch. 97 Prozent der vertraglich vereinbarten Verkehrsleistungen würden geliefert, versicherte der bayerische DBChef Klaus-Dieter Josel. Es gehe eigentlich nur darum, „eine Lösung für die restlichen drei Prozent" zu finden.
Pendler berichteten, dass die seit einiger Zeit verkehrenden „Verstärkerzüge“ zu den Morgen- und Nachmittagsstunden ohnehin nur auf dem Papier stehen – und in der Regel sowieso ausfallen. Wer jetzt erst erschrocken feststelle, dass da was nicht laufe, „scheint nicht viel vom Alltag der Fahrgäste mitzubekommen“, sagte Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn. Realität sei, auf den acht Münchener S-Bahn-Linien bestehe nach wie vor der 20-Minuten-Takt, der eigentlich auf einigen Linien zu bestimmten Zeiten auf zehn Minuten verkürzt werden sollte, um die Enge in den Waggons abzubauen.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kritisierte: „Ausgerechnet zu einer Zeit, in der die SBahn durch Unzuverlässigkeit und häufige Ausfälle sowieso schon Negativschlagzeilen am laufenden Band macht“, setze die Bahn eine weitere „nicht zu akzeptierende Zumutung“aufs Gleis.
Söder kritisiert Bahn
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) übten Kritik an der Deutschen Bahn. Man werde als Besteller von Nahverkehrsleistungen ernsthaft Vertragsstrafen gegenüber der Bahn prüfen, sagte Söder dem „Münchner Merkur“. Die Situation bei der S-Bahn, so Reichhart, sei „unhaltbar“.
Vize-Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche (SPD; MünchenLand) warf der Staatsregierung „Versagen auf ganzer Linie“vor. Sie habe „keine Planung, keine klare Förderung“, so Ganssmüller-Maluche.
Der mobilitätspolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Markus Büchler, kritisierte, die Staatsregierung habe den Ausbau der S-Bahn jahrelang vernachlässigt und das System auf Verschleiß gefahren. „Wenn Söder so weiterwurstelt, wird das mit der Verkehrswende nie was.“
Aber auch innerhalb der CSU werden kritische Stimmen laut. Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) soll einem Medienbericht zufolge in der Herbstklausur der CSULandtagsfraktion in Kloster Banz ihrem Parteifreund, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), vorgehalten haben, dass ausgerechnet am ersten Schultag S-Bahnen ausfielen.
Unter Leitung des bayerischen Bahn-Chefs Josel wurde eine „Task force“gegründet, um „das volle Fahrplanangebot wieder zu ermöglichen“. Deutschlandweit würden bei der DB Kapazitäten gesucht, um die Wartung in München voranzutreiben.