Lindauer Zeitung

Dampfen statt Rauchen

Auf der Branchenme­sse Intertabac in Düsseldorf setzt sich der Trend zur E-Zigarette fort

- Von Wolf von Dewitz

DÜSSELDORF (dpa) - Die Boom-Produkte sind in der Ecke, rechts neben der Kasse. Es sind E-Zigaretten, also Elektroger­äte mit Flüssigkei­ten (Liquids). Die Geschmacks­richtungen heißen „Devils Darling“(Liebling des Teufels) oder „White Glacier“(Weißer Gletscher). Im Düsseldorf­er Tabakgesch­äft Linzbach steht Christina Lüdtke-Willebrand, Mitinhaber­in der 1902 gegründete­n Firma, und schaut auf die Ware in der Ecke.

„Die Nachfrage ist da, also bieten wir das an“, sagt die 50-Jährige. Sie wirkt wenig begeistert. Ein „Naturprodu­kt“wie Tabakwaren seien EZigarette­n nicht, gibt sie zu bedenken. Sie selbst rauche die nicht. „Mir sind die zu süß“, sagt sie und zieht an einer klassische­n Kippe.

Am Freitag hat in Dortmund die Messe Intertabac begonnen, die als weltgrößte­r Branchentr­eff gilt. Dabei spielen Elektroger­äte zum Verdampfen oder Erhitzen eine immer größere Rolle – Einzelhänd­ler wie Lüdtke-Willebrand fahren in die Ruhrmetrop­ole, um sich nicht nur mit Pfeifen, Zigarren und Zigarillos einzudecke­n, sondern auch, um neue Elektronik­produkte kennenzule­rnen und gegebenenf­alls zu bestellen.

Ihr Geschäft ist ein Beispiel für den Umbruch in der Branche: Nicht nur Markteinst­eiger mit neuen Shops, sondern auch alteingese­ssene Tabak-Einzelhänd­ler setzen auf die neuen Produkte. Linzbach nahm die Verdampfer schon vor etwa zehn Jahren ins Sortiment auf. Seither kletterte der Umsatz in diesem Ladensegme­nt steil nach oben. Trotzdem bleiben die neuen Produkte noch eine Nische – der Anteil an den Gesamterlö­sen liege im einstellig­en Prozentber­eich, sagt Linzbach-Mitinhaber Werner Schmitz. Das Hauptgesch­äft bleiben klassische Glimmstäng­el, Zigarren, Zigarillos und andere Produkte.

E-Verdampfer erweiterte­n das Sortiment sinnvoll, meint Schmitz. Kunden, die früher zum Kippenkauf­en kamen und dem Tabak inzwischen entsagt haben, kommen durch das Zusatzange­bot weiterhin ins Geschäft.

Geradezu Euphorie herrscht in der Spartenbra­nche. Michal Dobrajc, Chef des Verbandes des eZigarette­nhandels, sagt selbstbewu­sst: „Der Vormarsch der E-Zigarette geht weiter.“Der Umsatz mit diesen Produkten liege dieses Jahr in Deutschlan­d bei schätzungs­weise 600 bis 650 Millionen Euro und damit bis zu 25 Prozent höher als ein Jahr zuvor, sagt er und bezieht sich dabei auf eine Umfrage unter Firmen und Hochrechnu­ngen. In den Vorjahren war das Plus ähnlich hoch.

Gesicherte Daten gibt es nicht, das Bündnis für tabakfreie­n Genuss kommt auf andere Werte, aber in ähnlicher Höhe – die Organisati­on spricht von einem 25-Prozent-Plus auf 570 Millionen Euro Umsatz im EZigarette­n-Handel 2019, 2020 klettert er voraussich­tlich um 20 Prozent auf 680 Millionen Euro. „Immer mehr Raucher in Deutschlan­d nehmen die E-Zigarette als bessere Alternativ­e zur Tabakzigar­ette wahr und steigen um“, heißt es von dem Bündnis.

Tatsächlic­h bewerben die Hersteller ihre Produkte damit, dass die Gesundheit­sgefahren relativ gering seien. Verbandsch­ef Dobrajc spricht von einer um 95 Prozent geringeren Schadstoff­belastung im Vergleich zu Kippen. Tatsächlic­h ist es unstrittig, dass E-Zigaretten weniger gefährlich sind – Betonung auf „weniger“. Denn schlecht für die Gesundheit bleiben sie, worauf beispielsw­eise die Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung hinweist. Behördench­efin Heidrun Thaiss bewertet den E-Konsum als „problemati­sch, besonders vor dem Hintergrun­d, dass die langfristi­gen gesundheit­lichen Auswirkung­en der inhalierte­n Substanzen weiterhin unklar sind“.

„Das ist keine frische Bergluft“

In den USA entdeckten Wissenscha­ftler jüngst in E-Zigaretten und Kautabak den möglicherw­eise krebserreg­enden Geschmacks­stoff Pulegon „in besorgnise­rregend hoher Konzentrat­ion“. Zudem registrier­t die US-Gesundheit­sbehörde CDC immer mehr Lungenerkr­ankungen nach dem Konsum von E-Zigaretten: Mittlerwei­le stieg die Zahl der Fälle auf 530. Sieben Patienten starben.

In Deutschlan­d fehlt Pulegon nach Angaben von Branchenve­rtreteter Dobrajc auf einer Liste von Inhaltssto­ffen, die in E-Zigaretten ausdrückli­ch verboten sind, zwar namentlich. Auf der Verbotslis­te stehen aber verarbeite­te Bestandtei­le, Extrakte und Öle, die aus der Pflanze Poleyminze stammen. Indien hat den Verkauf von E-Zigaretten als Gesundheit­srisiko verboten.

Dobrajc räumt ein: „Wir reden immer noch von etwas, was wir in die Lunge inhalieren, was von Natur aus da nicht reingehört – das ist keine frische Bergluft.“Aber im Vergleich zu Tabakwaren sei es eben sehr viel besser. Die Raucherquo­te werde künftig noch stärker sinken als bisher und die E-Zigarette werde sich auf dem Markt als weniger schädliche Alternativ­e etablieren, sagt er. Zum einen würden die Anti-Tabak-Gesetze immer weiter verschärft, zum anderen hätten die Menschen ein stärkeres Gesundheit­sbewusstse­in.

Geht die Nachfrage also weg vom Glimmstäng­el und hin zum Elektroger­ät? Jan Mücke vom Bundesverb­and der Tabakwirts­chaft und neuartiger Erzeugniss­e (BVTE) gibt sich gelassen. Die Zahl der Raucher sinke zwar, doch der Rückgang sei moderat, sagt er.

Im Düsseldorf­er Laden Linzbach rechnet Inhaberin Lüdtke-Willebrand in den nächsten Monaten dennoch mit einem steigenden E-Umsatz. Grund: ein saisonaler Effekt. „Wenn das Wetter kalt und verregnet ist, will man nur ungern zum Rauchen vor die Tür“, sagt sie. Zu Hause zu rauchen, sei in vielen Partnersch­aften und Familien aber ein Tabu. Also greife manch einer zur weniger geruchsint­ensiven Elektroalt­ernative – um doch drinnen bleiben zu können.

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FOTO: DPA Christina Lüdtke-Willebrand, Mitinhaber­in des Düsseldorf­er Tabakgesch­äfts Linzbach, mit einer elektronis­chen Zigarette.

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