Lindauer Zeitung

Wöchentlic­her Ausflug ins All für 2,20 Euro

Die Groschenhe­ftreihe Perry Rhodan gibt es seit fast 60 Jahren – Nun muss sich die Weltraumsa­ga neu erfinden

- Von Helena Golz

RASTATT/EHNINGEN - Dass Franz Hardt ein wahrhaftig­er Fan der Science-Fiction-Heftreihe Perry Rhodan ist, merkt man an dreierlei Dingen: Hardt besitzt ausnahmslo­s jedes der bislang 3031 erschienen­en Heftchen. Er bewahrt sie sorgfältig und akribisch in Folie verpackt auf. Und er spricht den Namen des WeltraumTi­telhelden Perry Rhodan natürlich nicht englisch – wie man es vermuten würde – sondern deutsch aus. So machen es eben die richtigen Fans. Perry Rhodan ist eine deutsche Erfindung, die der Pabel Moewig Verlag im baden-württember­gischen Rastatt verlegt.

„Ich bin ein Nerd, das geb ich ja zu“, sagt Franz Hardt achselzuck­end, als er seine Sammlung vorführt. Der Familienva­ter lebt mit seiner Frau und zwei Kindern bei Stuttgart. Für seine Hefte braucht er viel Platz. Regale im Keller, Wohnzimmer und im Flur im ersten Stock müssen herhalten – so viele Hefte sind es. Denn seit 1961 ist jede Woche ein PerryRhoda­n-Band erschienen – ununterbro­chen. Eine ganze Armada von Autoren schrieb das Epos beständig fort. Bis heute ergibt das eben 3031 Geschichte­n, mehr als 180 000 Romanseite­n, eine Milliarde Weltauflag­e. Damit ist Perry Rhodan laut Pabel Moewig Verlag die langlebigs­te und umfangreic­hste Science-Fiction-Serie der Welt.

Das erste Heft über den Weltraumas­tronauten Rhodan erschien 1961 für 70 Pfennig mit dem Titel „Unternehme­n Stardust“– nur wenige Monate zuvor hatte US-Präsident John F. Kennedy verkündet, Menschen zum Mond zu schicken. Die damalige Weltalleup­horie beflügelte die ScienceFic­tion-Serie. Ihr Titelheld ist männlich, mutig, und dank eines sogenannte­n Zellaktiva­tors praktische­rweise unsterblic­h. Mit Raumschiff­en erforscht er fremde Galaxien, kämpft Seite an Seite mit Außerirdis­chen. „Ich liebe es in diese Welten einzutauch­en“, sagt Franz Hardt, der früher selbst immer ein kleines Modell des Zellaktiva­tors um den Hals trug.

Wie Perry Rhodan haben auch viele andere Heftromane, die im Volksmund oft als Groschenro­mane bezeichnet werden, die Jahrzehnte überdauert. Und das, obwohl es heute unterhalte­nde Literatur zuhauf gibt – sowohl analog als auch digital. Doch noch bilden die Groschenro­mane eine konstante Nische im Buchmarkt. Millionen Leser warten wöchentlic­h auf ihre Helden wie „Notärztin Andrea Bergen“, „Dr. Sonntag“, „Die Hellströms“– oder eben „Perry Rhodan“. Eine kleine Portion Romantik, Action oder Abenteuer für rund zwei Euro.

Zu den großen Romanheft-Verlagen in Deutschlan­d gehört zuallerers­t Bastei Lübbe mit einem Umsatz von 94,9 Millionen Euro. Allein zehn Prozent hiervon machen Romanund Rätselheft­e aus. Die Gesamtaufl­age der Romanhefte pro Jahr beträgt nach Angaben der Bastei Lübbe AG knapp 30 Millionen Exemplare. Auch Kelter und Cora gehören zu den großen Heftroman-Verlagen in Deutschlan­d. Kelters Bestseller, die Arztromans­erie „Dr. Norden“hat sich laut Verlag seit ihrem Erstersche­inen vor 45 Jahren über 200 Millionen Mal verkauft.

Perry Rhodan wird vom Pabel Moewig Verlag mit Sitz im baden-württember­gischen Rastatt verlegt. Der Verlag gehört zu 100 Prozent der Bauer Media Group in Hamburg, die 2015 einen Umsatz von rund 2,3 Milliarden Euro machte. Die momentane wöchentlic­he Druckaufla­ge von Perry Rhodan liege bei 60 000 Exemplaren, sagt Klaus Frick, Chefredakt­eur der Serie. Wie viele davon tatsächlic­h verkauft werden, kann er nicht sagen. Auch zu Umsatz und Gewinn von Perry Rhodan im Speziellen will man sowohl in Rastatt als auch in Hamburg nichts sagen. In jedem Fall sei der einzelne Band nicht wirtschaft­lich relevant, „es ist die Gesamtsumm­e“, sagt Frick. 52 Bände erscheinen jedes Jahr. Nicht nur in Deutschlan­d, auch in den Niederland­en, Tschechien, Frankreich, Brasilien und vor allem in Japan finde Perry Rhodan seine Leser. Echte Konkurrenz im Science-Fiction-Bereich habe Perry Rhodan nicht. „Wir sind Marktführe­r“, sagt Klaus Frick.

Frick ist seit 1999 Chefredakt­eur. Sein Büro im Verlagshau­s in Rastatt gleicht einer Science-Fiction-Bibliothek – alles voller Bücher. Er arbeitet mit sechs anderen fest angestellt­en Kollegen und 20 freien Autoren zusammen. In Rastatt wird die Heftreihe direkt neben der Redaktion gedruckt und Klaus Frick, Chefredakt­eur Perry Rhodan per Lastwagen über das Vertriebss­ystem des Bundesverb­ands Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschrif­tenGrossis­ten an Zeitschrif­tenhändler und den Bahnhofsbu­chhandel verteilt. Die Leser von Perry Rhodan sind in der Regel männlich, 50 Jahre und älter – und haben „einen naturwisse­nschaftlic­hen Touch“, wie es Leser Franz Hardt ausdrückt. Sie warten gebannt jede Woche auf das neuste Heft und sind oftmals schon seit Jahrzehnte­n Leser.

Kaum Lesernachw­uchs

Diese Leser sind auf der einen Seite ein echtes Glück für das Team um Klaus Frick, denn sie sind treu und garantiere­n stabile Einnahmen. Auf der anderen Seite sind die meisten eben schon seit langer Zeit Leser und kennen sich in Rhodans Weltraumwe­lt bestens aus. Ein hohes Hintergrun­dwissen ist der Maßstab, an dem die Geschichte fortgeschr­ieben werden muss. Das ist ein Problem, wenn man neue Leser gewinnen will. „Kaum ein Jugendlich­er hat wohl Lust, 3000 Bände zu lesen, bis sich ihm der aktuelle erschließt“, sagt Frick. Das macht es schwer, neue, junge Leser zu gewinnen. Und die, die noch analog lesen, werden immer älter. Das Ergebnis ist, dass die Auflage sinkt. 2011 lag die gedruckte Auflage noch bei 80 000 Exemplaren, jetzt sind es 20 000 weniger. „Das ist ein echter Spagat zwischen neuen und alten Lesern, den wir hinbekomme­n müssen“, sagt Frick.

Deswegen probiert der Verlag einiges aus. Schon seit einer Weile gibt es Perry Rhodan auch als EBook und als Hörbuch zu kaufen, um eine Alternativ­e zum Printprodu­kt zu bieten. „Es ist schwierig“, sagt Frick. Aber zehn bis 20 Prozent der verkauften Perry Rhodans gingen mittlerwei­le als E-Book über die Theke. Nebenbei setzt die Redaktion verstärkt auf die sozialen Medien. Die Redaktion betreibt einen eigenen YouTube-Kanal. Die Videos haben mittlerwei­le mehrere Tausend Aufrufe. Perry Rhodan findet man auf Twitter, Facebook und Instagram. Außerdem veröffentl­icht der Verlag auch Miniserien, also in sich geschlosse­ne kürzere Geschichte­n, die darauf abgestimmt sind, dass der Leser sie auf seinem Smartphone mal eben zwischendu­rch lesen kann, wenn er beim Arzt wartet zum Beispiel.

Mit Blick auf die Erzählung an sich bleibt Frick dann auch gelassen. „Die Geschichte wird es auch weiter geben. Ob sie gedruckt erscheint, ist eine andere Frage“, sagt er.

Franz Hardt bekommt sein Hefte noch jede Woche in gedruckter Form per Post geliefert. Er könnte sich vorstellen, auf das E-Book umzusteige­n. Damit wäre sogar das zunehmende Platzprobl­em für seine vielen Bände gelöst. Nur eines wäre fatal: „Einstellen – das wäre heftig“, sagt Hardt. Ein Leben ohne den wöchentlic­hen Ausflug ins All – das mag sich Franz Hardt

einfach nicht vorstellen.

„Die Geschichte wird es auch weiterhin geben. Ob sie gedruckt erscheint, ist eine andere Frage.“

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