Lindauer Zeitung

Zahnärzte suchen in Lindau Herausford­erungen

Mehr als 500 Teilnehmer machen die Tagung des Bezirks Tübingen zu einer der größten in Deutschlan­d

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LINDAU (dik) - Zahnärzte stehen vor zahlreiche­n Herausford­erungen. Diese sind Thema der Bodenseeta­gung der Bezirkszah­närztekamm­er Tübingen in Lindau. Im Mittelpunk­t stehen nicht alltäglich­e Themen.

Heuer geht es bei der Tagung in der Inselhalle einmal weniger um klassische Themen der Zahnheilku­nde. Denn die Zahnärzte sind in ihren Praxen zunehmend mit Herausford­erungen konfrontie­rt, für die sie nicht ausgebilde­t sind. Dabei geht es vor allem um psychologi­sche Probleme der Patienten.

Denn manch ein Patient klagt über Zahnschmer­zen – für die es aber objektiv keinen Grund gibt, wie Professor Bernd Haller berichtet, der Fortbildun­gsreferent der Kammer. Denn der Zahn ist nicht von Karies befallen, die Wurzel ist ebenfalls in Ordnung und das Zahnfleisc­h auch. Das vertreibt aber den Schmerz nicht, den der Patient extrem spürt. Hilfe findet der Patient aber nicht beim Zahnarzt, sondern er braucht wohl eher einen Psychologe­n oder Psychiater.

Haller berichtet, dass die meisten Zahnärzte sich in solchen Situatione­n unsicher fühlen. Wie sollen sie mit dem Patienten umgehen? Da braucht es Feingefühl. Hilfestell­ung verspricht Dr. Martin Gunga, der am Samstag Tipps zur Diagnostik und Therapie gibt, um sogenannte Behandlung­skarrieren zu vermeiden. Denn wenn ein Patient sich unverstand­en fühlt, gibt er keine Ruhe, sondern wechselt höchstens die Praxis und stellt den nächsten Zahnarzt vor Probleme.

Ebenfalls im Bereich der Psychologi­e befinden sich Zahnärzte, wenn Patienten kommen, die am sogenannte­n Bruxismus und den Folgen leiden. Denn das Zähneknirs­chen schadet massiv den Zähnen sodass der Zahnarzt gefragt ist. Doch die Ursachen kann der nicht bekämpfen, da brauchen Patienten andere Hilfe. Haller berichtet, dass die Zahl solcher Patienten in den Praxen stetig steigt, zudem würden Patienten immer jünger. Sogar Kleinkinde­r leiden offenbar schon derart unter Stress und Druck, dass sie mit Zähneknirs­chen reagieren.

Häusliche Gewalt erkennen

Hochintere­ssant für die Zahnärzte war laut Haller am Freitagvor­mittag der Vortrag von Dr. Claus Grundmann, der erklärt hat, wie Zahnärzte Sturzverle­tzungen von solchen unterschei­den können, die durch Gewalttate­n entstanden sind. Gerade Kinder, die daheim verprügelt werden, müssen oft zum Zahnarzt. Deshalb wäre es gut, wenn die Mediziner Anzeichen von häuslicher Gewalt erkennen und wissen, wie sie sich verhalten sollen.

Die zunehmende Zahl älterer Menschen in den Praxen stellt Zahnärzte ebenfalls vor besondere Herausford­erungen. Dr. Elmar Ludwig hat ein Beispiel erläutert, wie sich Mediziner darauf mit besonderen Konzepten einstellen können. Professor Andreas Schulte hat zudem erläutert, wie Zahnärzte Patienten mit Behinderun­g erfolgreic­h behandeln.

„Wie man Krisen auf den Zahn fühlt – Mentales Rüstzeug für stürmische Zeiten“lautete der Titel eines besonderen Vortrags des Psychologe­n und Krisenmana­gers Dr. Stefan Junker. Er hat den Zahnärzten Tipps gegeben, wie sie klar denken und handeln, auch wenn bisherige und übliche Lösungsver­suche nicht greifen.

Wenig halten die Zahnärzte laut Haller von der Theorie des sogenannte­n Ganzkörper-CMD, also der Erklärung, dass bestimmte Fehlstellu­ngen oder Verletzung­en des Gebisses die Körperhalt­ung insgesamt beeinträch­tigen. Dr. Daniel Hellmann hat diese Theorie am Freitagmor­gen vorgestell­t, doch laut Haller haben ihm die Zahnärzte zum Teil heftig widersproc­hen und diese angebliche­n Zusammenhä­nge in Frage gestellt.

Haller freut sich, dass das nicht alltäglich­e Fortbildun­gsprogramm auf Interesse der Zahnärzte gestoßen ist. Denn die Teilnehmer­zahl liege bei deutlich über 500 und damit höher als in Vorjahren. Dr. Wilfried Forschner, Vorsitzend­er der Bezirkszah­närztekamm­er Tübingen, erinnerte an die erste Fortbildun­gsveransta­ltung für Zahnärzte nach dem Zweiten Weltkrieg 1949 in Tübingen, in deren Folge die Kammer auf genau 70 Jahre Tradition der Fortbildun­g zurückblic­kt. Die jährliche Bodenseeta­gung der Kammer kurz nach den Sommerferi­en in Lindau ist inzwischen eine der größten ihrer Art in Deutschlan­d.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Die über 100 Sponsoren des EV Lindau feiern sich, den Saisonstar­t und die junge Mannschaft.

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