Schmankerladresse mit Sinn für Qualität
Es wird nicht mehr lange dauern, dann zieht der Frost wieder übers Land. Höchste Zeit also, ein wenig Wintervorsorge zu betreiben und die womöglich bedrohten Fettdepots wieder aufzufüllen oder zu stabilisieren. Eine sehr gute Adresse in Sachen Kalorienbilanz ist der Bayerische Hof in Leutkirch. Das Gasthaus bemüht sich redlich, keinen Besucher im Zustand der Unterernährung vom Holztisch aufstehen zu lassen. Der fürsorgliche Service – flink und aufmerksam – achtet drauf, dass wegen der Wartezeit gewiss niemand in den Unterzucker fällt. Kaum bestellt – schon tanzt das Essen an. Auch die geröstete Maultasche nebst Bratensaft und Salatgarnitur kommt ohne Verzögerung auf den Teller. Von ihm steigt der angenehme Geruch einer schmackhaften Soße auf, die weitgehend ehrlich und handwerklich gemacht schmeckt. Jedenfalls ist das Produkt eine gute Ergänzung zu den üppig mit spinatgrüner Fülle gemachten Teigtaschen. Am Gaumen spürt man neben viel Fleisch eine pfeffrige Schärfe. Der Salat lebt von einem mayonnaisigen Dressing. Besonders überraschend: Statt der oft verwendeten Petersilie, garniert die Küche im Bayerischen Hof mit frischem Selleriegrün, was sich in maskulin-herbem Aroma ausdrückt. Einen Sinn für Qualität lassen sogar die Chicken-Nuggets auf dem Kinderteller spüren. Denn die Knusperteile sind nicht wie üblich mit obskurer Hähnchenmasse gefüllt, sondern mit echtem Brustfleisch. Das ist auch der Grund, warum sie nicht knochentrocken im Hals stecken bleiben – wobei das Kinder naturgemäß nicht davon abhält, mit viel Ketchup einen guten Rutsch in den Magen sicherzustellen. Und weil wir vorher gerade von Kalorien gesprochen haben: Die Allgäuer Kässpätzle, serviert in einem Tontöpfle, bringen jede Menge davon mit. Für ellenlange Fäden sorgt dabei der Emmentaler, während der Bergkäse mit Reife und wuchtigem Aroma die Mehlspeise in geschmackliche Balance bringt. Die Spätzle hätten etwas mehr Biss gut vertragen können und die Knusperzwiebeln eine Minute mehr auf der Flamme, denn sie sind ein bisschen blass, auch geschmacklich.
Monströs geht es mit dem „Bayerischer Hof Giganten“weiter. Einem Cordon Bleu der ungewöhnlichen Art: Der Teller ist ähnlich wie bei einer Pizza bis zu den Rändern mit dem flachen und gefüllten Schnitzel belegt. Das Trumm ist in der Pfanne gebraten und nicht frittiert, wie es sein muss. In der Füllung ringen Bergkäse und Schwarzwälder Schinken um die deftige Vorherrschaft im Geschmackszentrum. Da das Cordon Bleu wirklich sehr dünn ist, ist es auch gut zu schaffen. Man muss ja nicht alle von den frisch und knusprig frittierten Pommes essen.
Und zum schmalzigen Schluss? Apfelküchle natürlich! Die haben zwar einen etwas kompakten Teigmantel, der locker und luftig noch mehr Freude bereitet hätte. Doch die Kringel sind dennoch ein würdiger Abschluss für ein Menü, das sich durch weitgehend handwerkliche Eigenleistung in der Küche auszeichnet. Und darauf hoffen lässt, dass der Bayerische Hof als Schmankerladresse auch der nächsten Generation – in Gestalt von Lara und Daniel Bally, die kürzlich erst übernommen haben – Lohn und Brot beschert.