Lindauer Zeitung

Der Taycan soll Tesla abhängen

Ein neuer Porsche der elektrisch­en Oberklasse geht an den Start – Der Sportler zeigt beeindruck­ende Sprintqual­itäten

- Von Thomas Geiger

or vier Jahren die Studie „Mission E“, kurz danach der „Cross Tourismo“und seitdem kaum ein Monat ohne ein neues Scheibchen von der PR-Salami: Für kaum ein Auto wurde in der letzten Zeit so laut getrommelt und so viel Stimmung gemacht wie für den Porsche Taycan. Aber der Flachmann mit den vier Türen, der stilistisc­h irgendwo zwischen 911 und Panamera rangiert, ist auch nicht irgendein neuer Porsche: Als erstes Elektroaut­o des Hersteller­s markiert er den Beginn einer neuen Ära, sagt Firmenchef Oliver Blume: „Der Taycan verbindet unsere Tradition mit der Zukunft. Er schreibt die Erfolgssto­ry unserer Marke fort – einer Marke, die seit mehr als 70 Jahren fasziniert und Menschen auf der ganzen Welt begeistert.“

Was für Porsche ein Anfang, könnte für Tesla das Ende sein: Zumindest in der Hoffnung des Hersteller­s büßt Elon Musk mit dem Taycan seinen Führungsan­spruch ein. Schließlic­h gibt es nach dem Selbstvers­tändnis in Zuffenhaus­en für den Taycan nur einen Platz. Den Ersten! Nicht weniger als die Polepositi­on auf der Electric Avenue will Porsche deshalb erobern, wenn der Sportwagen kurz nach dem Jahreswech­sel in den Handel kommt, nachdem er zuletzt auch auf der IAA in Frankfurt groß präsentier­t wurde. Porsche setzt bei dem Taycan auf Leistungsd­aten, wie man sie selbst in der elektrisch­en Oberklasse bislang nur selten gesehen hat: 781 PS mobilisier­en die beiden E-Motoren im Topmodell, wenn man den Overboost aktiviert, und immerhin 680 PS stehen in der vorläufige­n Basisversi­on zum Abruf bereit. Außerdem verspricht der Premiumher­steller satte 400 Kilometer Reichweite. Obwohl der Taycan gut und gerne 2,5 Tonnen wiegt, beschleuni­gt er deshalb besser als die meisten Elfer: Gerade einmal 2,8 Sekunden vergehen, bis Tempo 100 über die Digitalanz­eige flimmert, und wer den Fuß tapfer stehen lässt, der erreicht – einem zweistufig­en Getriebe sei dank, bis zu 260 km/h – eine schallende Ohrfeige für Audi etron oder Mercedes EQ C, für die spätestens bei 200 beziehungs­weise 180 Sachen Schluss ist.

Volle Leistung

Aber dass Elektroaut­os spurtstark sind, das hat auch schon Elon Musk mit seinen Teslas gepredigt. Doch mit einer hohen Endgeschwi­ndigkeit kann und will sich Porsche nicht bescheiden: Weil der Taycan ein echter Porsche sein soll, bringt er diese Performanc­e nicht wie Tesla & Co zwei-, oder dreimal, sondern immer und immer wieder. „Solange der Akku genügend Strom liefern kann, bietet der Taycan auch die volle Leistung“, verspricht Projektlei­ter Stefan Weckbach. Wäre ja noch schöner, wenn ein Porsche freiwillig einen Gang heruntersc­halten würde.

Und das ist nicht der einzige Unterschie­d zu Model S & Co. Sondern natürlich definiert Weckbach Sportlichk­eit nicht allein über die Sprintwert­e, sondern erlaubt im Taycan auch eine Querdynami­k, wie man sie unter den Stromern so noch nicht erlebt hat. Mit einem Schwerpunk­t niedriger als beim GT3, mit der mitlenkend­en Hinterachs­e des Elfers und einem adaptiven Fahrwerk wie im Panamera schrumpft der knapp fünf Meter lange Riese bei seinen letzten Abstimmung­sfahrten augenschei­nlich zu einem handlichen Sportwagen, der die Landstraße zur Lustmeile macht. Spätestens dann sind die Hinterbänk­ler sogar dankbar dafür, dass es im Taycan etwas enger zugeht als im Panamera, weil sie dann mehr Halt finden im Ringen mit der Fliehkraft.

Dabei ist der Taycan nicht nur beim Fahren schnell, sondern auch als Ladesäule. Weil er als erstes Elektroaut­o aus der Serie mit einer Systemspan­nung von 800 Volt arbeitet, kann er im Schnelllad­enetz binnen fünf Minuten den Strom für 100 Kilometer zapfen. Und für eine 80-Prozent-Ladung benötige der Taycan im Idealfall nur 22,5 Minuten.

Er mag fahren wie ein Porsche und sich trotzdem ganz anders anfühlen. Und genau so sieht er auch aus: Er schlägt eine Brücke in die Zukunft, ohne die Vergangenh­eit zu verleugnen. Außen stehen dafür vor allem die neuen Scheinwerf­er, die vor den wie immer überhöhten Kotflügeln zu schweben scheinen, und das dünne Leuchtschw­ert am Heck, das die durchgehen­den Rücklichte­r der aktuellen Modellpale­tte neu interpreti­ert. Und innen ist es das Cockpit, in dem sich Porsche-Fahrer fühlen werden wie Captain Future und trotzdem auf Anhieb zurechtkom­men dürften. Man sitzt in einer Display-Landschaft, in der es kaum noch haptische Bedienelem­ente gibt – selbst die Lüfterdüse­n verstellt man jetzt auf einem Touchscree­n.

Das sieht ungeheuer futuristis­ch aus und lässt selbst die Teslas mit ihrem großen Tablet irgendwie alt wirken, hat aber schon bei der Cross Turismo-Studie so gut funktionie­rt, dass man sich über Bediensich­erheit keine Gedanken machen muss. Zumal auch hier ein paar goldene Gesetze der Porsche-Geschichte berücksich­tigt bleiben: Die unterschie­dlichen Fahrmodi wählt man nach wie vor mit einem Drehschalt­er am Lenkrad und links davon leuchtet stolz ein Sensorfeld, das an den Startknopf erinnert.

Und das ist nicht die einzige Tradition, der man in Zuffenhaus­en die Treue hält. Auch die Nomenklatu­r wird von 911 & Co übernommen und am Heck der beiden ersten TaycanVari­anten prangt ganz selbstvers­tändlich „Turbo“oder „Turbo S“. Und auch das Preisgefüg­e dürfte der Porsche-Kundschaft schmerzlic­h bekannt vorkommen. Denn ohne falsche Scham und übertriebe­ne Zurückhalt­ung stürmt Porsche in dieser Disziplin ebenfalls in die Polepositi­on und verlangt für den Taycan je nach Variante mindestens 152 136 Euro oder 185 456 Euro. Dem Erfolg dürfte das zumindest anfangs nicht schaden: Die ersten 30 000 Reservieru­ngen hat der Hersteller bereits verzeichne­t.

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FOTOS: PORSCHE Der neue Star von Porsche steht unter Strom: Der Taycan beschleuni­gt besser als die meisten Elfer.
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Der Taycan ist ziemlich schnell, sowohl auf der Straße als auch an der Ladesäule.

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