„Widerstand lohnt sich“
40 Jahre nach dem Wäsen-Krieg: BN feiert unverbautes Bodenseeufer.
LINDAU - Eindrücklicher als mit diesem Spaziergang hätte der Bund Naturschutz (BN) nicht zeigen können, wie sehr sich der Kampf vor 40 Jahren gelohnt hat: Die etwa 30 Frauen und Männer, die der Einladung des BN in den Wäsen gefolgt sind, haben bei strahlendem Sonnenschein die einzigartige Natur am See genossen. Aus Dankbarkeit für die Menschen, die mit viel Engagement verhindert haben, dass diese Grünflächen zugebaut wurden, hat der BN am Samstag symbolisch vier Bäumchen vor dem Wankel-Gebäude gepflanzt. Die echten werden im Oktober folgen.
„Wenn hier der Anfang gemacht worden wäre, dann wäre jetzt alles zugebaut“, sagt Isolde Miller, Gebietsbetreuerin beim BN, und zeigt auf die grüne Wiese. Die war seinerseits eine „heiß umstrittene Fläche“, wie Erich Jörg, Vorsitzender des BN, betont. Mit ihrer „Umrundung“wollte der BN bei einem Spaziergang, „einen Eindruck davon erschaffen, was wir erhalten haben“.
„Demonstration der Freude und der Dankbarkeit“
Den Termin dazu haben die Verantwortlichen genau gewählt. Am 20 September war es genau 40 Jahre her, dass über 1200 Lindauer in der überfüllten Sängerhalle mit dem Naturschützer Horst Stern und Oberbürgermeister Josef Steurer an der Spitze demonstrierten. Ihr Schlachtruf „Am See Natur und nicht Beton“wirkt bis heute nach. Auch wenn der BN 40 Jahre später nur eine vergleichsweise kleine Gruppe zu dem morgendlichen Spaziergang inspirieren kann und auch Jörg „etwas mehr erwartet hätte“, kann das die Stimmung nicht trüben. Als er am Ufer spaziert, sagt Jörg: „Da sieht man, dass sich Widerstand lohnt.“Der Bund Naturschutz wolle sich daher bei allen bedanken, die sich vor 40 Jahren so für den Naturschutz eingesetzt haben.
Einige der damaligen Mitstreiter und Zeitzeugen sind dabei. Gertraud und Klaus Burger, Eckart Prandner, aber auch der frühere Landratsamtsjurist Günter Wiest, der 1979 im bayerischen Umweltministerium arbeitete, reihen sich in die Spaziergänger ein. Auf dem Weg betrachten sie nicht nur alte Zeitungsausschnitte und Pläne, sondern tauschen auch immer wieder Erinnerungen aus über den Kampf gegen die umstrittenen Bauvorhaben, die Erweiterung des Wankel-Gebäudes und der Bau der Jugendbildungs- und -begegnungsstätte. Zwischendurch gibt es immer wieder einen kleinen Stopp, bei dem BN-Geschäftsstellenleiterin Claudia Grießer, Isolde Miller und die Künstlerin Sibylle Gasch Besinnliches in Form von Hesse- und RilkeGedichten rezitieren. Alphornbläser Hermann Kohler umrahmt die einzelnen Etappen vor teils einzigartiger Kulisse musikalisch. Als im Hintergrund Hohentwiel und Zeppelin vorbeiziehen, kommt Gänsehautstimmung auf.
„Das hätte auch für den Eichwald gelten sollen“
„Das ist eine Demonstration der Freude und Dankbarkeit“, sagt Erich Jörg am Ende des Spaziergangs vor dem Wankel-Gebäude. Er erinnert an eine „bewegte Zeit über Wochen und Monate“, an das Engagement der Leute aus dem Bürgerkomitee und betont immer wieder: „Wir können uns über das, was damals gelungen ist und der Nachwelt erhalten ist, freuen.“Schließlich sei der Raum zwischen dem Zeltplatz und dem Leuchtenbergareal der bedeutendste Naherholungsraum in Lindau. Was die Menschen mit dem Kampfspruch „Am See Natur und nicht Beton“erstritten hätten, sei „Vermächtnis und Auftrag zugleich“. Deshalb kämpfe der Bund Naturschutz auch gegen das Thermen-Projekt. „Was damals für den Wäsen galt, hätte auch für den Eichwald gelten sollen“, so die Überzeugung von Erich Jörg.
Eckart Prandner erinnert daran, dass in den 70er Jahren erst der Landschaftsschutzgedanke erwachte. Bis dahin habe man mehr an die Wirtschaft und den Aufbau gedacht. Als Vorsitzender des Alpenvereins wollte auch er angesichts eines derart massiven Baukörpers im Naturschutzgebiet Farbe bekennen. „Der Naturschutz der Alpen kann nicht am Pfänderrücken vor unserer Haustüre enden“, so seine Überzeugung. Für ihn war das Wirken von Horst Stern von ausschlaggebender Bedeutung. „Seinen Einsatz sollten wir besonders würdigen.“
„Ich bin heute noch stolz auf diese schöne grüne Wiese, wo wir fast jede Woche laufen“, sagt Gertraud Burger. Dafür habe sie gekämpft, obwohl sie als einzige Frau im Bürgerkomitee auch Anfeindungen ausgesetzt war. Die CSU, der sie damals noch angehörte, wollte sie sogar „beurlauben“. Doch der Einsatz habe sich gelohnt. Anders als im Eichwald, wie sie betont: „Ich hoffe, dass das das letzte schlechte Beispiel ist, und dann am See wirklich Natur und nicht Beton herrscht.“
„Was würde Ihnen diese schöne Natur nutzen, wenn Sie keinen Zugang hätten?“, fragt Günter Wiest. Er erinnert daran, dass dort in den 70er Jahren Zäune standen und es der „hier viel gescholtenen Landrat Henninger“gewesen sei, der sich an entsprechende Verhandlungen gemacht habe. Dass man heute diese Natur so genießen könne, sei zwei Faktoren zu verdanken: dem Engagement der Bürgerschaft, die eine Bebauung verhinderte, aber auch „der stillen unspektakulären Arbeit der Behörden“, die sich für den freien Seezugang eingesetzt haben. „Das gehört beides zusammen, obwohl es getrennte Sachverhalte sind.“
Zu den Klängen des Querflötentrios um Stefan Hilger vom MV Wasserburg pflanzen Isolde Miller und Claudia Grießer symbolisch kleine Bäumchen. Die echten sollen Ende Oktober, Anfang November folgen, wenn sie nicht mehr im Laub stehen. Die kleine Feier endet mit einem gemeinsamen Kanon und dem Versprechen, sich auch in Zukunft für die Natur einzusetzen.