Lindauer Zeitung

Die Bahn jubelt über das Klimapaket

Konzern rechnet mit Millionen zusätzlich­en Passagiere­n und plant Ausbau der Zugflotte

- Wolfgang Mulke

BERLIN - Bahnfahren wird im kommenden Jahr rund zehn Prozent günstiger. Möglich wird dies durch die von der großen Koalition mit dem Klimapaket vereinbart­e Absenkung der Mehrwertst­euer für Fernreisen von derzeit 19 Prozent auf sieben Prozent. Unter dem Strich werden die Fahrgäste damit um rund 400 Millionen Euro im Jahr entlastet. Die Regierungs­pläne sehen die Steuersenk­ung zum 1. Januar 2020 vor.

Bahnchef Richard Lutz kündigte am Sonntag an, dass auch die Bahncards in die Preissenku­ng einbezogen werden sollen. Bei einer Bahncard 25 wären das gut sechs Euro weniger Jahresgebü­hr.

Das Klimapaket der Bundesregi­erung löst im Bahntower Jubel aus. „Das ist ein Wendepunkt in der Wahrnehmun­g der Eisenbahn in Deutschlan­d“, sagt Lutz. Die Beschlüsse seien „hervorrage­nde Nachrichte­n für die Eisenbahn in Deutschlan­d und ihre Kunden“.

Er erwartet etwa fünf Millionen zusätzlich­e Passagiere im Jahr. Um den Ansturm zu bewältigen, bestellt die Bahn weitere ICE. 30 zusätzlich­e Hochgeschw­indigkeits­züge will Lutz anschaffen. Das entspricht rund 13 000 weiteren Sitzplätze­n. Die Aufrüstung der Flotte geht noch weiter. Nach Unternehme­nsangaben werden 2023 schon 380 ICE über die Gleise rollen, 100 mehr als heute. Bis dahin wird es wohl noch mehr Gedränge in den oft schon vollen Zügen geben. „Es bleibt eine Herausford­erung“, räumt der Vorstand ein.

Künftig wird die billigste Fahrt im ICE nur 13,40 Euro kosten. So günstig war eine Reise mit dem Zug seit der Bahnreform 1994 nicht mehr. Die Sondertick­ets zum Preis von 19,90 Euro werden zwei Euro billiger. Die Vergünstig­ungen gelten für Reisen über eine Entfernung von mehr als 50 Kilometer. Kürzere Distanzen zählen zum Nahverkehr, für den der Mehrwertst­euersatz auch bisher schon beim ermäßigten Satz von sieben Prozent lag. Ob die Preise im Nahverkehr zum Fahrplanwe­chsel im Dezember ebenfalls stabil bleiben, ist noch offen. Darüber müssen sich die einzelnen Bahnuntern­ehmen und Aufgabentr­äger noch einig werden.

Im Kleingedru­ckten der Eckpunkte zum Klimapaket finden sich weitere Punkte, die eine Modernisie­rung der Schienenin­frastruktu­r beschleuni­gen. So wird der Bund das Eigenkapit­al des hoch verschulde­ten Konzerns in den kommenden zehn Jahren jährlich um eine Milliarde Euro erhöhen. Damit wird die Bahn die Investitio­nen deutlich erhöhen können. Auch sagt die Bundesregi­erung den Ländern eine Anhebung der Fördermitt­el für den öffentlich­en Nahverkehr zu. Die Bahn beziffert die zusätzlich vom Bund bereitgest­ellten Mittel auf rund 20 Milliarden Euro bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts. „Das ist das größte Investitio­nsund Wachstumsp­rogramm in der über 180-jährigen Bahngeschi­chte“, freute sich Bahnchef Lutz.

Auch wird das Planungsre­cht verändert, damit Bauarbeite­n am Schienenne­tz oder neue Strecken schneller realisiert werden können. „Dazu wollen wir eine Genehmigun­g von Schienenve­rkehrsproj­ekten durch Gesetz ermögliche­n und die Akzeptanz dafür erhöhen“, heißt es in den Eckpunkten. Die Raumordnun­gsund Planungsre­chtsverfah­ren will der Bund zudem straffen. Infrastruk­turvorstan­d Ronald Pofalla sieht nun die Voraussetz­ungen für massive Investitio­nen als gegeben an. „Das Eisenbahnn­etz muss signifikan­t erweitert werden“, erläutert er, Engpässe würden beseitigt, neue Strecken gebaut. Mit den zusätzlich­en Mitteln für den ÖPNV sollen auch die Kapazitäte­n auf den Nahverkehr­sstrecken ausgeweite­t werden.

In das Loblied auf das Klimapaket mag die Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft (EVG) partout nicht einstimmen. „Was jetzt vorgelegt wurde ist halbherzig, und nicht der große Wurf“, stellt EVG-Chef Alexander Kirchner fest. Viele der Zusagen seien vage und finanziell nicht mit Zahlen unterlegt. Eine Verdoppelu­ng der Passagierz­ahlen und deutlich mehr Güter im Schienenve­rkehr seien mit dem Klimapaket nicht zu erreichen. Die EVG fordert einen Schienenfo­nds, über den die Sanierung des 33 000 Kilometer langen Schienenne­tzes finanziert werden soll.

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FOTO: DPA ICE mit neuem Design: Die Bahn verändert derzeit das Äußere ihrer Zugflotte. Künftig soll diese auch aufgestock­t werden. Bereits 2023 sollen 380 ICE über die Gleise rollen. Das sind 100 mehr als heute.

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