Bürger wehren sich gegen Straftäter-Ambulanz
In der Memminger Innenstadt sollen verurteilte Gewalt- und Sexualstraftäter resozialisiert werden
MEMMINGEN - Die Hirschgasse in Memmingen: 13 farbenfrohe Häuser in der Innenstadt. Sechs auf der einen Seite, sieben auf der anderen, dazwischen fließt die Memminger Ach. Das Evangelische Hilfswerk München plant, dort eine psychotherapeutische Fachambulanz einzurichten, in der Straftäter aus dem ganzen Allgäu nach ihrer Haft oder während ihrer Bewährungsstrafe betreut werden.
Dagegen wehren sich Anwohner. Am Montag wollen sie eine Unterschriftenliste an Oberbürgermeister Manfred Schilder übergeben. Mitorganisator Alfred Schorer rechnet mit mehr als 1000 Unterschriften. Er wohnt in der Hirschgasse und hat die Interessengemeinschaft, die sich nun gegen die Fachambulanz wehrt, mitbegründet. „Die Ambulanz ist in der Hirschgasse komplett fehl am Platz“, ist er überzeugt.
Im weiten Feld der Maßnahmen zur Resozialisierung von Straftätern, dazu zählen etwa Bewährungshelfer und Suchtbehandlung, sind die psychotherapeutischen Fachambulanzen noch relativ jung. Die erste Einrichtung in Bayern eröffnete 2008 in München. Später kamen Angebote in Nürnberg und Würzburg hinzu. Kirchliche Träger betreiben die Ambulanzen, der Freistaat finanziert sie.
„Der Gedanke dahinter ist, dass eine zeitnahe psychotherapeutische Nachbetreuung wesentlich dazu beiträgt, Rückfallrisiken zu minimieren“, erläutert Sabine Drost, Pressesprecherin des Justizministeriums. Ziel sei es also, durch die ambulante Nachversorgung letztlich die Sicherheit für die Bürger zu erhöhen.
Im bayerischen Doppelhaushalt 2019/20 sind für die drei Fachambulanzen jährlich mehr als 6,6 Millionen Euro vorgesehen, sagt Drost. Da die bisherigen Erfahrungen und die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen positiv seien, strebt das Ministerium eine flächendeckende Versorgung mit diesen Fachambulanzen an.
Man habe sich für einen Standort im Allgäu entschieden, um das Angebot im südwestbayerischen Raum zu verbessern, sagt Drost. Denn von dort aus seien die Fahrzeiten nach München vergleichsweise lang. Anfang 2018 war die Wahl auf Memmingen gefallen. Im Dezember eröffnete eine Außenstelle der Münchner Ambulanz vorübergehend in den Räumen des Landgerichts. Bis Juli wurden dort 16 Menschen betreut. In der Hirschgasse sollen sich zwei Therapeuten zunächst um etwa 40 Menschen kümmern, sagt Markus G. Feil, Leiter der Münchner Ambulanz: „Wir wissen, dass es im Allgäu genug Straftäter gibt, die bisher nicht behandelt werden.“
Den Gedanken, dass diese Straftäter künftig öfter in seiner Nachbarschaft unterwegs sind, findet Alfred Schorer beängstigend. Eine solche Einrichtung gehöre nicht in eine Kleinstadt wie Memmingen und schon gar nicht in die Altstadt, findet der 65-Jährige. Im betreffenden Stadtviertel leben laut Schorer viele alleinstehende Seniorinnen, es gebe Spielplätze und Schulen. Darum sei es „höchst fahrlässig“, die Fachambulanz in dieses „sensible Gebiet“zu verlegen.
Er bezweifelt außerdem, dass von den behandelten Straftätern keine Gefahr mehr ausgeht. „Die Rückfallquote ist mit Therapie schon geringer, aber sie ist nicht null“, sagt er. Deshalb sammeln er und seine Mitstreiter nun Unterschriften gegen das Vorhaben. „Wir wollen im Vorfeld sagen, dass wir Anwohner damit nicht einverstanden sind“, so Schorer.
Seine Kritik richtet sich dabei lediglich gegen den Standort – „dass die Ambulanz notwendig ist, ist kein Thema“. 100 Listen mit jeweils zehn Unterschriftenplätzen hat die Interessengemeinschaft verteilt. „Es gibt selten jemanden, der nicht unterschreibt“, sagt Schorer.
Die Listen möchten die Organisatoren noch vor einem Gespräch zwischen Stadt, Justizministerium und Evangelischem Hilfswerk an Oberbürgermeister Schilder übergeben. „Wir nehmen die Bedenken der Anwohner ernst“, verspricht der Rathauschef. Allerdings seien die Handlungsspielräume der Kommune in dieser Sache begrenzt. Aufgrund des laufenden Verfahrens und der anstehenden Diskussion mit den Betreibern möchte sich Schilder zunächst nicht weiter äußern.