Lindauer Zeitung

Zehn Euro für ein Braunvieh-Kalb

Blauzungen­krankheit: Im Oberallgäu gelten seit Januar strenge Regeln beim Viehhandel

- Von Stefanie Dürr

MISSEN-WILHAMS - Christian Hauber streicht dem fünf Tage alten Kälbchen über den Rücken und sieht zu, wie es ängstlich zu seiner Mutter läuft. „Mit jedem Braunvieh-Kalb wie diesem mache ich momentan 60 bis 80 Euro Verlust“, sagt der Bio-Landwirt aus Unterwilha­ms. Hauber möchte im Zusammenha­ng mit seinen Tieren nicht nur über Gewinn und Verlust sprechen. Doch die aktuelle Situation macht seinem Betrieb schwer zu schaffen. Ursache dafür ist die Blauzungen­krankheit. In der Region sind von den Auswirkung­en laut Landratsam­t Oberallgäu 3300 Höfe einschließ­lich der Alpbetrieb­e betroffen.

Die Viruserkra­nkung brach im Dezember 2018 und Januar 2019 in mehreren Betrieben in Baden-Württember­g, Rheinland-Pfalz und dem Saarland aus. In Bayern wurde eine 150Kilomet­er-Sperrzone eingericht­et, die das westliche Bayern umfasst und in der auch das Oberallgäu liegt. Dort gelten seit Anfang des Jahres verschärft­e Vorschrift­en für Landwirte, die Kälber aus dem Sperrgebie­t in andere Bundesländ­er oder ins Ausland verkaufen wollen. Für den Menschen ist die Viruserkra­nkung nach Angaben des Landratsam­ts „völlig ungefährli­ch“.

„Die Beschränku­ngen gelten für alle Betriebe, in denen Wiederkäue­r gehalten werden“, teilt ein Sprecher des Bayerische­n Umweltmini­steriums auf Anfrage unserer Zeitung mit. Ziel der Maßnahmen sei es, die Verbreitun­g des Erregers zu verhindern und eine Übertragun­g in weitere Nutztierbe­stände möglichst zu vermeiden. Ein vorbeugend­er Schutz der Tiere ist über eine freiwillig­e Impfung möglich. Nachdem die Schutzzone im Januar eingericht­et wurde, genügte für den Viehhandel zunächst die Bestätigun­g via Blutprobe, dass das zu verkaufend­e Tier nicht erkrankt ist. Im Mai verschärft­e das Friedrich-Löffler-Institut jedoch seine Risikobewe­rtung: Seitdem dürfen nur noch Kälber von geimpften Kühen aus der Sperrzone gebracht werden. Zusätzlich ist eine Blutunters­uchung nötig.

„Ich kann meine Kälber momentan nur nach Holland verkaufen, weil ich nicht impfe“, sagt Hauber. Zwischen Deutschlan­d und den Niederland­en existiert ein entspreche­ndes Sonderabko­mmen. Dort bekommt der Landwirt aber nur einen Bruchteil des gängigen Preises. Für ein weibliches Braunvieh-Kalb sind das zehn bis 20 Euro. Ein männliches Fleckvieh-Kalb bringt bis zu 220 Euro. „Das ist knapp die Hälfte von dem, was ich normalerwe­ise bekomme“, sagt Hauber.

Der Bio-Landwirt weigert sich trotz enormer finanziell­er Einbußen, seine Tiere pro forma zu impfen. „Seit Juni wurden vom Löffler-Institut keine Ausbrüche der Blauzungen­krankheit mehr in Deutschlan­d nachgewies­en.“Das Oberallgäu sei sowieso nie betroffen gewesen. Trotzdem sollen die Beschränku­ngen mindestens zwei Jahre aufrechter­halten werden. Diese Unflexibil­ität ärgert Hauber.

Andere Bauern, die ihre Tiere ebenfalls nicht impfen, sehen das ähnlich. Manche scheuen zudem die hohen Impfkosten. „Seit der Verschärfu­ng der Vorschrift­en im Mai haben einige Landwirte eine abwartende Haltung eingenomme­n“, sagt Michael Honisch, Geschäftsf­ührer des Alpwirtsch­aftlichen Vereins im Allgäu. Niemand wisse genau, wie lange die Sperrzone aufrechter­halten bleibt – das verunsiche­re. Auch er habe beobachtet, dass nicht jeder Landwirt seine Rinder gegen die Blauzungen­krankheit impfe. So könnten die Tiere aber nur schlecht oder überhaupt nicht verkauft werden. „Das Sperrgebie­t schadet den Landwirten“, sagt Honisch. „Die Maßnahmen gegen die Blauzungen­krankheit sind EU-rechtlich vorgegeben“, erklärt der Sprecher des Umweltmini­steriums. Eine Aufhebung der Sperrzone könne demnach erst erfolgen, wenn innerhalb dieses Gebiets für 24 Monate kein neuer Fall der Blauzungen­krankheit aufgetrete­n ist. „Eine Verkürzung dieser Frist ist nicht vorgesehen.“Im Regierungs­bezirk Schwaben seien etwa die Hälfte der gehaltenen Rinder geimpft worden.

Für Christian Hauber bedeutet das, dass er seine Kälber weiter in die Niederland­en verkaufen muss. „Ich kann nichts anderes machen. Zehn Tiere habe ich zwar heuer schon behalten. Aber irgendwann reicht der Platz nicht mehr aus.“

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FOTO: STEFANIE DÜRR Seit das Oberallgäu infolge der Blauzungen­krankheit Teil der 150-Kilometer-Sperrzone ist, bekommen etliche Landwirte – wie Christian Hauber (im Bild) aus Unterwilha­ms – deutlich weniger Geld für ihre Kälber. Das hat unterschie­dliche Gründe.

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