Zehn Euro für ein Braunvieh-Kalb
Blauzungenkrankheit: Im Oberallgäu gelten seit Januar strenge Regeln beim Viehhandel
MISSEN-WILHAMS - Christian Hauber streicht dem fünf Tage alten Kälbchen über den Rücken und sieht zu, wie es ängstlich zu seiner Mutter läuft. „Mit jedem Braunvieh-Kalb wie diesem mache ich momentan 60 bis 80 Euro Verlust“, sagt der Bio-Landwirt aus Unterwilhams. Hauber möchte im Zusammenhang mit seinen Tieren nicht nur über Gewinn und Verlust sprechen. Doch die aktuelle Situation macht seinem Betrieb schwer zu schaffen. Ursache dafür ist die Blauzungenkrankheit. In der Region sind von den Auswirkungen laut Landratsamt Oberallgäu 3300 Höfe einschließlich der Alpbetriebe betroffen.
Die Viruserkrankung brach im Dezember 2018 und Januar 2019 in mehreren Betrieben in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland aus. In Bayern wurde eine 150Kilometer-Sperrzone eingerichtet, die das westliche Bayern umfasst und in der auch das Oberallgäu liegt. Dort gelten seit Anfang des Jahres verschärfte Vorschriften für Landwirte, die Kälber aus dem Sperrgebiet in andere Bundesländer oder ins Ausland verkaufen wollen. Für den Menschen ist die Viruserkrankung nach Angaben des Landratsamts „völlig ungefährlich“.
„Die Beschränkungen gelten für alle Betriebe, in denen Wiederkäuer gehalten werden“, teilt ein Sprecher des Bayerischen Umweltministeriums auf Anfrage unserer Zeitung mit. Ziel der Maßnahmen sei es, die Verbreitung des Erregers zu verhindern und eine Übertragung in weitere Nutztierbestände möglichst zu vermeiden. Ein vorbeugender Schutz der Tiere ist über eine freiwillige Impfung möglich. Nachdem die Schutzzone im Januar eingerichtet wurde, genügte für den Viehhandel zunächst die Bestätigung via Blutprobe, dass das zu verkaufende Tier nicht erkrankt ist. Im Mai verschärfte das Friedrich-Löffler-Institut jedoch seine Risikobewertung: Seitdem dürfen nur noch Kälber von geimpften Kühen aus der Sperrzone gebracht werden. Zusätzlich ist eine Blutuntersuchung nötig.
„Ich kann meine Kälber momentan nur nach Holland verkaufen, weil ich nicht impfe“, sagt Hauber. Zwischen Deutschland und den Niederlanden existiert ein entsprechendes Sonderabkommen. Dort bekommt der Landwirt aber nur einen Bruchteil des gängigen Preises. Für ein weibliches Braunvieh-Kalb sind das zehn bis 20 Euro. Ein männliches Fleckvieh-Kalb bringt bis zu 220 Euro. „Das ist knapp die Hälfte von dem, was ich normalerweise bekomme“, sagt Hauber.
Der Bio-Landwirt weigert sich trotz enormer finanzieller Einbußen, seine Tiere pro forma zu impfen. „Seit Juni wurden vom Löffler-Institut keine Ausbrüche der Blauzungenkrankheit mehr in Deutschland nachgewiesen.“Das Oberallgäu sei sowieso nie betroffen gewesen. Trotzdem sollen die Beschränkungen mindestens zwei Jahre aufrechterhalten werden. Diese Unflexibilität ärgert Hauber.
Andere Bauern, die ihre Tiere ebenfalls nicht impfen, sehen das ähnlich. Manche scheuen zudem die hohen Impfkosten. „Seit der Verschärfung der Vorschriften im Mai haben einige Landwirte eine abwartende Haltung eingenommen“, sagt Michael Honisch, Geschäftsführer des Alpwirtschaftlichen Vereins im Allgäu. Niemand wisse genau, wie lange die Sperrzone aufrechterhalten bleibt – das verunsichere. Auch er habe beobachtet, dass nicht jeder Landwirt seine Rinder gegen die Blauzungenkrankheit impfe. So könnten die Tiere aber nur schlecht oder überhaupt nicht verkauft werden. „Das Sperrgebiet schadet den Landwirten“, sagt Honisch. „Die Maßnahmen gegen die Blauzungenkrankheit sind EU-rechtlich vorgegeben“, erklärt der Sprecher des Umweltministeriums. Eine Aufhebung der Sperrzone könne demnach erst erfolgen, wenn innerhalb dieses Gebiets für 24 Monate kein neuer Fall der Blauzungenkrankheit aufgetreten ist. „Eine Verkürzung dieser Frist ist nicht vorgesehen.“Im Regierungsbezirk Schwaben seien etwa die Hälfte der gehaltenen Rinder geimpft worden.
Für Christian Hauber bedeutet das, dass er seine Kälber weiter in die Niederlanden verkaufen muss. „Ich kann nichts anderes machen. Zehn Tiere habe ich zwar heuer schon behalten. Aber irgendwann reicht der Platz nicht mehr aus.“