Lindau gibt Millionen für Radwege aus
Stadträte wollen Bedingungen für Radfahrer und Fußgänger verbessern.
LINDAU - Viel Geld will die Stadt Lindau in den kommenden Jahren aufbringen, damit Fußgänger und Radfahrer sicherer und besser vorankommen. Bereits im kommenden Jahr stehen mehr als eine Million Euro für Fahrradstraßen bereit.
Einige Stadträte äußerten sich im GTL-Werkausschuss geradezu begeistert über das neue Nahverkehrskonzept, das nach anderthalb Jahren Vorbereitung fertig ist. Wenn auch der Stadtrat zustimmt, soll es als Grundlage für den Ausbau der Gehund Radwege in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gelten. Manche machten allerdings sofort deutlich, dass sie nicht alle Vorschläge mittragen wollen. Da stehen im Einzelfall heftige Auseinandersetzungen bevor.
So machten Jürgen Müller (LI) und Roland Freiberg (BU) schon mal deutlich, dass sie keinen Umbau der Wackerstraße und Schachener Straße auf gesamter Länge zu einer Fahrradstraße wollen. Das bremse den Stadtbus aus, begründete Müller seinen Zweifel unter anderem. Bereits bei der Vorbereitung seien sich Bürger in manchen Fällen nicht einig gewesen, erinnerte Freiberg. Deshalb müssten Verwaltung und Räte noch sehr genau beraten, bevor es zu Beschlüssen kommt.
Matthias Kaiser (BL) wiederum freute sich über die gute Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Stadträten, Bürgern und dem Fachbüro Besch und Partner aus Vorarlberg, die das Nahverkehrskonzept als Fachleute erarbeitet haben. Noch mehr freut sich der Mobilitätsbeauftragte des Stadtrats darüber, dass im Entwurf des Haushaltsplans für das kommende Jahr mehr als eine Million Euro eingestellt ist, um den Bodenseeradweg aufzuwerten. Wie berichtet, sollen im ersten Schritt die Bereiche vom Ortseingang bei Reutenen und im Umfeld der Therme zur Fahrradstraße werden.
Alexander Fritz vom Büro Besch hatte das Nahverkehrskonzept zuvor vorgestellt. Ausführlich erläuterte er die Erkenntnis der Verkehrsplaner, dass erst ein gutes Angebot da sein muss, um entsprechende Nachfrage zu schaffen. Sprich: Nur wenn die Stadt Lindau gute Fuß- und Radwege bietet, werden mehr Menschen zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren. Dies umso mehr, als der Anteil der Fußgänger und Radfahrer in Lindau schon größer ist als in vergleichbaren Städten.
Fachleute gehen zudem davon aus, dass es wenige Menschen gibt, die immer mit dem Fahrrad fahren, auch wenn die Bedingungen schlecht sind. Zudem werde etwa ein Drittel nie aufs Rad steigen, entweder weil sie es aus gesundheitlichen Gründen nicht können oder weil sie es schlicht überhaupt nicht mögen. Alle anderen aber würden für ihre Wege das beste Verkehrsmittel wählen. In einer Stadt der kurzen Wege wie Lindau könnte das viel häufiger das Fahrrad sein.
Wichtig sei deshalb die Erkenntnis, dass Fußgänger und Radfahrer keine Umwege in Kauf nehmen. Das sei nur zumutbar für motorisierte Verkehrsteilnehmer, nicht für die, die mit Muskelkraft unterwegs sind. Zudem müssen sich Fußgänger und Radfahrer sicher fühlen. Für Verkehrsplaner bedeutet das, dass sie keine komplizierten Wegführungen ersinnen dürfen, auch die Beschilderung muss klar und leicht verständlich sein.
Bei all diesen Voraussetzungen haben Bürger und Fachleute in Lindau viel gefunden, was verbesserungswürdig ist. Mehr als 260 Maßnahmen listet das Nahverkehrskonzept deshalb auf. Viele sind darunter, die mit wenig Geld schnell zu beheben sind. Andere dagegen werden sehr umstritten sein, manche sind zudem sehr teuer.
Für Fußgänger gilt die Regel, dass die Stadt gerade zentrale Plätze so gestalten sollte, dass sich Menschen dort gerne aufhalten. Das ist bisher aber weder beim Berliner Platz so noch am Aeschacher Markt. Auch in Ober- und Unterreitnau, Schönau, Hoyren, Schachen, Reutin und Zech gebe es viele Plätze, die Treffpunkte sein könnten, es bisher aber nicht sind. Und insgesamt sind Gehwege oft zu schmal und dann noch mit Gerätschaften oder Mülltonnen vollgestellt, sodass man weder mit Rollator, Rollstuhl oder einem Kinderwagen durchkommt, wenn nicht sogar Autos darauf parken.
Angesichts des Kopfsteinpflasters auf der Insel empfehlen die Verkehrsplaner die Mitte der Straßen so eben zu pflastern, dass auch gehbehinderte Menschen oder solche im Rollstuhl sich dort fortbewegen können. Solche Pflasterungen am Rand haben sich als nicht tauglich erwiesen, weil sie oft zugestellt sind.
Für Radfahrer ist ein durchgängiges Netz wichtig, das in Lindau aber noch sehr viele Lücken aufweist. Grundsätzlich raten die Fachleute zuerst zu einer Aufwertung des Bodenseeradwegs, der für Freizeitradler wichtig sei, aber als Schnellverbindung zwischen Lindau und Bregenz oder in Richtung Friedrichshafen auch für Pendler unverzichtbar ist. Im Hinterland haben die Fachleute mit Beteiligung interessierter Bürger weitere Routen erarbeitet, damit Radler von West nach Ost oder umgekehrt durch die Stadt kommen. Wichtig sind zudem Zubringerrouten, die aus Oberreitnau oder Weißensberg nach Lindau führen.
Als Beispiel für große Lücken, die es zu schließen gilt, nannte Fritz die Einmündung der Schönauer Straße in die Friedrichshafener Straße. Ideal wäre eine Brücke über die Hauptstraße und eine Weiterführung entlang der Bahnlinie bis zur Holbeinstraße. Im Gleisdreieck sollte es zudem nahe der Bahnlinie einen breiten Geh- und Radweg bis zur Unterführung Langenweg geben.
Die Liste aller Maßnahmen ist zu lang, als dass der Ausschuss sich im Detail damit befassen konnte. Zudem müssen die Räte sowieso im Einzelfall entscheiden, ob der Bau eines Radwegs besser ist oder die Umgestaltung der Fahrbahn zur Fahrradstraße. Manchmal wird auch ein Radstreifen auf der Fahrbahn ausreichen.