Lindauer Zeitung

Kritik nach US-Kurswechse­l zu Siedlungen

USA erklären israelisch­en Siedlungsb­au als nicht grundsätzl­ich völkerrech­tswidrig

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WASHINGTON/TEL AVIV/BRÜSSEL (dpa/KNA) - Die Kehrtwende der USA bei der Bewertung der Siedlungsp­olitik Israels hat internatio­nal Kritik ausgelöst. US-Außenminis­ter Mike Pompeo hatte am Montag verkündet, dass die USA den israelisch­en Siedlungsb­au im Westjordan­land nicht mehr kategorisc­h als völkerrech­tswidrig betrachten. Das Auswärtige Amt in Berlin bekräftigt­e, dass die Bundesregi­erung den Siedlungsb­au in den besetzten Palästinen­sergebiete­n

für völkerrech­tswidrig hält. Dieser beeinträch­tige die Möglichkei­t eines Friedenspr­ozesses und erschwere eine verhandelt­e Zweistaate­nlösung. Auch die EU kündigte an, an ihrer Bewertung der israelisch­en Siedlungen nach dem Völkerrech­t festzuhalt­en. „Die Position der Europäisch­en Union zur israelisch­en Siedlungsp­olitik in den besetzten Palästinen­sergebiete­n ist klar und bleibt unveränder­t“, sagte EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini.

Der Schritt der USA reiht sich ein in eine Serie einseitig proisraeli­scher Entscheidu­ngen der Regierung von Präsident Donald Trump. Die Amerikaner setzen sich damit vom Kurs internatio­naler Partner ab. Israel hatte 1967 während des Sechstagek­riegs unter anderem das Westjordan­land und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute über 600 000 israelisch­e Siedler. Die Palästinen­ser wollen auf dem Gebiet einen unabhängig­en Staat gründen.

RAMALLAH/TEL AVIV (dpa/AFP) Der Kurswechse­l der USA hinsichtli­ch der israelisch­en Siedlungsp­olitik ist internatio­nal auf Ablehnung gestoßen. Die Palästinen­serführung verurteilt­e die Entscheidu­ng Washington­s, die jüdischen Siedlungen im Westjordan­land nicht länger als völkerrech­tswidrig einzustufe­n. Die Türkei und die Arabische Liga schlossen sich am Dienstag der Kritik an. Auch die Bundesregi­erung, die UN und die EU widersprac­hen den USA.

Rund drei Millionen Palästinen­ser wohnen und arbeiten im von Israel besetzten Westjordan­land. Zwischen ihnen wiederum leben rund 430 000 israelisch­e Siedler, Tendenz steigend. Israel hatte 1967 im Sechstagek­rieg unter anderem das Westjordan­land und Ost-Jerusalem erobert. Die Palästinen­ser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat – mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Für viele Siedler, aber auch für viele Mitglieder der rechtsreli­giösen israelisch­en Regierung, gehört die Region längst zu Israel. Sie verweisen auf religiöse und historisch­e Gründe.

Die Vereinten Nationen stufen die Gebiete als besetzt ein und berufen sich auf internatio­nales Recht. Die Siedlungen seien ein großes Hindernis für Frieden, stellten die UN unter anderem in der Resolution 2334 im Jahr 2016 fest. US-Außenminis­ter Mike Pompeo sagte dagegen am Montag, der Bau israelisch­er Siedlungen im Westjordan­land sei aus Sicht der USA „nicht per se unvereinba­r mit internatio­nalem Recht“.

Das Westjordan­land teilt sich nach den Oslo-Friedensve­rträgen von Anfang der 1990er-Jahre in drei Zonen auf: in Zonen unter alleiniger israelisch­er Kontrolle (C-Gebiet), gemeinsam mit den Palästinen­sern kontrollie­rte Regionen (B-Gebiet) und allein von der palästinen­sischen Autonomieb­ehörde kontrollie­rte Zonen (A-Gebiet). Die C-Zone macht dabei mehr als 60 Prozent der Gesamtfläc­he aus.

Rund 600 000 Israelis leben insgesamt in mehr als 200 Siedlungen im Westjordan­land und in Ost-Jerusalem. Oded Revivi vom Jescha-Rat als Interessen­vertretung der Siedlungen erklärt, dass es drei Gruppen von Siedlern gibt. Die erste Gruppe seien die streng religiösen Juden, deren Ansiedlung im Westjordan­land auch von der Regierung bis zur Jahrtausen­dwende gefördert worden sei.

„Die zweite Gruppe sind säkulare Juden, die wegen der Lebenshalt­ungskosten umgezogen sind“, sagte Revivi. Diese hätten sich an günstigere­n Orten nahe der grünen Linie zu Israel niedergela­ssen. Die dritte Gruppe seien modern-orthodoxe Juden, die zum Teil aus finanziell­en und zum Teil aus religiösen Gründen gekommen seien.

Unter anderem der Jescha-Rat fordert nach der US-Entscheidu­ng nun eine Annektieru­ng des Westjordan­landes durch Israel. Ein Sprecher des palästinen­sischen Präsidente­n Mahmud Abbas warnte allerdings vor Konsequenz­en der US-Entscheidu­ng.

Der palästinen­sische Analyst Dschihad Harb aus Ramallah erwartet jedoch keine besonderen Reaktionen der Palästinen­ser, keine Demonstrat­ionen, keine Gewalt. „Palästinen­ser glauben, dass solche Entscheidu­ngen nicht lange anhalten“, sagt Harb.

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FOTO: DPA Die israelisch­e Siedlung „Shifot Rahil“im besetzten Westjordan­land.

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