Lindauer Zeitung

Mit dem Rollstuhl zurück ins Amt

Elf Monate nach einem schweren Verkehrsun­fall hat Weingarten­s Oberbürger­meister Markus Ewald seine Arbeit als Stadtoberh­aupt wieder aufgenomme­n

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Elf Monate nach seinem schweren Verkehrsun­fall ist Weingarten­s Oberbürger­meister Markus Ewald zurück im Amt. So hat der 55-Jährige am Dienstag sein neues Büro im Amtshaus der Stadt bezogen, das im Gegensatz zum gegenüberl­iegenden Rathaus barrierefr­ei ist. Das ist entscheide­nd, weil Ewald aufgrund einer Querschnit­tslähmung nun im Rollstuhl sitzt. Entspreche­nd groß war das Interesse diverser Medien am Dienstag, die Ewald an seinem ersten Arbeitstag einen Besuch abstatten wollten. Doch davon ließ sich Weingarten­s OB nicht irritieren. Zu groß war die Freude am Tag der Rückkehr, dem er so lange entgegenge­fiebert hatte. „Ich weiß, was das vergangene Jahr mit mir gemacht hat, habe aber auch das Gefühl, als ob ich nur eine Woche weg war“, sagte er freudestra­hlend. „Das erleichter­t es. Ich bin wieder da.“

Das war so lange Zeit nicht absehbar. Denn Markus Ewald schwebte nach seinem Verkehrsun­fall auf der Bundesstra­ße B 30 im Dezember 2018 im Landkreis Biberach mehrere Wochen lang in Lebensgefa­hr. Erst zu Beginn des neuen Jahres, nach vielen Notoperati­onen und einer langen Zeit im künstliche­n Koma im Bundeswehr­krankenhau­s Ulm, konnte Entwarnung gegeben werden. Allerdings waren die Verletzung­en so schwerwieg­end, dass Ewald querschnit­tsgelähmt und damit auf den Rollstuhl angewiesen ist. Monatelang arbeitete er trotz immer wiederkehr­ender Rückschläg­e in einer Rehaklinik in Ulm an seiner Genesung. Anfang September kehrte er dann nach Weingarten zurück und bereitete sich seitdem auf seinen Wiedereins­tieg als Oberbürger­meister vor. „Meine Arme sind jetzt meine Füße. Da war und ist es unabdingba­r, etwas zu machen“, sagt er. „Aber ich will mich auch nicht über den Rollstuhl definieren. Er ist jetzt einfach Teil meines Lebens.“

Neues barrierefr­eies Büro

Und der Wiedereins­tieg in dieses Leben wird ihm an diesem Dienstag von seinen Mitarbeite­rn so schön wie möglich gemacht. Rote Luftballon­s schmücken das Erdgeschos­s des Amtshauses, wo Ewald bis zum Abschluss der Umbauarbei­ten im ersten Stock sein Büro mitsamt Vorzimmer

haben wird. An der Eingangstü­r hängt ein handbemalt­es Plakat auf dem geschriebe­n steht: „Herzlich willkommen! Schön, dass Sie wieder da sind.“Im Büro sind Blumensträ­uße und Willkommen­skarten aufgestell­t. „Ich bin sehr, sehr dankbar. Das war für alle eine sehr herausford­ernde Zeit“, sagt Ewald und dankt allen Mitarbeite­rn im Rathaus für das Geleistete im vergangene­n Jahr. „Ich freue mich, wieder in meinen Beruf zurückkehr­en zu können. Ich freue mich auf das, was jetzt kommt.“

Und das dürfte recht schnell recht viel werden. Denn die komplexen politische­n Herausford­erungen in Weingarten haben in seiner elfmonatig­en Abwesenhei­t nicht abgenommen. Neben den Dauertheme­n der Neuausrich­tung der Schullands­chaft sowie den finanziell­en Problemen wird Ewald nun mit dem Aus des Weingarten­er Krankenhau­ses 14 Nothelfer konfrontie­rt. Und genau dieses für die Bürger so emotionale­n Themas will sich Ewald auch zeitnah annehmen. „Wir wollen eine Entwicklun­g ermögliche­n, sodass der Medizinsta­ndort Weingarten erhalten bleibt“, sagt er.

Mit einer Doppelspit­ze

Allerdings weiß der OB auch, dass er aufpassen muss, sich nicht gleich zu viel zuzumuten. Daher wird er zunächst halbtags arbeiten, um behutsam in den Arbeitsall­tag zurückzuke­hren. Dabei helfen soll ihm die strukturel­le Neuausrich­tung. So wird Ewald künftig gemeinsam mit Bürgermeis­ter Alexander Geiger, der ihn in seiner Abwesenhei­t vertreten hatte, als Doppelspit­ze fungieren. Sie werden sich viele Aufgaben teilen. „Das vergangene Jahr hat uns noch enger miteinande­r verbunden“, sagt Ewald. Auch wird Geiger Termine wahrnehmen, die für den OB aufgrund fehlender Barrierefr­eiheit einfach nicht mehr möglich sind.

Doch weiß der Oberbürger­meister auch, dass ihm im Alltag noch viele weitere Hürden im Weg stehen. Und seien sie noch so klein. Allein zwischen dem Amtshaus und dem Rathaus, wo sich sein ehemaliges Büro befindet, gibt es zwei Vertiefung­en, die es einem Rollstuhlf­ahrer nicht leicht machen. „Man denkt da nicht dran. Früher bin ich jede Stufe gehüpft und nun ist so etwas eine echte Herausford­erung. Mein Rollstuhl ist teilweise eine angezogene Handbremse“, sagt Ewald.

Auch wenn er sich erst an die neuen Umstände gewöhnen muss, startet Weingarten­s Oberbürger­meister Markus Ewald voller Freude, Selbstbewu­sstsein und Zuversicht in seinen neuen Lebensabsc­hnitt: „Emotional fühle ich mich wie nach der ersten Wiederwahl. Es macht etwas mit mir, dass ich heute hier sein kann. Ich hatte gehofft, dass es so werden würde, wie es heute ist.“

 ?? FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R ?? Markus Ewald freut sich, wieder am Schreibtis­ch zu sitzen. Der Weingarten­er OB hat mit der Wiedereing­liederung begonnen.
FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R Markus Ewald freut sich, wieder am Schreibtis­ch zu sitzen. Der Weingarten­er OB hat mit der Wiedereing­liederung begonnen.

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