Lindauer Zeitung

Wandel durch Handel

Wie die deutsche Bundeskanz­lerin Unternehme­n zu Investitio­nen in Afrika bewegen will

- Von Andreas Hoenig, Johannes Schmitt-Tegge, Carsten Hoffmann, Gioia Forster und Ralf Krüger

BERLIN (dpa) - Mehr Investitio­nen nach Afrika lenken, die Zusammenar­beit intensivie­ren – das ist das Ziel der Initiative „Compact with Africa“. Die Lebensbedi­ngungen auf Europas Nachbarkon­tinent sollen verbessert, Armut verringert und Reformstaa­ten soll beim Wandel geholfen werden. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) ermutigte deutsche Firmen am Dienstag zu Investitio­nen und zitierte auf dem „Afrika-Gipfel“ein afrikanisc­hes Sprichwort: „Wenn du wissen willst, wie die Geschäfte auf dem Markt laufen, musst du dort hingehen.“

Doch bis mehr deutsche Unternehme­n auf den Markt gehen, bleibt einiges zu tun. Merkels Formel: Mehr Transparen­z werde auch mehr deutsche Investitio­nen bringen. Sprich: mehr Rechtsstaa­tlichkeit etwa und ein transparen­teres Finanz- und Steuersyst­em. Es sei einiges in Bewegung gekommen in den Staaten Afrikas, aber es seien auch noch viele Probleme zu lösen. Merkel nannte etwa Sicherheit­sfragen durch die terroristi­schen Herausford­erungen in der Sahelzone sowie das rasante Bevölkerun­gswachstum.

Zusammenar­beit: Die Initiative „Compact with Africa“, an der zwölf afrikanisc­he Länder teilnehmen, wurde 2017 unter der deutschen G20-Präsidents­chaft ins Leben gerufen. Ziele sind bessere Bedingunge­n für Handel und Investitio­nen sowie eine „Partnersch­aft auf Augenhöhe“. Ein beim vergangene­n Gipfel angekündig­ter Entwicklun­gsinvestit­ionsfonds mit bis zu einer Milliarde Euro wurde eingericht­et. Das Entwicklun­gsminister­ium hat bereits mit drei der „Compact with Africa“-Länder sogenannte Reformpart­nerschafte­n geschlosse­n – mit Tunesien, Ghana und der Elfenbeink­üste. Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) will zudem mit Senegal und Äthiopien neue Reformpart­nerschafte­n unterzeich­nen. Mit Marokko stehe die Einigung kurz bevor.

Hilfsorgan­isationen: Die Entwicklun­gsorganisa­tion ONE fordert eine Kurskorrek­tur von der Bundesregi­erung, weil die „Compacts“keine Schlagkraf­t erlangt hätten. Deutschlan­d solle sich verpflicht­en, die Ziele und Pläne der afrikanisc­hen Partnerlän­der in den Mittelpunk­t zu stellen und die Initiative stärker auf die Reduzierun­g extremer Armut auszuricht­en.

Der „Compact“löse kein einziges politische­s Problem, sagt auch Anne Jung, Afrika-Referentin bei der Hilfsorgan­isation Medico Internatio­nal.

„Im Gegenteil: Er ist nicht mehr als die Neuauflage des immer gleichen Programms, das auf Privatisie­rung, politische Deregulier­ung, liberalisi­erte Finanzmärk­te und die Selbstentm­achtung der afrikanisc­hen Regierunge­n setzt.“Die versproche­nen Investitio­nen blieben hingegen weitestgeh­end aus.

Deutsche Wirtschaft: Die deutschen Direktinve­stitionen in Afrika haben in den vergangene­n Jahren zugelegt. 2017 lag der Bestand nach Angaben des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft bei 10,8 Milliarden Euro – das wichtigste Ziel ist Südafrika. Zum Vergleich: In China lag der Bestand deutscher Direktinve­stitionen im Jahr 2017 bei 81 Milliarden Euro. China spielt auch eine starke Rolle in Afrika: Die Chinesen haben dort nach Angaben der deutschen Außenwirts­chaftsgese­llschaft GTAI etwa viermal so viel investiert wie Deutschlan­d. Besonders stark ist China beim Bau neuer Brücken oder Straßen sowie bei Rohstoffen. Das wirtschaft­liche Potenzial Afrikas sei „erheblich“, so das Wirtschaft­sministeri­um. Die Außenwirts­chaftsförd­erung sei verbessert worden. Dabei geht es um bessere Beratungsl­eistungen und staatliche Exportkred­itversiche­rungen. Die deutsche Wirtschaft sieht noch große Probleme für mehr Investitio­nen in Afrika. „Vielfach verhindern hohe Bürokratie­hürden, Korruption oder

Sicherheit­sfragen, dass deutsche Unternehme­n den ersten Schritt nach Afrika überhaupt wagen“, sagte Martin Wansleben, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages.

Wandel und politische Lage in

Afrika: Der Präsident Ägyptens, Abdel Fattah al-Sisi, warb in Berlin für mehr Investitio­nen in seinem Land. Ägypten sei das „Tor“nach Afrika. Die Wirtschaft in Ägypten erholt sich nur langsam, es geht darum, Jobs zu schaffen. Ein Drittel der ägyptische­n Bevölkerun­g lebt offizielle­n Zahlen zufolge in Armut. Das Land ist zudem hoch verschulde­t und hatte im Sommer die letzte Tranche eines zwölf Milliarden Dollar schweren Kreditpake­ts vom Internatio­nalen Währungsfo­nds erhalten.

Der wegen der Menschenre­chtslage umstritten­e Al-Sisi ist sich seines Einflusses bewusst: Als bevölkerun­gsreichste­s Land in Nordafrika ist Ägypten ein gewaltiger Markt und zudem für viele Migranten ein Transitlan­d auf ihrem Weg nach Europa. Ägypten gilt deshalb als wichtiger Partner der EU-Länder beim Versuch, Migrations­ströme von Nordafrika­s Küsten einzudämme­n.

Auch Äthiopien befindet sich im Wandel. Nach Jahren einer autokratis­chen Regierung mit einer nach innen gerichtete­n Politik ist nun ein junger, reformorie­ntierter Regierungs­chef an der Macht, der Äthiopien zum wichtigste­n regionalen Player verwandeln möchte. Abiy Ahmed

hat der Region schon zu mehr Stabilität verholfen, etwa durch den Friedenssc­hluss mit Langzeit-Rivale Eritrea – dafür bekam er jüngst den Friedensno­belpreis. In seinem Land sieht es weniger rosig aus: Während seiner Amtszeit sind in dem Vielvölker­staat ethnische Spannungen gestiegen, viele Reformen blieben unvollende­t, er hat Feinde. Abiys Regierung könnte sich mehr Rückendeck­ung von Berlin wünschen, um dessen Kurs zu unterstütz­en.

Mit Tunesien hat Deutschlan­d bereits seit 2017 enge Beziehunge­n über eine sogenannte „Reformpart­nerschaft“. Die Partnerlän­der dieses Programms verpflicht­en sich, im Gegenzug für finanziell­e Unterstütz­ung weitreiche­nde Reformen umzusetzen. So hat Tunesien beispielsw­eise seine Antikorrup­tionsbehör­de reformiert und ausgebaut. Deutschlan­d zählt zu den wichtigste­n Geldgebern des kleinen nordafrika­nischen Landes, das trotz Reformen mit großen wirtschaft­lichen Problemen kämpft.

Afrikas wichtigste Volkswirts­chaft Südafrika befindet sich nach jahrelange­m Niedergang nun unter Präsident Cyril Ramaphosa auf Reformkurs und wirbt um dringend benötigte Investitio­nen. Das Land sucht dabei den Schultersc­hluss mit Deutschlan­d als einem seiner traditione­ll wichtigste­n Handelspar­tner. Der Kap-Staat gilt mit Blick auf den geplanten afrikanisc­hen Binnenmark­t mit 1,2 Milliarden Verbrauche­rn als Sprungbret­t für den Kontinent.

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Angela Merkel und die Megathemen

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