Einigung in letzter Minute
Der EU-Haushaltsplan für 2020 sieht mehr Geld für Bildungsaustausch und Klimaschutz vor – Das Wichtigste im Überblick
BRÜSSEL - Insider sagen, so kompliziert seien die EU-Haushaltsverhandlungen noch nie gewesen. Das könnte daran liegen, dass das letzte Budget der ablaufenden Finanzperiode Signalwirkung für die kommende Siebenjahresplanung hat.
Was wurde beschlossen?
Je nach Zahlengrundlage und Blickwinkel steigt das EU-Budget im kommenden Jahr zwischen 1,5 Prozent und 3,4 Prozent für Zahlungen. Berlin errechnet eine Steigerung von 2,3 Prozent, das EU-Parlament verkündet stolz, 3 Prozent mehr herausverhandelt zu haben. Insgesamt sind 153,6 Milliarden Euro im Topf. Knapp 33,8 Milliarden Euro aus deutschen Kassen werden im kommenden Jahr nach Brüssel fließen – das sind 22 Prozent des EU-Budgets.
Warum waren die Verhandlungen so kompliziert und langwierig?
Erfahrene Haushälter registrieren, dass durch die vielen Neulinge im Parlament die Pläne ehrgeiziger und die Verhandlungen schwieriger geworden sind. Altgediente Parlamentarier
haben sich an die Brüsseler Kompromisskultur gewöhnt. Auch macht sich bemerkbar, dass die rotschwarze Stimmenmehrheit bei der letzten Wahl verloren ging. Doch viel einfacher war es beim letzten Mal auch nicht. Da Ende 2018 keine fristgerechte Einigung zustande kam, musste die EU-Kommission für 2019 einen zweiten Entwurf vorlegen.
Was hätte ein Scheitern für Konsequenzen gehabt?
Für die parallel laufenden Verhandlungen für die Planungsperiode 2021-2027 wäre das ein schlechtes Omen gewesen. Sollten sie unter deutscher Ratspräsidentschaft Ende kommenden Jahres nicht abgeschlossen sein, wird der für 2020 verabschiedete Haushalt 2021 fortgeschrieben. Allerdings müssen für die Fördertöpfe für Strukturmittel und Forschung zusätzliche Verordnungen verabschiedet werden. Lediglich die Agrarförderung würde auch ohne neue Beschlüsse reibungslos weiterlaufen. Die Empfängerländer in Süd- und Osteuropa wissen das. Ihre Kompromissbereitschaft dürfte daher steigen.
Wer hat sich durchgesetzt – die Regierungen oder das Parlament?
Ähnlich wie Statistiken lassen sich auch Haushaltszahlen so lange drehen und wenden, bis irgendwie alle gewonnen haben. Jan Van Overtveldt, Vorsitzender des Haushaltsausschusses im EU-Parlament, lobt den nun verabschiedeten Haushalt als Modell für die nächste Planungsperiode. Die Mittel für Forschung und Entwicklung wurden um 8,8 Prozent erhöht. Die Mittel für das Navigationssystem Galileo steigen um knapp 75 Prozent. Auch das Programm Erasmus, das Jugendlichen einen Bildungsaufenthalt im Ausland ermöglicht, wurde aufgestockt. Laut Angaben der EU-Kommission fließen 21 Prozent aller Ausgaben in Politiken, die den Klimawandel bekämpfen. Der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andersen sieht damit das von seiner Partei geforderte Klimabudget Realität werden. Ausgaben für die Entwicklung erneuerbarer Energien und für den Netzausbau wachsen um mehr als ein Drittel.
Wie hat der nahende Brexit die Verhandlungen beeinflusst?
Das Thema Brexit spielte im Haushalt 2020 eine erstaunlich geringe Rolle. Für 2019 liegt ein alternativer
Haushaltsentwurf in der Schublade, der nach einem Crash-Brexit zum Einsatz gekommen wäre. Derzeit ist aber im Europaparlament und bei den Regierungen der Optimismus groß, dass auch ein neu gewähltes britisches Parlament auf abfedernde Übergangsfrist und Austrittsvertrag bestehen und einen Crash-Brexit ablehnen wird.
Die Klimapolitik wird gestärkt. Gibt es weitere Akzentverschiebungen?
Auch außenpolitisch setzt die EU neue Schwerpunkte. Während die Vor-Beitrittshilfen für die Türkei gekürzt werden, bekommen die Balkanstaaten mehr Geld. Auch die Ausgaben für Grenzschutz und Migrationsmanagement steigen. Mehr Spielraum hätten sich die Regierungen gewünscht, um auf Krisen und unerwartete politische Entwicklungen reagieren zu können. Das Europaparlament hingegen wollte diesen Puffer möglichst klein halten und einen möglichst großen Teil des Budgets schon jetzt fest einplanen. Umso erleichterter sind alle Beteiligten, dass doch noch fristgerecht eine Einigung zustande kam.