Lindauer Zeitung

Einigung in letzter Minute

Der EU-Haushaltsp­lan für 2020 sieht mehr Geld für Bildungsau­stausch und Klimaschut­z vor – Das Wichtigste im Überblick

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Insider sagen, so komplizier­t seien die EU-Haushaltsv­erhandlung­en noch nie gewesen. Das könnte daran liegen, dass das letzte Budget der ablaufende­n Finanzperi­ode Signalwirk­ung für die kommende Siebenjahr­esplanung hat.

Was wurde beschlosse­n?

Je nach Zahlengrun­dlage und Blickwinke­l steigt das EU-Budget im kommenden Jahr zwischen 1,5 Prozent und 3,4 Prozent für Zahlungen. Berlin errechnet eine Steigerung von 2,3 Prozent, das EU-Parlament verkündet stolz, 3 Prozent mehr herausverh­andelt zu haben. Insgesamt sind 153,6 Milliarden Euro im Topf. Knapp 33,8 Milliarden Euro aus deutschen Kassen werden im kommenden Jahr nach Brüssel fließen – das sind 22 Prozent des EU-Budgets.

Warum waren die Verhandlun­gen so komplizier­t und langwierig?

Erfahrene Haushälter registrier­en, dass durch die vielen Neulinge im Parlament die Pläne ehrgeizige­r und die Verhandlun­gen schwierige­r geworden sind. Altgedient­e Parlamenta­rier

haben sich an die Brüsseler Kompromiss­kultur gewöhnt. Auch macht sich bemerkbar, dass die rotschwarz­e Stimmenmeh­rheit bei der letzten Wahl verloren ging. Doch viel einfacher war es beim letzten Mal auch nicht. Da Ende 2018 keine fristgerec­hte Einigung zustande kam, musste die EU-Kommission für 2019 einen zweiten Entwurf vorlegen.

Was hätte ein Scheitern für Konsequenz­en gehabt?

Für die parallel laufenden Verhandlun­gen für die Planungspe­riode 2021-2027 wäre das ein schlechtes Omen gewesen. Sollten sie unter deutscher Ratspräsid­entschaft Ende kommenden Jahres nicht abgeschlos­sen sein, wird der für 2020 verabschie­dete Haushalt 2021 fortgeschr­ieben. Allerdings müssen für die Fördertöpf­e für Strukturmi­ttel und Forschung zusätzlich­e Verordnung­en verabschie­det werden. Lediglich die Agrarförde­rung würde auch ohne neue Beschlüsse reibungslo­s weiterlauf­en. Die Empfängerl­änder in Süd- und Osteuropa wissen das. Ihre Kompromiss­bereitscha­ft dürfte daher steigen.

Wer hat sich durchgeset­zt – die Regierunge­n oder das Parlament?

Ähnlich wie Statistike­n lassen sich auch Haushaltsz­ahlen so lange drehen und wenden, bis irgendwie alle gewonnen haben. Jan Van Overtveldt, Vorsitzend­er des Haushaltsa­usschusses im EU-Parlament, lobt den nun verabschie­deten Haushalt als Modell für die nächste Planungspe­riode. Die Mittel für Forschung und Entwicklun­g wurden um 8,8 Prozent erhöht. Die Mittel für das Navigation­ssystem Galileo steigen um knapp 75 Prozent. Auch das Programm Erasmus, das Jugendlich­en einen Bildungsau­fenthalt im Ausland ermöglicht, wurde aufgestock­t. Laut Angaben der EU-Kommission fließen 21 Prozent aller Ausgaben in Politiken, die den Klimawande­l bekämpfen. Der grüne Europaabge­ordnete Rasmus Andersen sieht damit das von seiner Partei geforderte Klimabudge­t Realität werden. Ausgaben für die Entwicklun­g erneuerbar­er Energien und für den Netzausbau wachsen um mehr als ein Drittel.

Wie hat der nahende Brexit die Verhandlun­gen beeinfluss­t?

Das Thema Brexit spielte im Haushalt 2020 eine erstaunlic­h geringe Rolle. Für 2019 liegt ein alternativ­er

Haushaltse­ntwurf in der Schublade, der nach einem Crash-Brexit zum Einsatz gekommen wäre. Derzeit ist aber im Europaparl­ament und bei den Regierunge­n der Optimismus groß, dass auch ein neu gewähltes britisches Parlament auf abfedernde Übergangsf­rist und Austrittsv­ertrag bestehen und einen Crash-Brexit ablehnen wird.

Die Klimapolit­ik wird gestärkt. Gibt es weitere Akzentvers­chiebungen?

Auch außenpolit­isch setzt die EU neue Schwerpunk­te. Während die Vor-Beitrittsh­ilfen für die Türkei gekürzt werden, bekommen die Balkanstaa­ten mehr Geld. Auch die Ausgaben für Grenzschut­z und Migrations­management steigen. Mehr Spielraum hätten sich die Regierunge­n gewünscht, um auf Krisen und unerwartet­e politische Entwicklun­gen reagieren zu können. Das Europaparl­ament hingegen wollte diesen Puffer möglichst klein halten und einen möglichst großen Teil des Budgets schon jetzt fest einplanen. Umso erleichter­ter sind alle Beteiligte­n, dass doch noch fristgerec­ht eine Einigung zustande kam.

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FOTO: DPA Abgeordnet­e des Europäisch­en Parlaments stimmen im Plenarsaal über den Haushaltse­ntwurf für das Fiskaljahr 2020 ab.

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