Altersarmut ist weiblich
Beim Leserfinanzforum der „Schwäbischen Zeitung“gab es Finanztipps von Frauen für Frauen
RAVENSBURG - Ein Bild auf der Leinwand im Ravensburger Medienhaus von Schwäbisch Media hat die mehr als 100 Besucherinnen und den einen Besucher des dritten Leserfinanzforums der „Schwäbischen Zeitung“in der vergangenen Woche besonders lachen lassen. Die Münchner Frauenfinanzberaterin Constanze Hintze warf ein Foto eines Mitvierzigers mit Dreitagebart an die Wand, wendete sich zum Publikum und sagte grinsend: „Das ist auf jeden Fall nicht die richtige Altersvorsorge.“
Hintzes Hinweis war die Einleitung zu einem Appell, der den beiden Referentinnen – neben der Münchnerin die Aschaffenburger Finanzbloggerin Chiara Bachmann – bei dem Abend unter dem Titel „Geld = Männersache? Ein Gespräch von Frauen für Frauen zum Thema Finanzen und Geldanlage“besonders wichtig war. „Es geht bei diesen Fragen nicht nur um das Thema Altersvorsorge, sondern darum, dass wir für uns einstehen“, erklärte Bachmann, die unter der Marke „Fräulein Finance“Frauen zu Vorsorgethemen berät. „Frauen müssen ihren eigenen Weg finden – und vor allem beginnen, sich mit diesen Themen zu beschäftigen“, fügte Hintze an, die seit 2005 die Frauenberatung „Svea Kuschel und Kolleginnen“leitet.
Die Fakten, auf die sich Hintze und Bachmann bei ihren Ausführungen an diesem Abend beziehen, sprechen eine eindeutige Sprache: Altersarmut ist weiblich. Noch immer kümmern sich in der Regel Frauen um die Kinder, sie arbeiten länger in Teilzeit und verdienen weniger als Männer. Hinzu kommt, dass viele Frauen in Paargemeinschaften leben, in denen sie finanziell von ihrem Partner abhängig sind. Fällt diese finanzielle Unterstützung zum Beispiel durch Scheidung weg, ist das Armutsrisiko groß. Jede fünfte alleinlebende Frau über 65 muss mit weniger als 900 Euro monatlich auskommen.
Demografiefalle und Negativzinsen
Dabei verschärft die in den kommenden Jahrzehnten zu erwartende demografische Entwicklung die Situation. Versorgten Anfang der 1970erJahre noch vier Arbeitnehmer einen Rentner, wird im Jahr 2030 auf einen Rentner wohl nur ein einziger Arbeitnehmer kommen. „Zudem werden wir Ende des nächsten Jahres flächendeckend Banken haben, die für Guthaben auf Konten Minuszinsen nehmen“, prophezeite Hintze. „Wir müssen das wissen, und wir müssen unsere Anlageentscheidungen danach ausrichten.“
Für eine Studie der Bertelsmann Stiftung haben das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in die Zukunft geschaut: Bis zum Jahr 2036 wird der Anteil der jeweils 67-jährigen alleinstehenden Frauen, deren Einkommen nicht fürs Leben reicht, stark steigen. 2016 waren 16,2 Prozent von staatlichen Leistungen abhängig, 2036 werden es der Prognose zufolge bereits 27,8 Prozent sein.
Die Aufforderung von Constanze Hintze und Chiara Bachmann war angesichts solcher Ansichten überraschend einfach: „Träume groß – beginne klein“. Wichtig sei vor allem ein Anfang und die ersten Schritte. Fünf Tipps von Frauen für Frauen:
Achtsamer Umgang mit Geld:
Das Führen eines Haushaltsbuches – Bachmann nennt es „Money Diary“– hilft, die Geldausgaben im Blick zu behalten und Freiräume zur Vorsorge zu schaffen. „Wir müssen für uns selbst die goldene Mitte zwischen Sparen und Konsum finden“, erläutert Bachmann.
Kleine Beträge:
Es sind keine großen Beträge notwendig, um die eigene Vorsorge zu verbessern. Das Warten auf die nächste Gehaltserhöhung darf das Sparen nicht verzögern. „Es kommt viel eher darauf an, dass wir anfangen und neue Gewohnheiten bei uns etablieren“, sagt Bachmann.
Sparbuch ist keine Alternative:
Mehr als vier Fünfel der deutschen Vermögen liegen auf Girokonten oder Sparbüchern, die aktuell keine Renditen abwerfen. „Daran wird sich in den nächsten Jahren nichts ändern“, sagt Hintze. „Wir können aber etwas ändern, in dem wir das Geld so anlegen, dass es Rendite bringt.“
Versicherung gegen Berufsunfähigkeit:
Die Absicherung des eigenen Humankapitals ist essentiell und sollte ganz oben auf der To-do-Liste stehen. „Sie ist einfach ein ganz wichtiger Teil der Altersvorsorge“, erklärt Hintze.
Bildung als Grundlage:
Die eigenständige Beschäftigung mit den Themen Finanzen und Altersvorsorge gibt Unabhängigkeit und Selbstbewusstsein. „Solches Wissen kann uns keiner mehr wegnehmen und ist ein Investment mit der höchsten Rendite überhaupt“, sagt Bachmann.