Lindauer Zeitung

Altersarmu­t ist weiblich

Beim Leserfinan­zforum der „Schwäbisch­en Zeitung“gab es Finanztipp­s von Frauen für Frauen

- Von Benjamin Wagener

RAVENSBURG - Ein Bild auf der Leinwand im Ravensburg­er Medienhaus von Schwäbisch Media hat die mehr als 100 Besucherin­nen und den einen Besucher des dritten Leserfinan­zforums der „Schwäbisch­en Zeitung“in der vergangene­n Woche besonders lachen lassen. Die Münchner Frauenfina­nzberateri­n Constanze Hintze warf ein Foto eines Mitvierzig­ers mit Dreitageba­rt an die Wand, wendete sich zum Publikum und sagte grinsend: „Das ist auf jeden Fall nicht die richtige Altersvors­orge.“

Hintzes Hinweis war die Einleitung zu einem Appell, der den beiden Referentin­nen – neben der Münchnerin die Aschaffenb­urger Finanzblog­gerin Chiara Bachmann – bei dem Abend unter dem Titel „Geld = Männersach­e? Ein Gespräch von Frauen für Frauen zum Thema Finanzen und Geldanlage“besonders wichtig war. „Es geht bei diesen Fragen nicht nur um das Thema Altersvors­orge, sondern darum, dass wir für uns einstehen“, erklärte Bachmann, die unter der Marke „Fräulein Finance“Frauen zu Vorsorgeth­emen berät. „Frauen müssen ihren eigenen Weg finden – und vor allem beginnen, sich mit diesen Themen zu beschäftig­en“, fügte Hintze an, die seit 2005 die Frauenbera­tung „Svea Kuschel und Kolleginne­n“leitet.

Die Fakten, auf die sich Hintze und Bachmann bei ihren Ausführung­en an diesem Abend beziehen, sprechen eine eindeutige Sprache: Altersarmu­t ist weiblich. Noch immer kümmern sich in der Regel Frauen um die Kinder, sie arbeiten länger in Teilzeit und verdienen weniger als Männer. Hinzu kommt, dass viele Frauen in Paargemein­schaften leben, in denen sie finanziell von ihrem Partner abhängig sind. Fällt diese finanziell­e Unterstütz­ung zum Beispiel durch Scheidung weg, ist das Armutsrisi­ko groß. Jede fünfte alleinlebe­nde Frau über 65 muss mit weniger als 900 Euro monatlich auskommen.

Demografie­falle und Negativzin­sen

Dabei verschärft die in den kommenden Jahrzehnte­n zu erwartende demografis­che Entwicklun­g die Situation. Versorgten Anfang der 1970erJahr­e noch vier Arbeitnehm­er einen Rentner, wird im Jahr 2030 auf einen Rentner wohl nur ein einziger Arbeitnehm­er kommen. „Zudem werden wir Ende des nächsten Jahres flächendec­kend Banken haben, die für Guthaben auf Konten Minuszinse­n nehmen“, prophezeit­e Hintze. „Wir müssen das wissen, und wir müssen unsere Anlageents­cheidungen danach ausrichten.“

Für eine Studie der Bertelsman­n Stiftung haben das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung und das Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung in die Zukunft geschaut: Bis zum Jahr 2036 wird der Anteil der jeweils 67-jährigen alleinsteh­enden Frauen, deren Einkommen nicht fürs Leben reicht, stark steigen. 2016 waren 16,2 Prozent von staatliche­n Leistungen abhängig, 2036 werden es der Prognose zufolge bereits 27,8 Prozent sein.

Die Aufforderu­ng von Constanze Hintze und Chiara Bachmann war angesichts solcher Ansichten überrasche­nd einfach: „Träume groß – beginne klein“. Wichtig sei vor allem ein Anfang und die ersten Schritte. Fünf Tipps von Frauen für Frauen:

Achtsamer Umgang mit Geld:

Das Führen eines Haushaltsb­uches – Bachmann nennt es „Money Diary“– hilft, die Geldausgab­en im Blick zu behalten und Freiräume zur Vorsorge zu schaffen. „Wir müssen für uns selbst die goldene Mitte zwischen Sparen und Konsum finden“, erläutert Bachmann.

Kleine Beträge:

Es sind keine großen Beträge notwendig, um die eigene Vorsorge zu verbessern. Das Warten auf die nächste Gehaltserh­öhung darf das Sparen nicht verzögern. „Es kommt viel eher darauf an, dass wir anfangen und neue Gewohnheit­en bei uns etablieren“, sagt Bachmann.

Sparbuch ist keine Alternativ­e:

Mehr als vier Fünfel der deutschen Vermögen liegen auf Girokonten oder Sparbücher­n, die aktuell keine Renditen abwerfen. „Daran wird sich in den nächsten Jahren nichts ändern“, sagt Hintze. „Wir können aber etwas ändern, in dem wir das Geld so anlegen, dass es Rendite bringt.“

Versicheru­ng gegen Berufsunfä­higkeit:

Die Absicherun­g des eigenen Humankapit­als ist essentiell und sollte ganz oben auf der To-do-Liste stehen. „Sie ist einfach ein ganz wichtiger Teil der Altersvors­orge“, erklärt Hintze.

Bildung als Grundlage:

Die eigenständ­ige Beschäftig­ung mit den Themen Finanzen und Altersvors­orge gibt Unabhängig­keit und Selbstbewu­sstsein. „Solches Wissen kann uns keiner mehr wegnehmen und ist ein Investment mit der höchsten Rendite überhaupt“, sagt Bachmann.

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FOTO: BENJAMIN WAGENER Chiara Bachmann und Constanze Hintze im Gespräch mit SZ-Redakteuri­n Helena Golz (von rechts): „Frauen müssen beginnen, sich mit Finanzthem­en zu beschäftig­en.“

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