Elsa aus dem Ausbeuterbetrieb
Spielwaren von Disney oder Hasbro sind teuer – Doch sie kommen oft aus Billigfabriken in Fernost
- Wenn in den kommenden Wochen wieder Filmstarts anstehen wie der zweite Teil der „Eiskönigin“in dieser Woche oder der neunte Teil von „Krieg der Sterne“, dann überschwemmt der Disney-Konzern den Spielwarenhandel gleichzeitig mit den passenden Fanartikeln und Puppen. Die Bekanntheit der Figuren lässt sich der Unterhaltungskonzern gut bezahlen: Die einfachsten Ausführungen von Prinzessin Elsa fangen bei 17 Euro an, „singend“und mit „Lichterglanz“geht es aber auch bis 45 Euro hinauf.
Manche Eltern mögen sich vermutlich am liebsten gar keine Gedanken darüber machen, wo die Spielzeuge hergestellt werden – oder sie hoffen darauf, dass sie für diesen Preis ehrlich produzierte Qualität erhalten. Aktuelle Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Hersteller nur einen winzigen Anteil am Verkaufspreis an die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Fabriken weitergeben. „Sie erhalten nur den Mindestlohn, der erheblich niedriger ist als für einen angemessenen Lebensstandard erforderlich“, stellt der diesjährige „Toys Report“der Christlichen Initiative Romero (CIR) zusammen mit der Organisation China Labor Watch fest.
Auch sonst beziehen Disney, Hasbro, Mattel und andere bekannte Spielwarenhersteller ihre Ware unverändert aus Fabriken in China, die es im Sinne der Kosteneinsparung mit den gesetzlichen Vorgaben nicht so genau nehmen. Zwar stellt die Volksrepublik längst ordentliche Anforderungen an Freizeit, eine Obergrenze für Überstunden und den Arbeitsschutz. „Doch in der Praxis bleiben die Fabriken oft unter den gesetzlichen Vorgaben in China“, sagt Patrick Niemann, Referent für Spielzeug bei der CIR.
China Labor Watch hat – wie in den Vorjahren auch - Ermittlerinnen in die Fabriken eingeschleust, um die wahren Zustände herauszufinden. Sie lassen sich dazu als ungelernte Arbeiter anwerben. Im Arbeitsalltag führen sie ein genaues Tagebuch der Vorkommnisse und belegen das Geschehen mit Fotos. Beim Lohn halten die Fabriken sich meist exakt an den
Mindestlohn in der südchinesischen Provinz Guangdong, in der die Hersteller sitzen. Aus Niemanns Sicht reicht das jedoch bei Weitem nicht. Die Provinz hatte den Mindestlohn zwar von 2011 bis 2015 mehrfach erhöht. In den vergangenen Jahren waren die Steigerungen jedoch minimal, weil die Industrie an noch billigere Standorte weiterzuziehen drohte. Die US-Zölle auf Waren aus China verschärfen den Preisdruck noch. Der Mindestlohn liegt dort nun bei rund 200 Euro im Monat. Doch die Lebenskosten steigen schnell. In Südchina braucht eine Person ungefähr 370 Euro im Monat, um ihre Existenz zu sichern – für einen Schlafplatz, ausreichendes Essen, die Handyrechnung und so weiter.
Deshalb können die jungen Arbeiterinnen sich nur über Wasser halten, indem sie viele Überstunden machen. Das chinesische Arbeitsgesetz deckelt jedoch die monatliche Extra-Arbeitszeit bei 36 Stunden. In der Realität häufen die Arbeiterinnen während der Hauptsaison jedoch bis zu 120 Überstunden im Monat an. Älteren Schätzungen von China Labor Watch zufolge erhalten die Arbeiterinnen vom Kaufpreis von 35 Euro für ein Disney-Produkt nur rund einen Cent. Meist erwartet ihre Familie jedoch, dass sie ihnen noch Geld aus der Großstadt schicken. Kein Wunder, dass sie sich ausbeuten lassen.
Noch bedrohlicher als die exzessive Schufterei wirkt der Umgang mit giftigen Stoffen. Die in China vorgeschriebene umfangreiche Sicherheitsschulung sparten sich alle fünf geprüften Anbieter. Manchmal gibt es Schutzmasken, aber die Arbeiterinnen können die Lösungsmittel immer noch deutlich riechen. Auch ärztliche Untersuchungen, die ebenfalls Pflicht sind, entfallen in der Regel.
Teils sind langsame Verbesserungen zu verzeichnen; in den meisten Fabriken gibt es seit diesem Jahr Schutzkleidung, und viele Werke haben die Lüftung verbessert. „Doch greifbare Veränderungen kommen meist nur auf Druck der Auftraggeber aus der Spielwarenindustrie zustande“, sagt Niemann. Die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erfolgen in der Praxis enttäuschend langsam.
Der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie gibt unterdessen an, seine Hausaufgaben zu machen. „Es gibt positive Veränderungen“, sagt Verbandsgeschäftsführer Ulrich Brobeil. Er befinde sich im Dialog mit Gruppen wie der CIR, um Wege zu finden, die Kontrollen zu stärken. Die Branche arbeite zudem mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zusammen, um bessere Strukturen zu schaffen. Der Verband nehme die Kritik und die Hinweise sehr ernst, sagt Brobeil.
Die Verbraucherzentralen raten Eltern derweil, vor dem Kauf am Spielzeug aus China zu riechen – Tests ergeben hier immer wieder eine erhöhte Schadstoffbelastung. Viele Chemikalien verraten sich durch ihren Gestank. „Nicht alle Spielzeuge, die man in Deutschland kaufen kann, sind sicher und schadstoffarm“, warnen die Experten. Der Gesetzgeber gebe nur Mindestanforderungen vor. Genaue Prüfungen finden nur an Einzelstücken statt. Zwar muss alles Spielzeug, das in der EU verkauft wird, das CE-Zeichen tragen. „Da die Hersteller selbst das Zeichen an ihren Produkten anbringen, bietet es jedoch keine von unabhängigen Dritten bestätigte Sicherheit“, schreibt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Die Verbraucherschützer empfehlen, beim Spielzeug nicht nach der Menge zu gehen – und vor dem Weihnachtsfest auch an Alternativen zu denken. „Schenken Sie Kindern auch mal Erlebnisse wie einen Besuch im Kindertheater oder auf der Schlittschuhbahn.“Dann quillt auch das Kinderzimmer nicht so schnell über.
„Veränderungen kommen nur auf Druck der Auftraggeber aus der Spielwarenindustrie zustande.“
Patrick Niemann, Referent für Spielzeug bei der CIR