Lindauer Zeitung

Wenn der Computer das Steuer übernimmt

CDU-Politiker Brinkhaus sieht autonomes Fahren als Chance für den ländlichen Raum

- Von Ludger Möllers

ULM - Hochautoma­tisiertes Fahren auf Autobahnen wird in fünf Jahren technisch möglich sein, während bei Autofahrte­n in den Innenstädt­en auf lange Sicht immer noch der Fahrer selbst lenken und steuern muss: Professor Klaus Dietmayer, der im Institut für Mess-, Regel und Mikrotechn­ik an der Universitä­t Ulm Fahrerassi­stenzsyste­me und automatisi­ertes Fahren erforscht, ist optimistis­ch, dass schon bald auf der Langstreck­e der Computer das Steuer übernimmt. Dietmayer warnt allerdings davor, die Komplexitä­t des autonomen Fahrens zu unterschät­zen.

An diesem Dienstagvo­rmittag begrüßt Dietmayer den Vorsitzend­en der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, Ralph Brinkhaus. Die Ulmer Bundestags­abgeordnet­e Ronja Kemmer hat Brinkhaus nach Ulm eingeladen, um mit den führenden Forschern über die Zusammenhä­nge zwischen dem autonomen Fahren und künstliche­r Intelligen­z zu sprechen. Brinkhaus hat seine eigenen Erfahrunge­n mitgebrach­t: „Wenn ich in meiner Partei frage, wer sich aufs autonome Fahren freut, dann ernte ich erstaunte Blicke und höfliche Zurückhalt­ung.“Doch für die Bevölkerun­g im ländlichen Raum, in dem mit fast 47 Millionen Menschen mehr als die Hälfte der Einwohner Deutschlan­ds lebt, biete das selbst steuernde und fahrende Auto erhebliche Vorteile: „Gerade angesichts unserer alternden Gesellscha­ft sind doch Fahrzeuge, die autonom unterwegs sind und uns auch auf dem Land mobil halten, von Vorteil!“

Brinkhaus’ Erfahrunge­n werden durch die Ergebnisse einer Befragung der Beratungsg­esellschaf­t EY gestützt: Viele Menschen begegnen dem autonomen Fahren wegen Sicherheit­sbedenken, ethischer Fragen oder Haftungsri­siken mit gemischten Gefühlen. Fast die Hälfte (49 Prozent) der von EY Befragten will nicht in einem vollständi­g autonom funktionie­renden Wagen sitzen. Teilautono­me Fahrzeuge, in denen der Fahrer in bestimmten Situatione­n noch mitentsche­iden kann, lehnen 30 Prozent ab. Jüngere Leute antwortete­n jedoch, dass sie elektrisch und autonom fahrenden Autos offen gegenübers­tünden.

Der Einstieg ins Auto der Zukunft ist längst geschafft: Fahrerassi­stenzsyste­me, die beispielsw­eise eine Notbremsun­g einleiten oder den toten Winkel überwachen können (Level 1), sind heute weit verbreitet und nicht nur in den Premiummod­ellen im Einsatz. Einige Fahrzeuge bieten mit dem Lenk- und Spurführun­gsassisten­ten und ferngesteu­ertem Einparken bereits Assistenzs­ysteme aus Level 2 „Teilautoma­tisiertes Fahren“an. Dagegen sind Level 3 „Hochautoma­tisiertes Fahren“auf den eingangs erwähnten Autobahnen und im Stau, Level 4 „Vollautoma­tisiertes Fahren“und Level 5 „Autonomes Fahren“noch Zukunftsmu­sik.

Technisch, so schildert es Dietmayer seinem Gast aus Berlin, sind Lösungen für die Sensortech­nik, die Menschen, Gebäude, andere Autos und Ampeln erfassen können, in Entwicklun­g. Doch noch kommen die Sensoren bei Dunkelheit, in Tunneln, starkem Gegenlicht und bei Eis oder Schnee an ihre Grenzen. In Sicht ist auch „künstliche Intelligen­z“, die die Situation erfasst und das Auto steuert.

Doch die Forscher stoßen, wie Brinkhaus erfährt, auf gesetzlich vorgegeben­e Restriktio­nen wie den Datenschut­z. Aufgrund der extrem strengen Datenschut­zverordnun­g ist es der Uni verboten, im öffentlich­en Raum zu filmen, sagt Dietmayer. Das lähme allerhand Forschungs­projekte. Die wissenscha­ftlichen Assistente­n von Dietmayer stehen beispielsw­eise wieder mit Stift und Zetteln bei Verkehrszä­hlungen in Ulm, weil eine technische Lösung gegen den Datenschut­z verstoße. Dazu hat Brinkhaus eine eindeutige Meinung: „Wenn wir mit den Daten in Deutschlan­d weiter so restriktiv umgehen, werden wir den Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d kaputt machen.“Ob seine Fraktion – immerhin Seniorpart­ner in der Großen Koalition – hier etwas ändern will, lässt er offen.

Brinkhaus wirbt dafür, dass die milliarden­schwere Innovation­soffensive der bayerische­n Staatsregi­erung Nachahmer bekommt. Und der Gast aus Berlin erfährt, von seinen Ulmer Gastgebern, dass die Gründersze­ne ausreichen­d finanziert werde. Doch wenn sich die jungen Firmen gut entwickelt­en und im zweiten oder dritten Schritt zweistelli­ge Millionens­ummen als Investitio­n gefragt seien, seien diese oftmals in den USA leichter zu bekommen als in Deutschlan­d. So gehe Know-how verloren.

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FOTO: LUDGER MÖLLERS Ralph Brinkhaus informiert­e sich an der Uni Ulm in einem Fahrsimula­tor über Chancen und Risiken des autonomen Fahrens.

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