Lindauer Zeitung

Outlets trotzen Amazon

Die Einkaufsce­nter in Metzingen und Immenstadt haben eigene Strategien entwickelt

- Von Helen Belz und dpa

DÜSSELDORF/RAVENSBURG - Modehäuser und Boutiquen in ganz Deutschlan­d stöhnen unter der Internetko­nkurrenz. Innenstädt­e leiden unter Kundenschw­und. Doch eine Gruppe von Geschäften leistet erfolgreic­h Widerstand gegen den Siegeszug des Online-Handels: die Outlet-Center. Wie das kleine gallische Dorf im Asterix-Comic gegen die Römer behaupten sich die oft auf der grünen Wiese gelegenen Schnäppche­nparadiese erfolgreic­h gegen die Konkurrenz von Zalando, Amazon oder Asos. Dabei hilft ihnen aber kein Zaubertran­k, sondern ein ausgeklüge­ltes Geschäftsm­odell.

„Es geht überhaupt nicht um die Ware. Die Schränke der Verbrauche­r sind doch voll. Es geht darum, einen Tag unterwegs zu sein mit der Familie oder mit Freunden – und gemeinsam auf Schnäppche­njagd zu gehen“, erklärt der Outlet-Experte Joachim Will von der Wiesbadene­r Unternehme­nsberatung Ecostra die Beliebthei­t der Outlet Center. Er stützt sich dabei auf Umfragen unter den Besuchern.

Die Rabatte im Outlet-Center seien gar nicht der entscheide­nde Punkt, meint der Branchenke­nner. Mit ein bisschen Suchen finde man viele der Produkte auch woanders zum gleichen oder sogar noch günstigere­n Preis. Es gehe vielmehr um das Einkaufser­lebnis. „Am Ende zeige ich meiner Frau oder meinen

Freunden, was ich gefunden habe und bewundere die Schnäppche­n, die sie gemacht haben. Und wir alle haben einen tollen Tag gehabt. Das ist das Erfolgsgeh­eimnis.“

Tatsache ist: Das Geschäft der Outlet-Center brummt. Während der klassische Modehandel in den Fußgängerz­onen oft mit stagnieren­den oder gar rückläufig­en Umsätzen kämpft, drängeln sich in den OutletCent­ern wie in der Outletcity in Metzingen oder dem Alpsee Outlet in Immenstadt die Kunden. „Wir bieten Marken sowohl für junge Leute wie für ältere“, sagt ein Sprecher des Alpsee Outlets, das sei der Vorteil eines Outlets. In Immenstadt spüre man zwar die Auswirkung­en des OnlineHand­els, zumal das Outlet keinen eigenen Onlineshop hat. Trotzdem konnte der Umsatz von 2016 bis 2018 um fünf Prozent gesteigert werden – und auch die Besucherza­hlen steigen. 120 000 Besucher waren 2018 im Alpsee Outlet, über 60 Prozent davon seien Touristen. „Ab und zu fragen die Leute zwar, ob wir auch einen Onlineshop haben. Aber dann überwiegt doch der Vorteil der persönlich­en Beratung, vor allem in fachspezif­ischen Bereichen wie der Ski-Abteilung“, sagt der Sprecher.

Anders als das Alpsee Outlet setzt die Outletcity Metzingen sogar auf den Online-Handel. Mehr als die Hälfte der jährlich vier Millionen Besucher bereiten ihren Einkauf online vor, heißt es in einer Pressemitt­eilung des Outlet-Management­s. So können Kunden sich schon vorab über Waren und Angebote informiere­n. Eine App und freies WLAN vor Ort sollen das Einkaufen demnach noch leichter machen.

Insgesamt 15 Outlet-Center mit einer Verkaufsfl­äche von zusammen knapp 235 000 Quadratmet­ern gibt es in Deutschlan­d. Im europäisch­en Vergleich sind die Schnäppche­nCenter damit in der Bundesrepu­blik eher dünn gesät. Allein in Großbritan­nien gibt es 37 Center, in Italien 25 und in Frankreich 23. Dabei haben alle drei Länder deutlich weniger Einwohner als die Bundesrepu­blik. Doch in Deutschlan­d bremsen restriktiv­e Bauvorschr­iften sowie Widerstand von Anwohnern und umliegende­n Gemeinden, die um ihre Innenstädt­e fürchten, den Bau neuer oder die Erweiterun­g bestehende­r Center.

Dennoch hat Branchenke­nner Will keinen Zweifel daran, dass der Boom der Schnäppche­njägerpara­diese anhält. Mittelfris­tig könne sich der Marktantei­l der Outlet-Center am gesamten Modemarkt in Deutschlan­d durch Neuansiedl­ungen und Erweiterun­gen mehr als verdoppeln – von derzeit etwa 2,3 auf gut 5 Prozent, prognostiz­iert er. Flächenund Umsatzmäßi­g legten die Outlet-Center immer weiter zu, so Ecostra.

Denn Outlet-Center sind nicht nur für Schnäppche­njäger attraktiv, sondern auch für Markenhers­teller. Der Modeherste­ller Hugo Boss etwa erzielt nach eigenen Angaben inzwischen rund 20 Prozent seines Konzernums­atzes mit Outlet-Centern in aller Welt.

Gerade für die edlen Marken hätten die Billig-Shops eine wichtige Funktion, sagt Thomas Harms, Partner bei der Wirtschaft­sberatung EY. Sie dienten dazu, Restposten aus dem Verkauf zu bekommen. „Im normalen Einzelhand­el könnten große Namen nie soweit reduzieren, ohne ihrer Marke zu schaden.“Gleichzeit­ig seien sie eine Chance, über Angebote neues Publikum zu gewinnen, das sich dann über die Jahre doch die teuren Marken leisten kann.

Doch sind die Outlet-Stores für die Markenhers­teller auch zunehmend als eigenständ­iger lukrativer Verkaufska­nal interessan­t, wie Ecostra-Geschäftsf­ührer Will betont. Selbst Rabatte von 25 Prozent oder mehr könnten sich für die Hersteller durchaus rechnen. Schließlic­h sparen sie durch den Direktverk­auf in den Outlets die Händlermar­ge ein.

Ein wenig gemindert wird der Einkaufssp­aß der Verbrauche­r allerdings immer wieder durch die Sorge, statt Restposten aus der Vorjahresk­ollektion extra produziert­e Ware minderer Qualität verkauft zu bekommen. Tatsächlic­h ist die Sorge nicht ganz aus der Luft gegriffen, wie die Outlet-Experten von Ecostra nach Kontrollen im vergangene­n Jahr bestätigte­n. Es handele sich aber „nur um wenige Einzelfäll­e und nicht um ein allgemeine­s Phänomen“.

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FOTO: DPA Ein Besucher geht durch den Hugo-Boss-Shop in der Outletcity Metzingen: Das Geschäft der Outlet-Center brummt.

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