Lindauer Zeitung

Bitte zurückspul­en!

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Die Säge ist nicht zu überhören. Jetzt machen die Nachbarn Holz, um es kuschelig warm zu haben, denke ich mir und bin versöhnlic­h. Ich sitze ja oft genug bei ihnen und lass mich verwöhnen. Aber als ich aus dem Fenster sehe, trifft mich fast der Schlag. Mein Nachbar, ein sonst friedliebe­nder Mensch, macht sich mit der Motorsäge an dem Schaukelge­rüst seiner Kinder zu schaffen. Er wirkt entschloss­en, immer wieder rammt er die Säge in das nicht mehr ganz taufrische Holz. Bis der Kindertrau­m kleiner wird. Stück für Stück.

Oh Gott – was haben die Jungs verbrochen? Ein Jahr lang die Hausaufgab­en nicht gemacht, die Oma entführt oder das Auto zerkratzt? Mir fällt nichts ein, was diesen brutalen Racheakt rechtferti­gen könnte. Bis ich sie kommen sehe. Statt zu weinen, wirken sie gefasst – und lachen sogar. Allmählich dämmert es mir: Sie müssen in den Plan eingeweiht worden sein. Machen die jetzt mit elf Jahren schon einen auf cool?

Zum Glück hat meine zwölfjähri­ge Tochter solche Flausen noch nicht im Kopf. Ich eile zu ihr, um mit ihr das Unfassbare zu besprechen. Sie sitzt auf dem Boden – und räumt auf. Ein ums andere ihrer geliebten Kuscheltie­re steckt sie in den Sack, um im Keller gelagert zu werden. Ihr lebensgroß­er Pappaufste­ller von Mark Forster braucht schließlic­h Platz.

Seid ihr denn alle verrückt? Ich schreie Stopp – und verlange nach der Rückspulta­ste. Das geht mir einfach zu schnell mit dem Großwerden.

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