Mit Verboten erreichen Eltern gar nichts
Erwachsene sollen Vorbild sein – Experten geben bei der Medienmesse wertvolle Tipps
KREIS LINDAU - Auf großes Interesse ist auch die dritte Auflage der Informationsmesse „Medienkompetenz“im Landkreis gestoßen. Rund 250 Eltern kamen am Samstag in die Mittelschule Lindenberg, in der zahlreiche Experten auf die Gefahren einer übermäßigen und vor allem naiven Nutzung von Internetdiensten wie Instagram, Facebook oder WhatsApp aufmerksam machten. Ein Tenor zog sich durch die Vorträge und viele Gespräche: Verbote sind nicht sinnvoll, denn das Internet hat viele positive Seiten.
Es kommt aber einerseits auf die richtige Dosis an – und vor allem auf die richtige Nutzung. Die Frage, ob eine Internetnutzung überhaupt sein müsse, beantwortete Stephan Reichel vom Bezirksjugendring Schwaben mit einem klaren Ja. Denn das Internet gehöre zur Lebenswelt und sei inzwischen Teil der Sozialisierung. Die Frage „Wer bin ich?“und der Vergleich mit anderen finde heute nun einmal nicht nur im Sport- oder Musikverein, sondern auch in sozialen Netzwerken statt. Die Angst, nicht dazuzugehören, sei nicht zu unterschätzen. Wichtig aus Reichels Sicht: Eltern sollten ihren Nachwuchs bei den ersten Schritten ins Internet begleiten, sie auf Gefahren hinweisen und bereitstehen, um mögliche Schäden zu beheben. Es müsse klar sein, dass das Versenden beispielsweise von freizügigen Bildern nicht in Betracht kommt. Eltern sollten aber nicht nur die Gefahren, sondern auch den Mehrwert des Internets sehen. Eine Einschränkung der Onlinezeit sei ein denkbares Mittel.
Konkrete Empfehlungen für die richtige Medienzeit pro Tag hatte Christina Mack von der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung in Lindau mitgebracht. Bis zu zwei Jahren sollten Kinder demnach weder
Fernsehen noch Computer konsumieren, zwischen drei und fünf Jahren maximal 30 Minuten täglich. Erst ab elf Jahren seien 60 bis 90 Minuten empfehlenswert, ab 14 Jahren dann individuelle Regelungen. Ein „Parken vor den Medien“sollte es keinesfalls geben. Wichtig sei, dem Nachwuchs zu vermitteln, dass Konzerne heute alle erhobenen Daten über Mediennutzung und Einkaufsverhalten auswerten. Wichtig zudem aus ihrer Sicht: „Eltern müssen Vorbild sein.“Von den Kindern den Handy-Verzicht am Esstisch zu verlangen, dann aber selbst auf eine Nachricht oder einen Anruf zu reagieren, gehe nicht. Es müsse immer Zeiten geben, „in denen wir Menschen in der realen Welt sind“, so Mack.
Die Frage „Wann spreche ich von Sucht?“stand über dem Vortrag von Niels Pruin vom Caritasverband Augsburg. Das sei aber gar nicht entscheidend, so Pruin. Wichtiger sei die „Leidenssituation in einer Familie“, wenn ein Kind es mit der Online-Nutzung oder dem Spielen massiv übertreibt und nicht mehr am realen Leben teilnimmt. Interessant aus seiner Sicht: Eltern kommen häufig mit ihren vermeintlich spielesüchtigen Buben zur Beratung. Pruin sieht jedoch teilweise größere Gefahren bei Mädchen, die sich stundenlang sozialen Netzwerken widmen. Doch auch Pruin sagt: „Das Internet ist etwas Gutes. Man muss nur richtig damit umgehen können.“
Auch über die richtigen technischen Kniffe erhielten die Eltern Hinweise, so beispielsweise von Sascha Metzdorff von den Stadtwerken Lindau, der die richtigen Sicherheitseinstellungen in Internetroutern vorstellte.
Mit der Veranstaltung war Samuel Trefzer vom ausrichtenden Arbeitskreis Medienkompetenz sehr zufrieden: „Wir hatten gute und inhaltsreiche Gespräche.“