Acht Jahre für 46 Messerstiche
Landgericht Ravensburg wertet Angriff auf Ex-Freundin als gefährliche Körperverletzung
FRIEDRICHSHAFEN - Acht Jahre und neun Monate muss ein 22-Jähriger aus Friedrichshafen ins Gefängnis, der Anfang März seine damals 16 Jahre alte Ex-Freundin hinter der Diskothek im Fallenbrunnen mit 46 Messerstichen lebensgefährlich verletzte und ihr dann noch, nachdem die Klinge abgebrochen war und sie am Boden lag, Schläge und Tritte gegen den Kopf versetzte. Das Landgericht Ravensburg verurteilte ihn am Dienstagnachmittag trotzdem nicht wegen versuchten Mordes, sondern wegen gefährlicher Körperverletzung. Zusätzlich muss der Täter dem Opfer Schmerzensgeld in Höhe von 30 000 Euro zahlen.
Grund dafür ist, dass er kurz nach der Tat an den Tatort zurückkehrte und sah, wie das Mädchen sein Handy bediente. Der Vorsitzende Richter Veiko Böhm sagte bei der Urteilsbegründung, dass das Gericht zwar von einer Tötungsabsicht ausgehe. Er begründete dies damit, dass der Angeklagte seine Ex-Freundin nicht zufällig traf. Als er sie zu einer „sogenannten letzten Aussprache“überredet hatte, habe er sie hinter die Disko gelockt, ins Dunkle, wo keine anderen Menschen ihn bei der Tat sehen würden. Die Tatwaffe, ein Obstmesser, habe er zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Tage mit sich geführt.
Als die Ex-Freundin gehen wollte, habe er sie zunächst verbal, später mit Gewalt daran gehindert. Und als sie dann – noch immer arglos – sagte, dass es wirklich aus sei zwischen ihnen, habe er sie von hinten angegriffen, sei „barbarisch“auf die 16-Jährige losgegangen. „Für den Fall, dass Sie nicht zu Ihnen zurückkehrt, waren Sie bereit, Ihre gekränkte Eitelkeit in Strafe umzusetzen“, sagte er zu dem 22-Jährigen. Eine Tat im Affekt schloss das Gericht aus. „Sie haben höchst geistesgegenwärtig gehandelt“, sagte Böhm. Auch eine verminderte Schuldfähigkeit aufgrund einer Alkoholisierung sei Zeugenaussagen zufolge nicht bestätigt worden.
Die Frage nach der Absicht
Unklar blieb laut Böhm, ob der Täter von seiner Tötungsabsicht zurücktrat oder ob der Mordversuch fehlschlug. Obwohl das Gericht die Tötungsabsicht bestätigt sah, konnte es nicht ausschließen, dass der 22-Jährige sie in diesem Moment möglicherweise aufgegeben hat. „Um ihn wegen versuchten Mordes verurteilen zu können, hätten wir ausschließen müssen, dass er gedacht hat, sie werde nicht sterben“, sagte der Richter. Vielmehr habe er die Möglichkeit gehabt, die Tat auch zu Ende zu führen. Angesichts der schweren Folgen der Tat liege die Strafe mit acht Jahren und neun Monaten im höheren Bereich: Für gefährliche Körperverletzung sieht das Gesetz Haftstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren vor.
Die Staatsanwaltschaft Ravensburg hatte elf Jahre Haft wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gefordert. Sowohl die Tötungsabsicht als auch die niedrigen Beweggründe seien als Merkmale für einen Mord gegeben. Allerdings sei die Tat fehlgeschlagen, nachdem die sechs Zentimeter lange Klinge des Obstmessers abgebrochen war.
Der Verteidiger des Angeklagten hatte auf gefährliche Körperverletzung plädiert und ein Strafmaß von fünf Jahren Haft gefordert.
„Ich bereue diese Tat. Von Anfang an. Es tut mir einfach unendlich leid“, sagte der Angeklagte. Der in Deutschland geborene türkische Staatsbürger muss damit rechnen, nach der Verbüßung seiner Haftstrafe abgeschoben zu werden.