Warten auf die ZF-Power
Zweite Formel-E-Saison des Worndorfers Pascal Wehrlein wird eine des Übergangs
WORNDORF - Besser im Vorfeld der neuen Saison einen kleinen Umweg nehmen als bei einem der 14 Rennen dieser Formel-E-Saison. So sagt sich das zumindest Pascal Wehrlein. Also machte der schwäbische Rennfahrer aus Worndorf (Landkreis Tuttlingen) in Diensten des indischen Rennstalls Mahindra einen Abstecher nach Mumbai. „Es stehen einige PR-Termine im Mahindra-Stammwerk auf dem Programm“, sagt er. Nichts Besonderes für den 25-Jährigen.
Auch das erste Rennen der sechsten Formel-E-Saison, das diesen Freitag in Riad stattfinden wird, beschleunigt keineswegs den Puls des Rennfahrers. Beim Telefongespräch vor dem Abflug gibt er sich cool. „Ich bin selten nervös“, sagt er, „nur ganz kurz vor dem Qualifying und dem Rennen, weil ich alles richtig machen will.“
Wer ist wie stark? Welche Rolle werden die beiden Neulinge Mercedes und Porsche spielen? Ein wenig Rätselraten herrscht schon vor dem Saisonstart nach den Testfahrten vor einem Monat in Valencia. Trotzdem glaubt Pascal Wehrlein die Stärken und Schwächen des M6Elektro bereits einschätzen zu können. „Bei den Tests hatten wir einen guten Speed auf einer Runde“, sagt er, „deshalb werden wir im Qualifying wieder stark sein.“Bei den Longruns und dem Testrennen war die Leistung nicht so überzeugend. Für Wehrlein heißt es durchhalten, bis in der kommenden Saison der neu entwickelte Antriebsstrang des neuen Technikpartners ZF aus Friedrichshafen zum Einsatz kommen wird. Für den ehrgeizigen Schwaben keine leichte Übung.
Trotzdem baut er darauf, dass die Veränderungen, die er und sein Teamkollege Jérôme d’Ambrosio nach den Tests vorgeschlagen haben, auch tatsächlich zu einer Verbesserung
beitragen. Doch in Valencia wurde auf einer permanenten Rennstrecke gefahren; die Rennen finden auf Straßenkursen statt, auf denen ganz andere Bedingungen herrschen.
Ziele: Ein Rennsieg und Konstanz
In den vergangenen Wochen und Monaten haben die Mahindra-Mitarbeiter nicht nur am neuen Auto gearbeitet, sondern auch eine neue Zentrale in der Nähe von Oxford bezogen. Diese Zusammenführung unter einem Dach verbessert die Kommunikation und beschleunigt damit die Weiterentwicklung. Trotzdem warnt Pascal Wehrlein, gleich zum Saisonstart in Riad Wunderdinge zu erwarten. „Noch ist alles am Anfang, es wird ein wenig dauern, bis sich alles einspielt“, sagt der Pilot, „aber dieses Projekt hat enormes Potenzial.“
Trotz der erkannten Schwäche über die Renndistanz hält Pascal Wehrlein an seinen hohen Zielen fest. „Ich will mein erstes Rennen gewinnen“, sagt er geradeheraus. „Ansonsten hoffe ich, dass wir über die Saison konstanter sind und dass wir weniger Aufs und Abs haben.“Denn nur wenn das gewährleistet ist, sind der Deutsche und Mahindra Kandidaten für den Titel.
Wie ordnet Pascal Wehrlein nun die zwölf Teams ein? „Nissan war bei den Longruns sehr stark“, berichtet er, „DS-Techeetah und BMW aber auch.“Zudem dürfe man Audi nie abschreiben. „Und danach, so hoffe ich, kommen irgendwann wir.“Dass das Niveau durch den Einstieg von Mercedes und Porsche noch einmal weiter ansteigen wird, davon ist Pascal Wehrlein überzeugt. „Beide Hersteller werden um Rennsiege kämpfen wollen und können“, sagt der ehemalige Mercedes-Pilot. Diese Rolle sieht Mercedes-Formel-E-Teamchef Ian James noch nicht: „Diese Saison ist für uns eine Saison zum Lernen.“
In einem Punkt unterscheidet sich die am Freitag beginnende Saison vom Durchgang davor. Pascal Wehrlein ist von Anfang an dabei. Vor Jahresfrist hatte er noch zuschauen müssen, weil er von Mercedes, seinem seitherigen Arbeitgeber, keine Freigabe für Mahindra bekommen hatte. Diesmal geht’s gleich mit Vollgas los. Ohne Umweg, das Ziel klar im Blick.