Plötzlich geht es um zweierlei Tickets
Zwei ÖPNV-Nutzungsangebote im Allgäu vertragen sich offensichtlich nicht
KEMPTEN/OBERALLGÄU (jan/se) Jetzt wird in Kempten und dem Oberallgäu parallel an zwei Preissystemen gearbeitet, um den öffentlichen Nahverkehr für die Menschen attraktiver zu machen: Einem kürzlich beschlossenen 100-Euro-Ticket für den Landkreis Oberallgäu setzt die Stadt Kempten gemeinsam mit dem Ostallgäu sowie der Stadt Kaufbeuren eine möglicherweise 200 Euro kostende Jahreskarte entgegen, verkündete Oberbürgermeister Thomas Kiechle als Vorsitzender der Verkehrsgemeinschaft Mona nach hektischen Beratungen in den vergangenen Tagen. Da zu diesem Verkehrsverbund auch der Landkreis Oberallgäu gehört, passen die beiden Konzepte nicht zusammen.
Die Konzepte: Im Landkreis Oberallgäu soll eine Jahreskarte für Bus und Bahn gleichzeitig gelten. Kiechle hält den Geltungsbereich für „vom Grundansatz her falsch, ich verstehe die klein-strukturierte Denkweise nicht“. Das Mona-Ticket soll in Kempten und Kaufbeuren, im Oberallgäu und Ostallgäu gelten und ist derzeit auf den Bus beschränkt.
Die Preise: Das im Oberallgäu vom Kreistag beschlossene Entgelt ist revolutionär: 100 Euro. Ein Jahresticket auf der kurzen Strecke Betzigau-Kempten kostet derzeit 503 Euro, die Verbindungen AltusriedKempten 737 Euro und ImmenstadtWertach 828 Euro. Der Kemptener Oberbürgermeister wollte sich während der jüngsten Sitzung des städtischen Finanzausschusses und im Gespräch mit unserer Redaktion noch nicht auf einen Mona-Preis festlegen: „Das wäre derzeit noch unseriös.“Hochrechnungen zufolge könnte eine Summe knapp unter 200 Euro herauskommen. Die Strecken und Fahrplantaktung: Im Oberallgäu wird mit dem derzeitigen Angebot gearbeitet. Beim Mona-Konzept geht es nach Worten von Kiechle auch um „zeitgleiche Verbesserungen“. Die Zeitabläufe: Das 100-EuroTicket im Oberallgäu soll im April kommenden Jahres eingeführt werden. „Wenn wir das jetzt nicht machen, geht die nächsten Jahre gar nichts voran“, sagt Landrat Anton
Klotz. Kiechle hofft auf baldige Berechnungen der Fachleute und Verhandlungsergebnisse der Partner im Frühjahr. Bis zum Sommer 2020 könne eine Umsetzung gelingen.
Die Probleme: Bleibt es bei einem 100-Euro-Ticket für das Oberallgäu, können Fahrgäste aus dem Landkreis damit nur bis zum jeweiligen Endpunkt der Linie in Kempten fahren, in der Regel der Bahnhof oder die ZUM. Steigen sie dort um, um beispielsweise zum Klinikum zu kommen, wären weitere 1,70 Euro für eine Einzelfahrt fällig.
Das Oberallgäu kann allerdings kaum beim angedachten Mona-Ticket für den Großbereich mitmachen
und dieses im Landkreis auf 100 Euro heruntersubventionieren, räumt Kiechle ein. In diesem Fall müsste der Landkreis ein Vielfaches der momentan erwarteten 1,5 Millionen Euro pro Jahr bereitstellen.
Die politischen Debatten: Der Oberallgäuer Landrat hat „Verständnis dafür, dass Kempten sich uns jetzt nicht sofort anschließt“. Kiechle ist nach wie vor verärgert, dass das Oberallgäu vorgeprescht ist, ohne sich abzustimmen. Quer durch die Fraktionen schlossen sich die Stadträte während der Sitzung des Finanzausschusses seiner Marschrichtung an. CSU-Fraktionsvorsitzender Erwin Hagenmaier „gratuliert dem
Oberallgäu für den mutigen Beschluss“und wünscht „viel Glück“bei der Umsetzung, in Kempten werde man jedoch zunächst einen anderen Weg gehen.
Landrat Klotz wurde gestern bei einer Anfrage unserer Zeitung von dem Vorstoß Kiechles überrascht. Er habe tags zuvor noch einen gemeinsamen Termin mit dem Oberbürgermeister wahrgenommen, dieser habe allerdings kein einziges Wort darüber fallen lassen. Keinesfalls werde das Oberallgäu zeitgleich ein eigenes 100-Euro-Ticket sowie zusätzlich eine Jahreskarte für das Mona-Gebiet subventionieren: „Das ist undenkbar, das ist unbezahlbar.“