Stippvisite bei Mantarochen und Urzeitechsen
Auf der indonesischen Insel Komodo leben die letzten Drachen der Erde und andere seltene Tiere
LABUAN BAJO (dpa) - Die indonesische Insel Komodo mit den größten Echsen der Welt sollte angeblich vorübergehend geschlossen werden. Dazu wird es wohl nicht kommen. Der Nationalpark hat ohnehin noch viel mehr zu bieten.
Als die Riesen-Echse aus dem Gebüsch hervorbricht, treiben die Touristen auseinander. Eine Frau huscht verschreckt hinter einen Baum. Niemand hat den Komodo-Waran kommen sehen, züngelnd und nahezu lautlos läuft er zum Wasserloch. Die bis zu drei Meter langen Warane sind die große Attraktion im KomodoNationalpark in Indonesien. Es ist nicht schwierig, den urzeitlich anmutenden Tieren auf geführten Wanderungen zu begegnen. Oft liegen die größten Echsen der Welt bloß regungslos da. Dass ein Waran sich in Bewegung setzt und sein Maul aufreißt, ist eher selten. Die Besucher sind begeistert – nachdem der erste Schock verflogen ist.
Die Komodo-Warane sind längst nicht die einzige Sehenswürdigkeit in dem Nationalpark, der neben Komodo selbst noch mehrere andere Inseln umfasst. Urlauber erkunden den Park am besten auf einem mehrtägigen Bootsausflug, statt nur einmal schnell für eine Stunde die Warane zu besuchen. Wer allein für die Echsen kommt, verpasst etwas: weiße Strände, artenreiche Korallenriffe – und echte Giganten unter Wasser.
Die Bootstouren in den KomodoNationalpark starten in Labuan Bajo auf Flores, eine Flugstunde von Bali entfernt. Am Wasser gibt es abends einen Fischmarkt, wo je nach Wunsch zum Beispiel Oktopusse und Papageienfische auf Straßengrills zubereitet werden. Labuan Bajo ist mit dem Fremdenverkehr gewachsen, neue Hotels entstehen. Den Charme eines überschaubaren Fischerortes sucht man vergebens. Der schick ausgeleuchtete Starbucks greift im Design die Muster der regionalen Tenun-Webkunst auf, könnte so aber auch in Singapur oder Hongkong stehen.
Auf einer dreitägigen Bootsreise laufen die Schiffe bis zu zehn Orte im Nationalpark an. Erster Halt auf dieser Tour: Kanawa Island. Im Beiboot setzt die Gruppe zu der kleinen Insel über. Weißer Sand, türkis farbenes Wasser. Ein Pfad führt hinauf zur höchsten Stelle des Eilands. Von oben betrachtet sind die Farben des Wassers betörend. Was auffällt: Die Inseln im Komodo-Nationalpark sind in der Trockenzeit im Sommer extrem karg. Die Landschaft besteht mehr aus Savanne als aus der sonst üppigen Vegetation Südostasiens.
Nachmittags geht es tiefer hinein in den Nationalpark. Die Jungs von der Crew servieren Fisch. Zum Nachtisch gibt es frittierte Bananen. Danach entspannen die Urlauber auf dem Deck des Bootes. Das Meer schimmert im milchigen Licht der sinkenden Sonne. Die Crew wirft den Anker aus bei einem unscheinbaren Eiland unweit von Rinca, der zweiten großen Insel des Parks. Es ist fast dunkel, letztes Abendrot am Horizont – die Stunde der Flughunde schlägt. Hunderte Tiere steigen aus den Mangroven in die Höhe und flattern über das Schiff hinweg, um nachts auf Nahrungssuche zu gehen.
Wilde Inselwelt
Wer aus dem Nationalpark spektakuläre Fotos mitbringen möchte, muss am folgenden Morgen vor Sonnenaufgang aufstehen. Ein gutes Dutzend Ausflugsboote legt vor Padar Island an, mindestens 200 Touristen steigen hinauf zum höchsten Punkt. So überlaufen der Aussichtspunkt ist, so einsam und wild liegt die Inselwelt dar. Jeder genießt die knapp zwei Stunden auf der Insel auf seine Weise. Pärchen hocken sich abseits des Trubels ins Gras, InstagramQueens schießen Selfies. Auf Padar zeigt sich, dass die besonders schönen Orte der Erde schnell keine Geheimtipps mehr sind. Einmal entdeckt, gehen die Fotos sofort um die Welt. Die Insel antizyklisch anzusteuern, ist nur bedingt möglich: Jeder will zum Sonnenaufgang da sein.
Kurs auf Komodo. Vor dem Besuch der Warane steht noch der Pink Beach auf dem Programm. Vom Wasser aus fragt man sich, was es mit dem Namen auf sich hat. Doch je näher man kommt, umso mehr erschließt er sich. Durch Ablagerungen von Korallen hat der Sand tatsächlich eine rötlich-pinke Farbe.
Die Reisegruppe ist schon euphorisiert, bevor es zu den Waranen geht. Überfahrt mit dem Beiboot, Anmeldung im Ranger-Zentrum, eine Stunde dauert der Spaziergang mit Guide. Am Wasserloch hat die Gruppe Glück – und macht dem Waran aus dem Gebüsch ehrfürchtig Platz. Das Exemplar ist aber nicht angriffslustig. Komodo-Warane haben 54 verschiedene Bakterien im Maul, eines ist für die Beutetiere tödlich. Die Echsen jagen sogar Wildschweine und Hirsche, da hält man als Mensch besser genügend Abstand.
Komodo-Warane werden auch als „letzte Drachen der Erde“bezeichnet, was etwas in die Irre führt, weil die Fabelwesen ja immer nur in der Fantasie existierten. Tatsächlich erinnern die Warane an eine Kreuzung aus Würgeschlange und Krokodil.
Die Pläne, Komodo für ein Jahr zu schließen, waren laut örtlichen Medienberichten eine Reaktion auf den Diebstahl und Schmuggel von BabyWaranen aus dem Park. Außerdem sollte sich die Population auf Komodo erholen. Allerdings überdachte die Regierung die drastische Maßnahme schnell. Nun soll Komodo jüngsten Plänen zufolge zu einer Premium-Destination für reiche Touristen werden. Geplant ist eine Jahresgebühr von rund 900 Euro. Ob diese jedoch zum 1. Januar 2020 kommt, ist zumindest fraglich. Die Einheimischen sind jedenfalls dagegen, da sie um ihre Einnahmen fürchten.
Schwimmen mit Mantarochen
Das Highlight kommt zum Schluss – und es sind nach Ansicht vieler Reisender nicht die Warane. Das Boot steuert am späten Nachmittag den Manta Point an. Man befindet sich auf offener See, doch das Wasser ist so klar, dass man auf den Grund schauen kann. Die erfahrene Crew hält Ausschau. „Da!“, ruft einer. In einiger Entfernung sieht man eine große Flosse. Kurs nehmen, schnell ins Beiboot, die Schnorchelmasken aufziehen und hinein ins Meer. Der Kopf geht unter Wasser, und sogleich verschlägt es einem fast den Atem. Ein Mantarochen mit einer Spannweite von nahezu drei Metern gleitet wie ein dunkler Teppich wenige Meter unter dem eigenen Körper durch das Wasser. Der größte Vertreter seiner Art ist nicht allein. Noch mehr Mantas tauchen auf. Die Tiere schwimmen manchmal sogar gemütlich auf die Schnorchler zu und drehen erst kurz vorher ab. Eine Begegnung, die wohl niemand so schnell vergessen wird.