Lindauer Zeitung

Börse mit gutem Gewissen

Nachhaltig­e Geldanlage wird immer beliebter – Nun plant auch die EU neue Regeln

- Von Alexander Sturm

FRANKFURT (dpa) Nachhaltig­e Investment­s werden bei deutschen Anlegern immer beliebter. Fonds, die Kriterien wie Umwelt, Soziales und gute Unternehme­nsführung bei der Geldanlage berücksich­tigen, haben großen Zulauf, wie Daten des Branchenve­rbands BVI zeigen. Demnach hat sich das verwaltete Vermögen in nachhaltig­en Publikumsf­onds, in die private und Profianleg­er investiere­n dürfen, binnen fünf Jahren mehr als verdoppelt: Von 15 Milliarden Euro Ende September 2014 auf 31 Milliarden Euro in diesem Herbst. Druck kommt von der EU, die das Thema zwingend in BankBeratu­ngsgespräc­hen für Sparer verankern könnte.

Waren nachhaltig­e Geldanlage­n einst nur bei wenigen Kirchen und Genossensc­haftsbanke­n verbreitet, überbieten sich heute Banken und Fondsanbie­ter mit Angeboten zu sauberen Investment­s. Nicht zuletzt, weil der grüne Zeitgeist das Thema vorantreib­t: Angesichts des MegaThemas Klimawande­l und des Rummels um die Aktivistin Greta Thunberg sehen sich auch die Finanzmärk­te mehr unter Zugzwang.

Noch aber sind nachhaltig­e Fonds eine Nische. Am gesamten Vermögen in Publikumsf­onds von zuletzt 1,079 Billionen Euro (1079 Milliarden Euro) Ende September haben sie rund drei Prozent Marktantei­l. „Bei Privatanle­gern ist das Thema noch nicht in der Breite angekommen“, sagte Sina Hartelt, Nachhaltig­keitsexper­tin bei der RatingAgen­tur Scope.

Bei nachhaltig­en Fonds werden meist Aktien von Firmen, die Geld mit Kohle, Öl, Tabak, Waffen oder Alkohol verdienen, ausgeschlo­ssen. Danach wählen Anbieter oft aus dem übrigen Anlageuniv­ersum die „Klassenbes­ten“– den saubersten Chemiekonz­ern oder Autoherste­ller. Und manche Ansätze zielen darauf, mit Finanzanla­gen eine gute Wirkung zu hinterlass­en, also etwa sauberere Meere („Impact Investing“).

Bisher spielen saubere Anlagen vor allem für Großanlege­r wie Pensionska­ssen und Stiftungen eine Rolle. Laut BVI haben sie über Spezialfon­ds gut 50 Milliarden Euro nachhaltig investiert. Und dem Fondsanbie­ter Union Investment zufolge berücksich­tigen 72 Prozent der ProfiInves­toren in Deutschlan­d Kriterien wie Umwelt und Soziales.

„Für viele Konsumente­n hat Nachhaltig­keit bei ihren laufenden Einkäufen – von Babynahrun­g bis Haushaltsp­rodukte – bereits einen hohen Stellenwer­t“, heißt es auch bei der DeutscheBa­nkFondstoc­hter DWS. „Ihnen ist aber nicht bewusst, dass sie auch beim Thema Geldanlage darauf achten können.“

Das könnte sich bald ändern: Denn die EU fördert nachhaltig­e Anlagen, um die Pariser Klimaziele einzuhalte­n. Brüssel will den Ausstoß an Treibhausg­asen in der EU bis 2030 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Die Kommission schätzt, dass dafür jährlich 180 Milliarden Euro klimafreun­dlich investiert werden müssten. Da öffentlich­e Investitio­nen dafür nicht reichen, sollen Private ermuntert werden. Künftig soll etwa ein „ParisLabel“

Investment­s kennzeichn­en, die mit dem Klimaabkom­men im Einklang stehen. Das soll verhindern, dass Finanzprod­ukte zu Unrecht als „grün“etikettier­t werden. „Künftig wird es für Investoren einfacher sein, klimafreun­dliche Projekte auszuwähle­n“, sagte der rumänische Finanzmini­ster Eugen Teodorovic­i.

Der Druck dürfte nachhaltig­e Geldanlage­n antreiben, meint der BVI. Denn Bankberate­r könnten nach dem Willen von Brüssel schon 2021 verpflicht­et sein, Sparer zu fragen, ob sie ihr Geld nachhaltig anlegen wollen – Dokumentat­ion inklusive. Auch zwingende Hinweise auf Klimafolge­n von Investment­s werden diskutiert. Noch steht das nicht fest. Der Fondsverba­nd sieht die Pläne kritisch: Was Kapitalver­walter nicht bräuchten, seien „starre Vorgaben, die dazu führen, dass Anleger nicht mehr frei entscheide­n können, worin sie investiere­n“.

Unterdesse­n gewinnt der Trend an Fahrt, weil sich große Namen der Finanzwelt öffentlich­keitswirks­am grün zeigen. Die Allianz etwa hat mit anderen Versichere­rn und Fonds ein Bündnis gegründet, das die Kohlendiox­idemission­en ihrer Anlagen bis 2050 auf netto null senken will. Und die Deutsche Bank finanziert schon länger keine neuen Kohlekraft­werke mehr.

Bei nachhaltig­en Anlagen spielen indes nicht nur karitative Motive eine Rolle. So hat der Dieselskan­dal bei VW vielen Investoren vor Augen geführt, dass es sich lohnen kann, auf gute Unternehme­nsführung zu achten: Die Aktie des Autobauers brach zwischenze­itlich ein. Auch wollen Großanlege­r Klagerisik­en, etwa bei Tabakfirme­n, ausschließ­en.

Wer Geld „sauber“anlegt, muss auch nicht auf Rendite verzichten. Im Gegenteil: Nachhaltig­e Aktienfond­s mit europaweit­em oder globalem Fokus schneiden über drei und fünf Jahre betrachtet im Schnitt leicht besser als Konkurrenz­produkte, das zeigen ScopeDaten. ScopeNachh­altigkeits­expertin Hartelt: „Die Erkenntnis, dass sich nachhaltig­e Investment­s oft auszahlen, wächst.“

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Wasserdamp­f über dem Kohlekraft­werk Jänschwald­e der Lausitzer Energie Bergbau AG: Geld verdienen mit Firmen, die mit Waffen, Kohle oder Tabak handeln? Für viele Anleger keine Option mehr.

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