Wo Vampire die Wände hochgehen
Nahe des Grenzübergangs steht ein Haus der etwas anderen Art
LINDAU Gekracht hat es noch nicht, aber das ein oder andere abrupte Bremsmanöver gibt es in der Bregenzerstraße jetzt häufiger. Die düsteren vampirartigen Gestalten, Echsen und Schlangen, die an den Wänden emporklettern, lenken immer wieder Autofahrer ab. Die Künstlerin Bettina Hummitzsch hat dafür gesorgt, dass das Haus, das kurz vor dem ehemaligen Grenzübergang steht, aus dem Rahmen fällt.
Ein Auge quillt hervor. Während der Rest des VampirGesichtes blass ist, leuchtet es gelb und rot dem Betrachter entgegen. Vampire mit spitzen Ohren und mageren Körpern klettern an Ranken die blaugraue Hauswand hinauf. Es sieht aus, als wollten sie ins Fenster einstiegen. Umringt werden sie von Fledermäusen, Schlangen, Skorpionen und Krähen. Über das Geschehen wachen am Hauptgiebel drei große Engelsgestalten: in der Mitte thront ein Mann mit schwarzen Flügeln und Teufelshörnern, eingerahmt von einer Frau mit langen blonden Haaren und einem weiteren beflügelten Mann.
„Das sind die Hausbewohner“, verrät Bettina Hummitzsch lachend, die sich hier ein Atelier eingerichtet hat. Sie teilt sich die Räume mit Matthias Bucher, einem Feinwerkmechaniker. Zuvor habe das Haus einfach „fade“ausgeschaut, fanden sie. Da ihr Freund, dem das Haus gehört, einen Faible für düstere Musik und Fantasy habe, entstand die Idee, es entsprechend zu gestalten. Die ungewohnte Vorgabe für die Künstlerin: „Es durfte halt nicht zu hübsch sein“, sagt sie. In ihrer Skizze entschied sich Bettina Humitzsch daher für eine Fassade, die sie „zwischen gruselig und witzig“einordnet. Doch bevor sie zum Pinsel griff, holte sie sich das Okay vom Bauamt. „Vorsichtshalber.“
Die Motive hat Hummitzsch frei erfunden. Da sie als Theatermalerin große Formate gewöhnt ist, hat sie die FantasyGestalten frei Hand gezeichnet. Anregungen holte sie sich auch im Internet. „Da habe ich mir gruselige Tiere angeschaut“, sagt die Künstlerin aus Dresden, die seit acht Jahren als freischaffende Künstlerin in Lindau lebt, meist Porträts malt, aber auch immer wieder Bühnenbilder für Ballettmärchen oder die Lindauer Marionettenoper fertigt. Wenn sie es hochrechnet, hat sie rund einen Monat Arbeit in die Fassade gesteckt. Hier schlängelt sich ein kleines Reptil durchs Gestrüpp, auf der anderen Wand hockt ein Greifvogel auf einem Ast – die vielen Details kosten Zeit.
Die ungewöhnliche Fassade kommt an. Auch bei Kindern und älteren Menschen. „Die Leute zeigen überraschend viel Verständnis“, freut sich Hummitzsch. Auch Beamte der Grenzpolizei hätten sie schon angeschaut. Nur ein Mann habe sie bisher beschimpft, weil er sich über den Teufel an der Wand geärgert hatte. Die Künstlerin nimmt's gelassen. Sie sieht in der höllischen Fassadengestaltung „einen humoristischen Gegensatz zur etwas verstaubten und wenig progressiven Stadt Lindau“. Das VampirHaus hebe sich auch zu dem Neubaugebiet im HoeckleAreal „protesthaft ab“.
Angst müsse niemand vor den Gestalten haben, die sie per Pinselstrich zum Leben erweckt hat. „Die tun alle nur böse“, beteuert Hummitzsch lachend. Auch wenn sie hin und wieder Autofahrer ablenken.
Bettina Hummitzsch
„Das sind die Hausbewohner“