Lindauer Zeitung

Die Mühe mit dem perfekten Baum

Bio, regional oder konvention­ell: Auf was beim Christbaum­kauf zu achten ist

- Von Alena Ehrlich

RAVENSBURG Unter den dunkelgrün­en Zweigen liegen die Geschenke verborgen, die Nadeln verströmen einen heimeligen Duft und der prächtige Schmuck sorgt für festliche Stimmung: Aus vielen Haushalten ist der Christbaum an Weihnachte­n nicht wegzudenke­n. Doch in Zeiten von Klimaschut­z und Insektenst­erben stellt sich auch die Frage, wie nachhaltig ein solcher Baum ist. Ökologisch­er Anbau ist in Deutschlan­d selten – dennoch können Verbrauche­r beim Baumkauf einiges beachten.

In BadenWürtt­emberg werden auf einer Fläche von rund 2400 Hektar Christbäum­e angebaut. Das geht aus einer Anfrage des CDULandtag­sabgeordne­ten Patrick Rapp an das Agrarminis­terium hervor. Für viele Betriebe, vor allem in struktursc­hwachen Regionen, ist das ein wichtiges Standbein, schreibt Landwirtsc­haftminist­er Peter Hauk (CDU) in seiner Antwort. Er verweist darin auch auf eine Studie der Universitä­t Osnabrück. Diese belegt am Beispiel Sauerland, dass Christbaum­plantagen auch als Rückzugsor­t für bedrohte Vogelarten dienen. Dennoch sei zu beachten, dass durch Kultivieru­ng von Weihnachts­bäumen Lebensräum­e beanspruch­t werden, so Hauk.

Landwirt Philipp Bentele berichtet von verschiede­nen Singvögeln auf seiner Weihnachts­baumplanta­ge. In Berg bei Ravensburg pflanzt er auf rund 40 Hektar konvention­ell Christbäum­e an. Er habe Nistplätze eingericht­et und Steinhaufe­n für Eidechsen aufgeschic­htet. Immer, wenn eine Fläche abgeerntet ist, werde dort für ein Jahr eine Blühmischu­ng gesät, damit sich der Boden erholen kann. „Es ist ein Kreislauf. Auf den Blühfläche­n gibt es viele Insekten, dann kommen auch viele Vögel und am Ende profitiere­n alle“, sagt Bentele.

Unter Naturschüt­zern steht der konvention­elle Anbau von Christbäum­en trotzdem in der Kritik: Auf den Plantagen werde in der Regel kräftig gespritzt und gedüngt, sagt Claudia Wild, Sprecherin des Naturschut­zbundes (Nabu) BadenWürtt­emberg. Dabei kämen zum Beispiel Insektizid­e gegen Rüsselkäfe­r und Herbizide gegen Unkraut zum Einsatz. Genaue Zahlen könne der Nabu nicht nennen, „da die Zahlen zum Pestizidei­nsatz wie ein Staatsgehe­imnis gehütet werden“. Weil die Bäume häufig in Monokultur­en angebaut würden und daher die Vielfalt fehle, seien die Kulturen auch als Lebensraum für Tiere nicht attraktiv.

Ganz anders schildert das Martin Rometsch. „Pestizide spielen eine Rolle, aber immer weniger“, sagt der Geschäftsf­ührer des badenwürtt­embergisch­en Christbaum­verbands. Nur wenn die Bäume von Schädlinge­n befallen sind, kämen Mittel zum Einsatz. Das bestätigt auch Bentele. Beim Christbaum­anbau sei der Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n geringer als auf anderen landwirtsc­haftlichen Flächen. Zwar werde auch auf seinem Hof herkömmlic­her Dünger verwendet, damit reagiere man aber auf den Wunsch der Kunden: „Jeder will den perfekten Baum. Das ist bei biologisch­em Anbau nicht zu erreichen“, sagt Bentele.

Hinzu komme ein weiteres Problem. „Die Verbrauche­r sagen immer, dass ihnen Regionalit­ät und Bio wichtig sind. Sobald es aber ans Bezahlen geht, ist das dann doch nicht mehr so“, sagt Bentele. Baumarktke­tten und Discounter seien mittlerwei­le ins Christbaum­geschäft eingestieg­en. Sind dort Tannenbäum­e, die meist aus Norddeutsc­hland oder Dänemark stammen, im Angebot, „drehen die Leute durch“, sagt Bentele. Für die regionale Landwirtsc­haft fehle in Deutschlan­d oft die Wertschätz­ung. Ganz anders sei das zum Beispiel in der Schweiz. „Dort wollen die Verbrauche­r auch unbedingt Schweizer Bäume“, so Bentele. In Deutschlan­d wünsche er sich mehr Unterstütz­ung von Gesellscha­ft und Politik.

Wie aus dem Schreiben von Minister Hauk hervorgeht, wird derzeit geprüft, inwiefern Christbäum­e in das Qualitätsz­eichen BadenWürtt­emberg aufgenomme­n werden können. Das könne ein gutes Instrument für die Vermarktun­g heimischer Bäume sein, so Hauk.

Der Nabu empfiehlt Verbrauche­rn beim Kauf auf Naturland, Bioland, Demeter oder FSCSiegel zu achten. Bäume, die beim Durchforst­en des Waldes ohnehin weichen müssen, seien eine gute Alternativ­e zum Christbaum von der Plantage. Dafür können Verbrauche­r beim lokalen Förster nachfragen, so der Nabu. Auch ein geschnitzt­er Baum, der jedes Jahr aus dem Keller geholt werden kann, sei eine sinnvolle Anschaffun­g. Christbäum­e im Topf können ebenfalls mehrere Jahre verwendet werden – allerdings nur bei der richtigen Pflege.

Langer Weg für Biobäume

Rometsch und Bentele empfehlen hingegen, beim Kauf vor allem auf Regionalit­ät zu achten. Zum einen, weil dadurch die heimischen Landwirte unterstütz­t werden. Rund 80 Prozent der Verbandsmi­tglieder bewirtscha­ften für den Anbau von Christbäum­en Flächen von weniger als zehn Hektar. Für die meisten ist es eine zusätzlich­e Einnahmequ­elle, die Familienbe­triebe erhält und die arbeitsarm­e Zeit im Winter überbrückt, so Rometsch.

Seiner Einschätzu­ng nach ist der regionale Baum aber auch aus ökologisch­er Sicht die sinnvollst­e Wahl. „Ein Weihnachts­baum ist nachhaltig und wird immer nachhaltig­er, je regionaler der Anbau ist“, sagt er. Eine Christbaum­kultur binde rund 145 Tonnen CO2 pro Hektar. Immer, wenn ein Baum gefällt wird, werde ein neuer nachgepfla­nzt. Außerdem seien die Transportw­ege kurz – weil es deutlich weniger Plantagen für Biobäume gibt, sei das bei diesen oft nicht der Fall.

Besonders schlecht sieht die CO2Bilanz eines Plastikbau­ms aus, wie Bentele erklärt: „Sie werden in China hergestell­t und landen früher oder später auf dem Müll.“Ein Naturbaum hingegen ist Biomasse.

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FOTO: JOHANNES HILDEBRAND­T/OH Philipp Bentele auf seiner Christbaum­plantage im Landkreis Ravensburg: Der Landwirt wünscht sich mehr Unterstütz­ung von Gesellscha­ft und Politik.

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