Mallorca will Autos und Strohhalme verbannen
Baleareninsel soll CO2neutral und plastikfrei werden – Der Klimawandel ist hier besonders spürbar
MADRID „Seit Jahrzehnten befinden wir uns im Krieg gegen den Planeten“, sagte UNGeneralsekretär António Guterres auf dem noch bis zum 13. Dezember dauernden Klimagipfel in der spanischen Hauptstadt Madrid. „Der Krieg gegen die Natur muss aufhören.“
Diese Botschaft versucht man in Europas berühmtester Urlaubsoase, der Mittelmeerinsel Mallorca, schon zu beherzigen. Mallorca ist, zusammen mit den kleineren Nachbarinseln Ibiza, Menorca und Formentera, Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel. Und auch im Bemühen, die wachsende Müll und Plastikflut, welche das Meer und die Inselstrände verseucht, zu bremsen.
Gerade erst wurde in der Inselhauptstadt Palma de Mallorca Spaniens größte Stromtankstelle in Betrieb genommen. An der ETankstelle im Norden der Stadt können zehn Autos gleichzeitig ihre Batterien aufladen. Weitere Stationen werden folgen. Schon bis zum kommenden Frühjahr soll inselweit alle 20 Kilometer eine Ladestation stehen, kündigten die Inselpolitiker an – in den nächsten Jahren wolle man ein Netz aus 1000 Stromstationen haben. Diese EOffensive ist der vorerst letzte Schritt der Umweltwende, mit der sich Mallorca gegen den Ökokollaps stemmt.
Denn auch auf der Badeinsel ist die Klimakrise längst angekommen, sagte Juan Pedro Yllanes, der balearische Minister für die Energiewende, auf dem UNGipfel in Madrid. Die Balearen seien durch ihre Lage mitten im Mittelmeer ein empfindliches Territorium und befinden sich in besonders großer Gefahr, warnte Yllanes. Die regionale MittelinksRegierung rief deswegen Anfang November formell den „Klimanotstand“aus.
Immer heftigere Unwetter treffen Mallorca. Vor einem Jahr starben 13 Menschen nach einem noch nie gesehenen Jahrhundertregen, der in dem mallorquinischen Ort Sant Llorenç eine verheerende Schlammlawine auslöste. Auch in den vergangenen Monaten kam es auf der Insel immer wieder zu Überschwemmungen nach Starkregen.
Die Klimaforscher wiesen inzwischen nach, dass der durch Treibhausgase provozierte Temperaturanstieg im Mittelmeerraum deutlich schneller abläuft als andernorts. Und sie prophezeien, dass sich auf Mallorca zunehmend das extreme nordafrikanische Wüstenklima breitmachen wird.
Wenn das Tempo des Klimawandels nicht endlich gebremst werde, so die Vorhersage der Wissenschaftler, könne der Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts um bis zu zwei Meter höher liegen. Das wäre das Ende für viele Traumstrände, Mallorcas wichtigstes touristisches Kapital.
Deswegen beschloss die Inselregierung schon Anfang des Jahres ein radikales Klimaschutzgesetz, mit dem sich Mallorca an die Spitze Europas setzt. Danach sollen von 2025 an keine neuen Dieselautos auf den Inseln mehr zugelassen werden. Auch Touristen können dann nicht mehr mit Dieselfahrzeugen einreisen. Zehn Jahre später, von 2035 an, soll ein ähnliches Verbot für Benzinfahrzeuge gelten.
Autovermieter müssen ihre riesige Wagenflotte aus rund 100 000 Mietautos bis 2035 komplett auf Elektrofahrzeuge umstellen. Zudem soll das einzige Kohlekraftwerk auf Mallorca schließen. „Wir wollen Inseln, die nicht die Umwelt verschmutzen“, erklärte Francina Armengol, die balearische Regierungschefin. Spätestens 2050 sollen die Inseln komplett abgasfrei sein.
Zeitgleich brachte die Balearenregierung ein Antimüllgesetz auf den Weg, mit dem vom Jahr 2021 an Tüten, Plastikgeschirr und andere Plastikartikel, die nicht aus kompostierbaren Materialien bestehen, verbannt werden. Das Verbot trifft sogar die beliebten Kaffeekapseln, soweit sie nicht recycelt werden oder biologisch abbaubar sind. „Wir produzieren immer mehr unnötigen Abfall“, heißt es im balearischen Umweltministerium. Damit müsse Schluss sein.
Tourismusbranche steuert um
Die Tourismusbranche zieht bei Mallorcas Ökowende mit. Die Verantwortlichen wissen, dass sie am eigenen Ast sägen, wenn sie keine nachhaltigen Urlaubsangebote schaffen: Die FutourisStiftung, bei der Fluggesellschaften, Reiseanbieter und Hotelkonzerne mitmachen, räumt ein, dass die Branche bisher einer der großen Plastikmüllproduzenten auf Mallorca war. Einwegverpackungen, Plastikflaschen, Strohhalme oder kleine Portionspackungen am Frühstücksbuffet sollen nun abgeschafft werden. Die Branche verspricht, im Kampf für eine saubere Zukunft mit der Inselregierung an einem Strang zu ziehen und wirbt für einen „plastikfreien Urlaub auf den Balearen“.