Satellitenbauer unter Druck
Die AirbusNiederlassung am Bodensee braucht im kommenden Jahr neue Aufträge
IMMENSTAAD Auch die Nachricht aus den fernen Vereinigten Staaten hat Dietmar Pilz, den Leiter des AirbusStandortes Friedrichshafen in Immenstaad, nur kurz entspannt. Dort gab die amerikanische Weltraumagentur Nasa am Donnerstagabend bekannt, dass der unbemannte Raumfrachter Dragon des privaten Raumfahrtunternehmens Space X planmäßig in Cape Canaveral abgehoben habe. Pilz und seine Ingenieure hatten den Start genau verfolgt, denn mit an Bord war ein Instrument, das maßgeblich in den Laboren von Airbus Defence & Space in Immenstaad entstanden ist: die zweite Version des knuffigen KIRoboters Cimon. Der Astronautenassistent fliegt zurzeit zur internationalen Raumstation ISS, um die Besatzung bei ihren Forschungen unterstützen. „Ja, unser Cimon ist unterwegs“, sagte Pilz stolz und erleichtert.
Mit Blick auf die nächste Zeit ist bei Pilz nach Boomjahren mit vollen Hallen und Laboren allerdings nicht Erleichterung, sondern eher Anspannung anzumerken. „Wir müssen im Raumfahrtbereich neue Aufträge gewinnen“, erklärte Pilz im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel gebaut und sind auch noch ausgelastet haben aber zuletzt nur wenige neue große Aufträge reinbekommen.“Hoffnung machen Pilz die Ergebnisse der Ministerratskonferenz „Space19+„: Im spanischen Sevilla hatten die 22 Mitgliedsländer der Europäischen Weltraumorganisation ESA eine überraschend hohe Anhebung des Budgets für die kommenden drei Jahre auf 14,4 Milliarden Euro beschlossen. Es ist eine Rekordsumme, zu der Deutschland allein 3,3 Milliarden Euro beisteuert. „Das ist ein Zeichen, dass es die europäische Raumfahrt neben China und den USA auch noch gibt“, erläuterte Pilz. „Das tolle Ergebnis verdeutlicht die wichtige Rolle der Raumfahrt in Deutschland und Europa.“
Es ist aber auch ein Ergebnis, das für die Ingenieure in Immenstaad viel Arbeit mit sich bringt: Denn sie müssen sich nun an den entsprechenden ESAAusschreibungen beteiligen, sie für Airbus gewinnen – und so möglichst viel Arbeit an den Bodensee holen. Nach Angaben von Pilz strebt Airbus eine Beteiligung an fünf von sechs neuen ESAProjekten im Erdbeobachtungsprogramm Copernicus an. Außerdem rechnet sich der Konzern Chancen aus bei der ESAAusschreibung von vier GalileoSatelliten der neuesten Generation. Bislang hatte die Instrumente fast ausschließlich der AirbusRivale
OHB gefertigt. „Nun will man aber die Leistung der Geräte in bestimmten Richtungen bündeln, um eine höhere Genauigkeit zu erreichen“, erläutert Pilz. „Da sind wir mit unserer Technologie führend.“Der Standortchef rechnet mit einem möglichen Auftragsvolumen von zwei bis 2,5 Milliarden Euro, wenn sich Airbus in den Ausschreibungen durchsetzt. „Ein erheblicher Teil – mindestens eine Milliarde Euro – wird dann auch hier am Bodensee hängen bleiben“, sagt Pilz.
Gewinnt Airbus die Aufträge, könnte sich die Erfolgsgeschichte des Luft und Raumfahrtkonzerns am Bodensee fortsetzen. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen seinen Umsatz in Immenstaad immer weiter gesteigert – nach Branchenschätzungen von zuletzt rund 810 Millionen Euro im Jahr 2017 auf 850 Millionen Euro im Jahr 2018. Genaue Umsatz und Gewinnzahlen für den Standort gibt Airbus nicht heraus, allerdings arbeiten die Ingenieure von Airbus am Bodensee nach Angaben von Pilz profitabel. Insgesamt kam die Luft und Raumfahrtssparte von Airbus im Jahr 2018 auf einen Umsatz von 11,063 Milliarden Euro (plus vier Prozent). Der operative Gewinn belief sich auf 935 Millionen Euro (plus 15 Prozent).
Neben den aktuellen Ausschreibungen blickt Pilz in den kommenden Monaten genau auf ein weiteres ESAProjekt: Die AthenaAusschreibung könnte 2020 in die nächste Phase aufrücken. Wird diese Mission realisiert, will die europäische Weltraumagentur ein fast 14 Meter hohes Röntgenteleskop bauen, das noch nie erforschte Tiefen des Weltalls durchleuchten soll. Bislang gibt es in ganz Europa nur einen Reinraum, in dem solch ein großes Instrument entstehen könnte: im sogenannten 45 Millionen Euro teuren Integrated Technology Centre (ITC), das Airbus im vergangenen Februar in Immenstaad eröffnet hat.
In der Verteidigungssparte, für die rund 35 Prozent der insgesamt 2250 AirbusMitarbeiter in Immenstaad arbeiten, sorgt sich Pilz vor allem wegen zwei Aufträgen. Das Projekt Pegasus, in dem Airbus eine strategische Aufklärungsdrohne entwickeln und die eigentlich 2027 ausgeliefert werden soll, stockt. Eigentlich waren die Verantwortlichen davon ausgegangen, dass die Finanzierung für das Jahr 2020 bestätigt wird. Doch noch immer ist nichts entschieden. „Wird das nicht finanziert, sind wichtig HightechJobs am See in Gefahr“, sagt Pilz. In der Planungsphase sei das zwar nur eine Anzahl nur 30 bis 50 Jobs. „Wird die Drohne am Ende aber gebaut, können wir die Zahl der Beschäftigten vervielfachen.“Zudem ist weiter unklar, wie es mit dem Auftrag einer Grenzsicherungsanlage für SaudiArabien weitergeht, die Airbus für Riad entwickeln und aufbauen sollte und für die die Ausfuhrgenehmigung im Zuge der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Ahmad Khashoggi zurückgenommen wurde.
Diese Unwägbarkeiten sind auch der Grund, warum sich Airbus in Immenstaad zurzeit bei der Einstellung von neuen Mitarbeitern zurückhält. „Es wird sich nächstes Jahr zeigen, wie wir reagieren werden“, erläutert Pilz. „Wir warten darauf, dass neue Aufträge kommen, dann stellen wir auch wieder ein.“
Hoffnungen machen Pilz dabei aber die Erfolge der Vergangenheit und dazu gehört das CimonProjekt. Die zweite Version des balllförmigen, freifliegenden, mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Roboters, der gerade mit Space X durchs All fliegt, soll am Sonntag auf der ISS ankommen. Der Prototyp Cimon 1 war im August nach 14 Monaten auf der ISS wieder auf der Erde gelandet. In der Raumstation hatte der Roboter den deutschen Astronauten Alexander Gerst bei einfachen Experimenten unterstützt – und unterhalten. Unter anderem, in dem er dem damaligen Kommandanten der ISS dessen Lieblingsmusik vorgespielte.