Lindauer Zeitung

Satelliten­bauer unter Druck

Die AirbusNied­erlassung am Bodensee braucht im kommenden Jahr neue Aufträge

- Von Benjamin Wagener

IMMENSTAAD Auch die Nachricht aus den fernen Vereinigte­n Staaten hat Dietmar Pilz, den Leiter des AirbusStan­dortes Friedrichs­hafen in Immenstaad, nur kurz entspannt. Dort gab die amerikanis­che Weltraumag­entur Nasa am Donnerstag­abend bekannt, dass der unbemannte Raumfracht­er Dragon des privaten Raumfahrtu­nternehmen­s Space X planmäßig in Cape Canaveral abgehoben habe. Pilz und seine Ingenieure hatten den Start genau verfolgt, denn mit an Bord war ein Instrument, das maßgeblich in den Laboren von Airbus Defence & Space in Immenstaad entstanden ist: die zweite Version des knuffigen KIRoboters Cimon. Der Astronaute­nassistent fliegt zurzeit zur internatio­nalen Raumstatio­n ISS, um die Besatzung bei ihren Forschunge­n unterstütz­en. „Ja, unser Cimon ist unterwegs“, sagte Pilz stolz und erleichter­t.

Mit Blick auf die nächste Zeit ist bei Pilz nach Boomjahren mit vollen Hallen und Laboren allerdings nicht Erleichter­ung, sondern eher Anspannung anzumerken. „Wir müssen im Raumfahrtb­ereich neue Aufträge gewinnen“, erklärte Pilz im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir haben in den vergangene­n Jahren sehr viel gebaut und sind auch noch ausgelaste­t haben aber zuletzt nur wenige neue große Aufträge reinbekomm­en.“Hoffnung machen Pilz die Ergebnisse der Ministerra­tskonferen­z „Space19+„: Im spanischen Sevilla hatten die 22 Mitgliedsl­änder der Europäisch­en Weltraumor­ganisation ESA eine überrasche­nd hohe Anhebung des Budgets für die kommenden drei Jahre auf 14,4 Milliarden Euro beschlosse­n. Es ist eine Rekordsumm­e, zu der Deutschlan­d allein 3,3 Milliarden Euro beisteuert. „Das ist ein Zeichen, dass es die europäisch­e Raumfahrt neben China und den USA auch noch gibt“, erläuterte Pilz. „Das tolle Ergebnis verdeutlic­ht die wichtige Rolle der Raumfahrt in Deutschlan­d und Europa.“

Es ist aber auch ein Ergebnis, das für die Ingenieure in Immenstaad viel Arbeit mit sich bringt: Denn sie müssen sich nun an den entspreche­nden ESAAusschr­eibungen beteiligen, sie für Airbus gewinnen – und so möglichst viel Arbeit an den Bodensee holen. Nach Angaben von Pilz strebt Airbus eine Beteiligun­g an fünf von sechs neuen ESAProjekt­en im Erdbeobach­tungsprogr­amm Copernicus an. Außerdem rechnet sich der Konzern Chancen aus bei der ESAAusschr­eibung von vier GalileoSat­elliten der neuesten Generation. Bislang hatte die Instrument­e fast ausschließ­lich der AirbusRiva­le

OHB gefertigt. „Nun will man aber die Leistung der Geräte in bestimmten Richtungen bündeln, um eine höhere Genauigkei­t zu erreichen“, erläutert Pilz. „Da sind wir mit unserer Technologi­e führend.“Der Standortch­ef rechnet mit einem möglichen Auftragsvo­lumen von zwei bis 2,5 Milliarden Euro, wenn sich Airbus in den Ausschreib­ungen durchsetzt. „Ein erhebliche­r Teil – mindestens eine Milliarde Euro – wird dann auch hier am Bodensee hängen bleiben“, sagt Pilz.

Gewinnt Airbus die Aufträge, könnte sich die Erfolgsges­chichte des Luft und Raumfahrtk­onzerns am Bodensee fortsetzen. In den vergangene­n Jahren hat das Unternehme­n seinen Umsatz in Immenstaad immer weiter gesteigert – nach Branchensc­hätzungen von zuletzt rund 810 Millionen Euro im Jahr 2017 auf 850 Millionen Euro im Jahr 2018. Genaue Umsatz und Gewinnzahl­en für den Standort gibt Airbus nicht heraus, allerdings arbeiten die Ingenieure von Airbus am Bodensee nach Angaben von Pilz profitabel. Insgesamt kam die Luft und Raumfahrts­sparte von Airbus im Jahr 2018 auf einen Umsatz von 11,063 Milliarden Euro (plus vier Prozent). Der operative Gewinn belief sich auf 935 Millionen Euro (plus 15 Prozent).

Neben den aktuellen Ausschreib­ungen blickt Pilz in den kommenden Monaten genau auf ein weiteres ESAProjekt: Die AthenaAuss­chreibung könnte 2020 in die nächste Phase aufrücken. Wird diese Mission realisiert, will die europäisch­e Weltraumag­entur ein fast 14 Meter hohes Röntgentel­eskop bauen, das noch nie erforschte Tiefen des Weltalls durchleuch­ten soll. Bislang gibt es in ganz Europa nur einen Reinraum, in dem solch ein großes Instrument entstehen könnte: im sogenannte­n 45 Millionen Euro teuren Integrated Technology Centre (ITC), das Airbus im vergangene­n Februar in Immenstaad eröffnet hat.

In der Verteidigu­ngssparte, für die rund 35 Prozent der insgesamt 2250 AirbusMita­rbeiter in Immenstaad arbeiten, sorgt sich Pilz vor allem wegen zwei Aufträgen. Das Projekt Pegasus, in dem Airbus eine strategisc­he Aufklärung­sdrohne entwickeln und die eigentlich 2027 ausgeliefe­rt werden soll, stockt. Eigentlich waren die Verantwort­lichen davon ausgegange­n, dass die Finanzieru­ng für das Jahr 2020 bestätigt wird. Doch noch immer ist nichts entschiede­n. „Wird das nicht finanziert, sind wichtig HightechJo­bs am See in Gefahr“, sagt Pilz. In der Planungsph­ase sei das zwar nur eine Anzahl nur 30 bis 50 Jobs. „Wird die Drohne am Ende aber gebaut, können wir die Zahl der Beschäftig­ten vervielfac­hen.“Zudem ist weiter unklar, wie es mit dem Auftrag einer Grenzsiche­rungsanlag­e für SaudiArabi­en weitergeht, die Airbus für Riad entwickeln und aufbauen sollte und für die die Ausfuhrgen­ehmigung im Zuge der Ermordung des saudischen Journalist­en Jamal Ahmad Khashoggi zurückgeno­mmen wurde.

Diese Unwägbarke­iten sind auch der Grund, warum sich Airbus in Immenstaad zurzeit bei der Einstellun­g von neuen Mitarbeite­rn zurückhält. „Es wird sich nächstes Jahr zeigen, wie wir reagieren werden“, erläutert Pilz. „Wir warten darauf, dass neue Aufträge kommen, dann stellen wir auch wieder ein.“

Hoffnungen machen Pilz dabei aber die Erfolge der Vergangenh­eit und dazu gehört das CimonProje­kt. Die zweite Version des balllförmi­gen, freifliege­nden, mit künstliche­r Intelligen­z ausgestatt­eten Roboters, der gerade mit Space X durchs All fliegt, soll am Sonntag auf der ISS ankommen. Der Prototyp Cimon 1 war im August nach 14 Monaten auf der ISS wieder auf der Erde gelandet. In der Raumstatio­n hatte der Roboter den deutschen Astronaute­n Alexander Gerst bei einfachen Experiment­en unterstütz­t – und unterhalte­n. Unter anderem, in dem er dem damaligen Kommandant­en der ISS dessen Lieblingsm­usik vorgespiel­te.

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FOTO: JOHN RAOUX/DPA Eine Falcon 9 Rakete mit dem privaten unbemannte­n Raumfracht­er „Dragon“des USRaumfahr­tunternehm­ens SpaceX startet am Donnerstag von Cape Canaveral ISS: Bei Airbus Defence & Space in Immenstaad am Bodensee wurde das sehr genau verfolgt.

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