Auf der Spur des Weihrauchs
Das duftende Harz, das hierzulande so viel mit Advent und Weihnachten zu tun hat, gehört im Oman zum Alltag
SALALAH (dpa) Die Adventszeit riecht nach Zimt, Glühwein – und Weihrauch. Die Heiligen Drei Könige brachten dem Christuskind das wohlriechende Harz aus dem Morgenland mit, vermutlich aus dem Oman.
Ahmed al Awaid braucht nicht viel Kraft. Sein Erntemesser ist so scharf, dass sich die Rinde des knorrigen Weihrauchbaums sofort öffnet. Feingefühl ist wichtig. „Wenn ich zu tief schneide, wächst die Borke nicht mehr nach und der Baum trocknet aus“, erklärt der Omaner. Weißer, milchiger Harz quillt aus dem Stamm. Er ist wertlos und wird nach einigen Tagen einfach wieder abgeschabt. Nach einer Woche wird der Baum nochmals an derselben Stelle angeschnitten. Doch erst beim dritten Mal „blutet“der Baum endlich das wertvolle Olibanum aus: das helle Weihrauchharz. Weihrauch, das reichten die Heiligen Drei Könige neben Myrrhe und Gold dem Jesuskind. Viele denken beim Geruch des Rauchs an Gottesdienst und Weihnachten.
Ein gesunder, ausgewachsener Weihrauchbaum, wie er sich hier im Süden Omans findet, liefert etwa acht Kilo pro Saison. Nach drei Jahren wird dem Baum meist eine mehrjährige Erholungspause gegönnt. Vier Qualitätsstufen gibt es, die sich farblich klar unterscheiden. Von Dunkelbraun über Bernsteinfarben und einem gelblichen Weiß bis zu einem fast transparenten Grün. „Je heller das Harz, desto reiner und damit wertvoller ist der Weihrauch“, erklärt Ahmed. Er wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht. Es ist heiß, und die nicht gerade buschigen Weihrauchbäume spenden kaum Schatten.
Zwischen März und April beginnt die Weihrauchernte, die sich über mehrere Monate hinzieht. Der meiste Weihrauch wird heute in Somalia, Eritrea und Äthiopien produziert. „Doch hier im Wadi Dawkah befinden wir uns in der Wiege, in der Heimat des Weihrauchbaums“, sagt der Omaner stolz. Die Unesco erklärte das trockene Tal in der Provinz Dhofar im Süden des Landes im Jahr 2000 zusammen mit anderen Stätten an der sagenumwobenen Weihrauchstraße zum Weltkulturerbe.
Weihrauch gegen Gold
Ahmed al Awaid verwaltet den WeihrauchbaumNationalpark, 40 Kilometer nördlich von Salalah, Provinzhauptstadt und Badeort für Urlauber. In dem ehemaligen Flussbett wachsen mehr als 5000 teils einzigartige Exemplare der Boswellia Sacras, der Arabischen Weihrauchbäume. Aus ihnen wird auch der omanische Royal alHojari gewonnen, der als reinster und teuerster Weihrauch der Welt gilt. Er schimmert grünlich und macht gerade einmal fünf Prozent der gesamten Ernte aus. „Meine Kunden kommen aus dem ganzen Oman und auch aus den Nachbarländern, um bei mir Royal alHojari zu kaufen“, sagt der Händler Ahmed Taha. Bis zu 80 omanische Rial, umgerechnet 190 Euro, könne er für den grünen Weihrauch pro Kilo nehmen.
Der Geschäftsmann sitzt zufrieden hinter seinem Verkaufsstand auf dem WeihrauchBasar von Salalah und erzählt von den Vorzügen des Harzes, das in der Antike gegen Gold aufgewogen worden sei. Der schwere, süßliche Duft in seinem Laden ist betörend. Dennoch holt Ahmed hinter seinem Ladentisch einen weiteren qualmenden ÖfchenStänder hervor, um noch mehr Weihrauch zu verbrennen. Vielleicht gehört es zur Verkaufsstrategie, den Kunden mit dem Duft zu benebeln?
Auch vor den anderen Läden des WeihrauchSouks steigen Rauchschwaden auf. Frauen in schwarzen Gewändern bieten Räuchermischungen aus Myrrhe, Sandelholz und natürlich Weihrauch an. Der Basar befindet sich in unmittelbarer Umgebung des Sultanspalasts und des WeihrauchMuseums. Gleich dahinter am ewig langen Sandstrand liegen die Ruinen von AlBaleed, dem antiken Weihrauchhafen von Salalah, von dem schon Marco Polo schwärmte.
Weihrauch, sagt Ahmed Taha, rieche nicht nur angenehm, sondern sei auch beruhigend, reinigend und rege den Geist an. Ein Weihrauchverbrenner dürfe in keinem omanischen Haushalt fehlen. Zimmer und Kleidung werden mit Weihrauch parfümiert und Trinkwasser aromatisiert. Die ätherischen Dämpfe seien desinfizierend und linderten Atemprobleme, Magen und Darmbeschwerden. „Einige benutzen es sogar als Kaugummi für die Zahnreinigung“, sagt Ahmed und steckt sich als Beweis einen dicken Klumpen Weihrauch in den Mund. Den gewöhnungsbedürftigen Geschmack ist er längst gewohnt.
Schon die alten Griechen, ägyptischen Pharaonen und römischen Kaiser wussten um die Vorzüge des duftenden Harzes aus dem südlichen Oman. Tutanchamun ließ sich im ägyptischen Tal der Könige mit
Weihrauch bestatten, ergaben Harzreste im Grab. Kaiser Nero und König Salomo liebten den Duft. So entwickelte sich die Region Dhofar bereits in der Antike zur Wiege des Weihrauchs. In den Tempeln Roms, Babylons, Persiens und Ägyptens brachte man den Göttern Weihrauchopfer dar. Als „Tränen Allahs“und „Tränen der Götter“wurde es bezeichnet. Im Neuen Testament heißt es im MatthäusEvangelium über die Ankunft der Heiligen Drei König in Bethlehem: „Und sie sahen das Kindlein, warfen sich nieder, huldigten ihm, taten ihre Schätze auf und brachten ihm Gold und Weihrauch und Myrrhe.“Seitdem gehört der Duft von Weihrauch zu Adventszeit und Weihnachten.
An der Weihrauchstraße
Lange wusste man nicht, woher der Weihrauch kam. Das „Morgenland“, aus dem die Weisen kamen, war ziemlich unkonkret. Heute ist die Herkunft bekannt. Schon 2000 Jahre vor der Geburt Christi brachten Kamelkarawanen das „weiße Gold“aus der südarabischen Region Dhofar über die legendäre Weihrauchstraße. Über Jemen und Saudi Arabien führte die Handelsroute entlang des Roten Meeres vorbei an Mekka hinauf ins jordanische Petra, nach Damaskus, ins Heilige Land und ins ägyptische Alexandria. Seine Blütezeit erlebte der Weihrauchhandel zwischen dem 5. Jahrhundert v. Chr. und dem 1. Jahrhundert n. Chr. – also lange, bevor die Christen das Harz für ihre Liturgie benutzten.
„Der Weihrauch machte die Region reich. So hielt man den Ursprung auch lange geheim, die Handelswege wurden gut überwacht“, erklärt Ahmed al Awaid. Von hier aus wurde der Weihrauch zunächst ins nahe Ubar gebracht, eine antike Karawanenstadt und Startpunkt der Weihrauchstraße. Karawanen mit bis zu 2000 Kamelen sollen hier mit Gewürzen, Edelsteinen und Weihrauch aufgebrochen sein. Erst 1992 fanden amerikanische Archäologen per Satellitenaufnahmen am Ortsrand des heutigen Shisr das im Wüstensand vergrabene Handelszentrum. Die Reste eines Wehrturms und die Grundmauern alter Steinhäuser, mehr ist nicht erhalten. Der Ausflug lohnt sich trotzdem. Ab hier taucht man nämlich in die Rub alKhali ein, ins Leere Viertel – die größte zusammenhängende Sandwüste der Erde.
Neben Ubar war vor allem das historische Sumhuram Ausgangspunkt der Weihrauchstraße. Die große Festung der Küstenstadt mit dem Weihrauchhafen von Kor Rori wurde 2014 restauriert und zeugt von der einstigen Bedeutung des Weihrauchhandels. Sumhuram war ein wichtiger Hafen auf der Handelsroute von Indien und China zum Mittelmeer. Ganz in der Nähe befindet sich auch das sehenswerte Fort von Taqah und das Küstendorf Mirbat, ebenfalls ein wichtiger Handelsknotenpunkt auf der ehemaligen Weihrauchstraße. Heute ist der Ort bekannt für seine Fischspezialitäten und das schneeweiße Mausoleum des Propheten Mohammed Bin Ali alAlawi.
Auch heute noch gehört der Weihrauchhandel neben dem Tourismus zum größten Wirtschaftsfaktor der DhofarRegion. Hier werden jährlich 7000 Tonnen produziert und in alle Welt verkauft. Wobei die meisten Touristen natürlich wegen der Sandstrände am türkisblauen Arabischen Meer und der schroffen Gebirgslandschaft kommen.