Was in die moderne Hausapotheke gehört
Studien zeigen: Für Wehwehchen braucht man nicht immer Medikamente – Mittel aus der Naturheilkunde helfen auch gegen Alltagsbeschwerden
DVon Jörg Zittlau
as Fieber schießt über Nacht in die Höhe, nach der Party schmerzt der Kopf, der Sohn hat eine Schürfwunde am Knie und die Tochter kommt krächzend mit Halsweh und Schnupfen nach Hause. So sehen sie aus, die klassischen Fälle für die Hausapotheke. Doch wie sollte diese ausgerüstet sein? Dass Fieberthermometer, Wundpflaster, Desinfektionsmittel und Verbandsmaterial nicht fehlen sollten, ist klar. Doch welche Medikamente sollte sie – laut aktuellem wissenschaftlichen Stand – enthalten, und was gilt es bei deren Anwendung zu beachten? Ein Überblick.
Mit AntiSchnupfenKombis und CystusTee gegen Erkältung
Viele Experten empfehlen bei Erkältungen, dass man jedes Symptom einzeln behandeln sollte. Also die verstopfte Nase mit Nasenspray, die Kopf und Gliederschmerzen mit einem Schmerzmittel und den Husten mit einem Hustensaft. Doch Ludger Klimek vom Wiesbadener Zentrum für Rhinologie und Allergologie plädiert für in Apotheken angebotene KombiPräparate. Denn ursächlich könne man den Schnupfen, der ja durch unterschiedlichste Viren ausgelöst wird, ohnehin nicht therapieren. „Also geht es bei ihm im Wesentlichen darum, kurzfristig eine symptomlindernde, also abschwellende und entzündungshemmende Wirkung zu erzielen“, so der HNOMediziner. Und da könne man mit sinnvollen Wirkstoffkombinationen schon einiges erreichen. Eine Studie der CochraneCollaboration, ein internationales Netzwerk unabhängiger Wissenschaftler, bestätigte kürzlich die Wirkung der AntiSchnupfenKombis.
Andererseits linderte Buchweizenhonig in einer Studie der USamerikanischen Pennsylvania State University den Erkältungshusten besser als ein StandardHustensaft mit Dextromethorphan. Und wer ihn zum Süßen von CystusTee nimmt, kann seine eigene AntiSchnupfenKombi entwickeln. Denn der griechische Tee ergänzt den hustenstillenden Honig, indem er den Fortpflanzungseifer der Schnupfenviren dämpft. Die Anwendung: Einen gestrichenen Esslöffel des Krauts mit kochendem Wasser überbrühen, fünf Minuten ziehen lassen, abseihen, danach mit zwei Teelöffeln Honig süßen. Mindestens drei Tassen pro Tag. Mittlerweile gibt es Cystus aber auch schon in Form von Lutschpastillen.
Mit Darmmuskellähmung gegen Durchfall
Standardmittel gegen Durchfall ist Loperamid, es hemmt zuverlässig die Aktivität der Darmmuskulatur. Nicht umsonst steht es seit 2013 auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ein Forscherteam um Dennis Anheyer vom UniKlinikum Essen fand aber auch solide Wirkungsnachweise für Blutwurz, Kamille, Pfefferminze und Fenchelsamen, und zwar gerade bei Kindern. Die Zubereitung erfolgt als Aufguss, ein gestrichener Esslöffel pro Tasse. Blutwurz verdankt ihre Wirksamkeit den Gerbstoffen, weswegen sie mindestens zehn Minuten ziehen sollte. Bei den übrigen Heilpflanzen reichen fünf Minuten. Allerdings sollten sie in einer geschlossenen Tasse oder Kanne ziehen, damit ihre ätherischen Öle nicht so leicht verdampfen können. Ab einer Dauer von 48 Stunden sollten Durchfälle aber vom Arzt beobachtet werden; unabhängig davon, wie man sie per Hausapotheke behandelt hat.
Mädesüß dämpft Sodbrennen
Klassische Mittel gegen Sodbrennen sind die Magensäureblocker, die es – in reduzierter Dosis – auch rezeptfrei in den Apotheken gibt. In Langzeitbehandlung können sie freilich die Verdauung beeinträchtigen und eventuell zu Allergien führen. „Doch wenn man sie bei periodischem Sodbrennen nach Bedarf einsetzt und dann wieder absetzt, wenn das Sodbrennen verschwunden ist, geht man kein Risiko ein“, betont Stefan Christl vom Asklepios Klinikum Harburg in Hamburg. Als Alternative gebe es aber auch noch die sogenannten Antazida. „Sie sind basisch und puffern dadurch die Magensäure“, so der Gastroenterologe.
Die Heilpflanzenkunde empfiehlt bei Sodbrennen schon länger das Mädesüß. Eine Studie der Universität Belgrad bestätigt nun, dass die Tannine und Flavonoide der Pflanze einen Schutz der Magenschleimhaut aufbauen. Die Anwendung erfolgt als Tee: einen Esslöffel Mädesüßblüten aus der Apotheke mit einer Tasse kochendem Wasser übergießen. Zehn Minuten zugedeckt ziehen lassen, danach abseihen. Drei Tassen pro Tag, jeweils zu den Mahlzeiten.
Salben gegen Prellungen, Zerrungen und Gelenkschmerz
Wenn es im Knie zwickt oder der Fuß gestaucht wurde, kommt traditionell eine Salbe, ein Gel oder Ähnliches auf die schmerzende Stelle. Manche brennen, manche kühlen, von anderen merkt man gar nichts. Ein skandinavischenglisches Forscherteam hat jüngst die wissenschaftlichen Daten dazu ausgewertet. Demnach dämpfen Diclofenacund Ketoprofenhaltige Gels den Schmerz immerhin etwas besser als ein wirkstofffreies Placebo. Doch Studienleiterin Sheena Derry von der Universität Oxford betont auch: „Selbst die effektivsten Zubereitungen können wirkungslos verpuffen.“
In einer Studie der Essener Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin bewährten sich die guten alten Kraut beziehungsweise Kohlwickel in der Behandlung von Knieschmerzen. Und bei Sportverletzungen wie Prellungen, Verstauchungen und Zerrungen besteht die zuverlässigste Behandlung ohnehin darin, dass man sie direkt für mindestens 15, besser 20 Minuten lang kühlt. Entsprechende Kompressen oder Pads gibt es in Apotheken und Drogerien, aber ein paar Eiswürfel im Handtuch tun es auch.
Pfefferminzöl vertreibt den Kopfschmerz
Die klassischen Selbstmedikationsmittel bei spontanen Spannungskopfschmerzen sind ASS, Ibuprofen und Paracetamol. Ihre Wirkung wird laut Tim Jürgens von der Deutschen Migräne und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) noch stärker, wenn man sie mit Koffein kombiniert. Ihre Nebenwirkungen verstärken sich dadurch allerdings auch. Weswegen der Rostocker Neurologe betont: „Ebenfalls gut wirksam, aber ohne Gefahr von Nebenwirkungen durch zu häufigen Schmerzmittelgebrauch ist die örtliche Anwendung von Pfefferminzöl auf den Schläfen und dem Nacken.“Die ätherischen Öle der traditionsreichen Pflanze hemmen die Schmerzübertragung aus der Haut zum Gehirn.
Doch was hilft gegen den berüchtigten Brummschädel nach einem Abend mit zu viel Wein oder Bier? Ein Team um Edzard Ernst von der Universität Exeter untersuchte die wissenschaftliche Datenlage dazu – und konnte nur für Borretschöl, GammaLinolensäure, Hefeextrakt und das Schmerzmittel Tolfenamin einen Effekt finden. Aber auch bei ihnen findet Ernst die Datenlage „wenig überzeugend“, insofern sie nur bei sehr wenigen Probanden ausgetestet wurden. „Doch vielleicht ist es ja auch gut, wenn der Kater auf kaum eine Therapie reagiert“, meint Ernst. „Denn er macht schließlich fühlbar, wie ungesund Alkohol sein kann.“
Kortisoncreme und OolongTee lindern den Juckreiz
Cremes mit Hydrokortison hemmen zuverlässig Hautirritationen und den oft damit einhergehenden Juckreiz, wie er etwa bei Insektenstichen und Ekzemen auftritt. Sie eignen sich aber nicht für die Langzeitanwendung von mehr als zwei Wochen und auch nicht für größere Hautareale, die ohnehin besser vom Arzt untersucht werden sollten.
Eine interessante wie kulinarisch attraktive Alternative dazu ist der OolongTee aus Taiwan. An der Universitätshautklinik im japanischen Otsu ließ man DermatitisPatienten täglich einen Liter des halbfermentierten Tees trinken, verteilt auf vier Portionen. Bei 63 Prozent der Probanden gingen das Jucken und die Hautirritationen zügig zurück. Vermutlich hatten die Gerbstoffe des Tees die Entzündungsreaktionen gedämpft. Man erhält Oolong mittlerweile auch hierzulande in Apotheken und Teefachgeschäften.