Jamie Oliver kocht Gemüse für Fleischliebhaber
M itten im Zeitalter des Klimabewusstseins reißt Jamie Oliver – der auch als 44Jähriger kaum etwas von seiner Lausbubenhaftigkeit eingebüßt hat – die Klappe mächtig weit auf. Zumindest vermittelt sein neues Buch „Veggies: Einfach Gemüse, einfach lecker“diesen Eindruck. Denn das Werk, 312 Seiten lang und 116 Rezepte schwer, sei ein Gemüsekochbuch für Fleischesser, verkündet der Brite. Der Ansatz ist also nicht, das zarte Mairübchen möglichst achtsam zu garen und sich am, freundlich gesagt, zurückhaltenden Geschmacksbild zu erfreuen. Nein, Oliver behandelt sein vegetarisches Rohmaterial oftmals wie Hackfleisch: er brät es, röstet es, vermengt es mit Pasten, grillt, backt oder frittiert wild um sich. Damit macht er das Wichtigste zur Förderung einer gemüselastigeren Ernährung richtig: Er präsentiert Vegetarisches nicht als eine Form des
Verzichts, sondern als für sich selbst stehende Idee, die die Frage nach dem Fleisch gar nicht erst aufwirft. Jamie Oliver bleibt auch in diesem Buch seinem grundsätzlichen Ansatz treu, aus dem Kochen keine Wissenschaft zu machen. Sondern eine Alltagsfertigkeit, die niemanden überfordert. Insofern ist „Veggies“ein Kochbuch für Menschen auch ohne Vorkenntnisse. Dafür sorgen die sehr gut strukturierten Anleitungen. Um ordentlich Geschmack ans Gemüse zu kriegen, greift er zum Beispiel auf Currys zurück – in der englischen Tradition verfügen diese Gerichte über eine Weltoffenheit, die selbst unscheinbares Gemüse zu aromatischem Leuchten bringt. Schönes Beispiel dafür ist das in der Tat leicht nachzukochende BlumenkohlTikkaMasala in cremiger JoghurtCashewSafranSoße. Auch in der Abteilung Hamburger stellt der Brite unter Beweis, dass die Alternative zu Rindfleisch weit mehr sein kann als ein Gemüsebratling – etwa wenn er aus schwarzen Bohnen und Pilzen eine überaus geschmacksintensive Einlage zwischen den Brothälften kreiert.
Jamie Oliver scheut sich nicht, mit Käse und Eiern aromatische Substanz auf den Teller zu bringen. Und erzeugt damit viel von dem berühmten Umami – also die Geschmacksrichtung des Herzhaften, für die gerade das Fleisch so geliebt wird.
Das Buch ist übersichtlich in die Rubriken „Currys & Geschmortes“, „Pies, Aufläufe & Co.“, „Suppen & Sandwiches“, „Aus dem Ofen“, „Reis & Nudeln“, „Salate“, „Burger, Puffer & Co.“, „Brunch“, „Kleine Snacks“sowie „One Pan Wonders“eingeteilt. Letzteres steht dafür, dass alles in einem Topf oder einer Pfanne zubereitet wird, was entsprechend unkompliziert ist. Dafür steht beispielhaft Olivers „Schlampige Auberginenlasagne“. Darin spielen zwei Käsesorten die geschmacklichen Hauptrollen, alle Komponenten kommen nach und nach dazu – abgestimmt auf ihre Garzeit – das Ergebnis hat eine Wucht, durch die erst gar keine Sehnsucht nach Hack aufkommt.
So funktioniert Olivers Vegetarismus im Prinzip in allen Rubriken. Bebildert ist das Buch eher spartanisch, was wohl den Charakter des Alltagstauglichen verstärken soll. Meist nur das fertige Gericht auf der immer gleichen Arbeitsfläche. Nichts lenkt also vom Essen ab. Ein Anhang mit „Tipps & Tricks“erklärt kurz und knapp Grundsätzliches. Damit ist „Veggies“erfreulich uneitel. Ein Buch, das geschrieben wurde, um auch wirklich Seite für Seite nachgekocht werden zu können.