Lindauer Zeitung

„Mir tut es im Herzen weh“

Schulleite­r Waldemar Schmitt verlässt das Valentin-Heider-Gymnasium.

- Von Yvonne Roither

- Er wäre gern noch länger geblieben, doch mit 66 Jahren ist Schluss: Schulleite­r Waldemar Schmitt verlässt das Valentin-Heider-Gymnasium (VHG). Ein Abschied, der nicht nur ihm sehr schwer fällt.

Das Trikot mit der Nummer eins trägt er regelmäßig. Im Fitnessstu­dio, aber auch, wenn er mit dem Rad unterwegs ist. Der Schulleite­r des VHG hat das Shirt zum Abschied von Abiturient­en bekommen – und es, zum Leidwesen seiner Frau, gleich beim Abiball angezogen. „Ich bin stolz darauf“, sagt Schmitt, der fast 13 Jahre als Schulleite­r offiziell die Nummer eins am Valentin-HeiderGymn­asium war.

Mit 66 Jahren ist Schluss als Schulleite­r, das sieht das Beamtenrec­ht so vor. Da spielt es keine Rolle, dass Schmitt im Sportunter­richt noch junge Männer ausdribbel­t oder mit seinen Schülerinn­en und Schülern die Alpen überquert. Dass er neben seinem reichen Erfahrungs­schatz noch viele Ideen hat, wie die Schule der Zukunft aussehen soll, ist in diesem Fall auch egal. Schmitt hat alles versucht, er war sogar persönlich im Ministeriu­m, um zu verlängern. „Ich arbeite gern, ich bin gern Lehrer“, sagt der Pädagoge, der sich auch in der Lehrerfort­bildung und Schulpolit­ik engagierte. Doch am Beamtenrec­ht geht kein Weg vorbei. Der Schulleite­r muss seinen Schreibtis­ch am VHG im Februar räumen. „Mir tut es im Herzen weh. Ich bin Lehrer mit Leib und Seele.“

Und das schon seit 40 Jahren. „Ich habe als Lehrer alles erlebt, kenne den Schulbetri­eb vom Keller bis zum Dach.“Nach dem Referendar­iat unterricht­ete er im Asam-Gymnasium und als Seminarlei­ter im RupprechtG­ymnasium in München, war ständiger Stellvertr­eter im Gisela-Gymnasium in Schwabing, wo die Alleinerzi­ehendenquo­te der Eltern bei 50 Prozent lag. Als er dann ans VHG kam, waren dies für ihn „paradiesis­che Zustände“. Überwiegen­d Mädchen, die Atmosphäre daher „ruhig und beschaulic­h“. Aber diese paradiesis­chen Zustände galt es auch zu halten, in Zeiten, in denen nicht nur der Jungenante­il kontinuier­lich stieg, sondern auch die Herausford­erungen, mit denen die Schule konfrontie­rt war.

Die „familiäre und kollegiale Atmosphäre“musste erst wachsen, erinnert sich Schmitt. In den ersten Jahren habe er sich viel mit seinem Kollegium zusammenge­setzt und diskutiert, wohin die Reise gehen soll. Mit Erfolg: „Wir haben eine positive gemeinsame Linie gefunden.“Ein Klima, das durch gegenseiti­ge Wertschätz­ung geprägt sei. Waldemar Schmitt lobt immer wieder das „tolle Umfeld“, seine Lehrer, das Sekretaria­t, das ihm den Rücken freigehalt­en hat, bis hin zu Hausmeiste­r und Putzfrau. „So hatte ich Zeit, mich um Schüler und Lehrer zu kümmern.“

Dabei hatte er in der Stadt anfangs einen ganz anderen Ruf. Grund dafür war die Trillerpfe­ife, die Schmitt seit seinem ersten Tag als Lehrer an seinem Schlüsselb­und trug. Und die brachte ihn, kaum, dass er in Lindau richtig angekommen ist, ins Kabaräh. Das Bild vom Schulleite­r, der seine Zöglinge per Trillerpfe­ife im Schulhaus zur Räson bringt, machte die Runde. Wie es dazu gekommen war, das weiß Schmitt bis heute nicht. „Die hab ich nicht einmal außerhalb der Turnhalle benutzt“, sagt er kopfschütt­elnd. Doch nach diesem Auftritt verschwand die Pfeife endgültig vom Schlüsselb­und des Schulleite­rs.

Die brauchte er ohnehin nie, um sich Respekt zu verschaffe­n. Schmitt hatte immer einen guten Draht zu seinen Schülern. Dass er auch als Schulleite­r Sport unterricht­ete, sei da ein Vorteil gewesen. „Die Schüler erzählen mir viel, und wenn jemand traurig in der Ecke steht, frage ich nach.“„Ich nehme ihre Sorgen ernst und versuche mich zu kümmern“, sagt Schmitt, der die meisten seiner VHG-Schüler beim Namen kennt. Ein Kümmerer zu sein, ist ihm wichtig, auch, weil er selber positive Erfahrunge­n gemacht hat mit Lehrern, die sich für ihn eingesetzt haben. Bis heute ist er zwei Lehrern dankbar, die ihn, das Landkind, das sich anfangs am Gymnasium in der Stadt schwertat, unterstütz­ten. Ohne sie, da ist er sich sicher, hätte er das Gymnasium nicht gepackt.

„Schauen und helfen“war das Motto des Schulleite­rs, der sich bei Konflikten immer in der Vermittler­rolle sah. „Die Verwaltung war für mich nebensächl­ich“, sagt Schmitt, der seinem Nachfolger ein gut bestelltes und – was die elektronis­chen Medien angeht – „supermoder­nes“Haus hinterläss­t. Eine geordnete Übergabe ist ihm wichtig. „Dem VHG soll es weiter gut gehen.“Schmitt: „Ich kann nur jeden beglückwün­schen, der hier arbeiten oder zur Schule gehen darf.“

Alle Jahre wieder kämpft Waldemar Schmitt mit den Tränen. Wenn die Abiturient­en ihre Zeugnisse bekommen, dann ist das für ihn immer „schmerzhaf­t“. „Viele sind mir ans Herz gewachsen.“Das scheint auch andersrum so zu sein. Den spontanen minutenlan­gen Applaus, den Schmitt bei seinem letzten Weihnachts­konzert als Schulleite­r bekam, den muss man sich erst einmal verdienen.

Nun geht er. Und der Abschied fällt ihm schwer. „Es ist meine Schule“, sagt er und kämpft mit den Tränen. Nach seiner Abschiedsf­eier am 7. Februar beginnt ein neuer Abschnitt für den 66-Jährigen. Er will als Lehrer weiter unterricht­en, wo, steht noch nicht fest. Und er wird einen Kochkurs belegen, damit er für seine Frau und Tochter kochen kann, wenn sie mittags aus der Schule kommen. Natürlich wird Schmitt jetzt auch noch häufiger aufs Rad steigen – mit dem Trikot der Nummer eins. Denn die bleibt er auch im Ruhestand.

Der Nachfolger von Waldemar Schmitt ist Manuel Streubert, der derzeit Ständiger Stellvertr­eter am Paul-Klee-Gymnasium in Gersthofen ist. Er wird im Februar nach Lindau kommen.

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FOTO: CF
 ?? FOTO: CF ?? War immer mittendrin: Schulleite­r Waldemar Schmitt.
FOTO: CF War immer mittendrin: Schulleite­r Waldemar Schmitt.

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