Wie weit deutsche Spione gehen dürfen
Legitime Terrorabwehr oder Einschränkung der Pressefreiheit? Worum es bei der Verfassungsklage gegen das BND-Gesetz geht
(dpa) - Brisante Informationen sammeln, Verschlüsselungen knacken, Verdächtige observieren: Die meisten Menschen können sich nur vage vorstellen, wie ein Geheimdienst eigentlich arbeitet. Den Gedanken, womöglich selbst ins Visier zu geraten, finden viele erschreckend. Seit Dienstag verhandelt das Bundesverfassungsgericht über eine Klage beunruhigter Journalisten.
Worum geht es in der Klage?
Mit den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden im NSASkandal gerät nach 2013 auch der Bundesnachrichtendienst (BND) in die Kritik. Der deutsche Auslandsgeheimdienst soll an der beispiellosen globalen Massenüberwachung seinen Anteil gehabt haben. Als Reaktion regelt die Politik zum ersten Mal detailliert, was der BND bei der sogenannten strategischen Fernmeldeaufklärung im Ausland zu tun und zu lassen hat. Anfang 2017 tritt das reformierte BND-Gesetz mit den Vorschriften in Kraft.
Warum soll das BND-Gesetz problematisch sein?
Im Grunde ist das Gesetz eine Verbesserung zum vorherigen Status. Aber Kritiker halten die vorgesehenen Beschränkungen und Kontrollen für unzureichend. So schützt das Gesetz zwar alle Deutschen und bis zu einem gewissen Grad auch alle EU-Bürger vor Ausspähung. Für die Menschen in anderen Ländern gelten diese Vorgaben aber nicht. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat deswegen die Verfassungsbeschwerde angestoßen. Das BND-Gesetz bestimmt, dass Kommunikation von Deutschen, die versehentlich mit abgefangen wird, sofort gelöscht werden muss. Laut GFF gibt es gar nicht die technischen Möglichkeiten, um das sicherzustellen. Das grundgesetzlich geschützte Fernmeldegeheimnis werde so mit Füßen getreten. Das könne jeden treffen. Besonders deutlich werde das Problem bei einer Berufsgruppe: Journalisten.
Warum sehen sich Journalisten besonders betroffen?
Sie sind bei der Berichterstattung über Auslandsthemen oft auf die Zuarbeit lokaler Kollegen angewiesen. In jüngster Zeit arbeiten Redaktionen auch öfter bei internationalen Recherchen mit ausländischen Partnermedien zusammen. Was die Kläger befürchten: Die Angst, überwacht zu werden, könne Informanten davon abhalten, ihr Wissen über Missstände Journalisten anzuvertrauen.
Was sagen der BND und die Bundesregierung dazu?
„Wir sind der Auslandsnachrichtendienst, also müssen wir auch im Ausland Nachrichten beschaffen können“, sagt BND-Präsident Bruno Kahl. Und er versichert: Dabei würden die Grundrechte der Deutschen und auch von Ausländern ausreichend geschützt. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) verweist auf die Terrorgefahr. Die Bundesregierung müsse wissen, wo sich deutsche Gefährder im Ausland aufhalten oder wie sich der „Islamische Staat“(IS) entwickelt. Der BND brauche „flexible Arbeitsmöglichkeiten, die aber natürlich umfassend kontrolliert werden“, sagt Braun.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Richter des Ersten Senats sind mit kritischen Fragen in die Verhandlung gestartet – und haben noch viele weitere: Wie filtert der BND mit Suchbegriffen die Datenströme? Welche Informationen werden an ausländische Geheimdienste weitergegeben? Die Verhandlung soll am Mittwoch fortgesetzt werden. In den Wochen danach beraten die Richter im Geheimen und arbeiten ihr Urteil aus.