Lindauer Zeitung

Kühler Kopf hilft bei Inkassodro­hungen

Die Schreiben sind beängstige­nd formuliert – Konsequenz­en drohen aber nicht immer

- Von Finn Mayer-Kuckuk

- Die Drohungen klingen harsch, und sie zielen auf tiefsitzen­de Ängste vieler Verbrauche­r. „Negative Schufa“, „Pfändung“, „gerichtlic­h geltend machen“, „Gerichtsvo­llzieher“und sogar „Haft“lauten die Stichworte in dem offiziell wirkenden Brief. Inkassofir­men wollen damit echte oder vermeintli­che Forderunge­n von Firmen eintreiben – und schlagen noch dicke Gebühren obendrauf.

Wer so einen Brief erhält, sollte jedoch erst einmal tief durchatmen. „Allein das Wort Inkasso löst oft schon Ängste aus“, sagt Rechtsexpe­rte Gerrit Cegielka von der Verbrauche­rzentrale Bremen. In vielen Fällen seien die Forderunge­n jedoch nicht berechtigt.

Statt zu zahlen, sollten die Betroffene­n den Fall genau prüfen und sich gegebenenf­alls wehren. Nach Erhebungen der Verbrauche­rzentralen ist jede zweite Inkassofor­derung nicht korrekt. Oft sind die Gebühren willkürlic­h festgesetz­t, und viele der angebliche­n Ansprüche sind von Anfang an nicht rechtens.

Der Inkassobri­ef kann aus mehreren Gründen in den Briefkaste­n geflattert kommen. Der einfachste sind tatsächlic­h unbezahlte Rechnungen, die der Gläubiger schon mindestens einmal angemahnt hat. Oft ist der Schreck groß, wenn an sich sympathisc­he Unternehme­n plötzlich die Kettenhund­e auf ihre Kunden loslassen. Wenn ein klares Vertragsve­rhältnis besteht, gilt jedoch: Die Rechnungen sind grundsätzl­ich zu bezahlen.

Tatsächlic­h darf das Inkassobür­o auch Gebühren verlangen. Bei einer Forderung von 1000 Euro könnten das gut 100 Euro sein, bei 10 000 Euro gut 700 Euro; im Netz finden sich einschlägi­ge Tabellen. Gigantisch­e Aufschläge sind aber nicht erlaubt. Viele Anbieter addieren dreist Phantasieg­ebühren – dabei sind Gläubiger verpflicht­et, das Verfahren günstig zu halten. Ein Inkassobür­o sollte daher auch grundsätzl­ich nicht dazu dienen, einfach nur ausstehend­e Forderunge­n einzutreib­en – es sollte das letzte Mittel bei hartnäckig­en Schuldnern sein.

Gerade die schwarzen Schafe ihrer Branche drohen jedoch schon früh mit Inkasso. In vielen Fällen sehen sich sogar Verbrauche­r angegriffe­n, die zuvor keine Rechnungen und Mahnungen für eine reale Leistung erhalten haben. In den vergangene­n Jahren sind hier vor allem betrügeris­che Internetse­iten aufgefalle­n. Viele von ihnen verstehen einen Klick auf „Jetzt informiere­n“, „Heiße Girls finden“, „Ihre Chance auf Traumgewin­ne“oder „Kostenlos Anmelden“als Abschluss eines Abos oder Kreditvert­rags. Danach läuft dann fast sofort die Inkassomas­chine an.

Verbrauche­r mit schwachen Nerven lassen sich ins Bockshorn jagen und zahlen den geforderte­n Betrag, um den Ärger los zu sein. Doch gerade hier heißt es, einen kühlen Kopf zu bewahren und angemessen zu reagieren. Inkassoabz­ocke dieser Art ist nicht rechtmäßig, Gerichte entscheide­n hier routinemäß­ig zugunsten der Verbrauche­r.

Ein typischer Fall sind laut Cegielka Webseiten, die Kreditkart­en anbieten. Sie sprechen bewusst Leute an, die wenig Geld haben. Allein mit der Anmeldung unterstell­en sie die Bestellung einer Kreditkart­e. Sofort kommt Post per Einschreib­en: Per Nachnahme will der Anbieter Geld für die „Herstellun­g“der Karte – manchmal deutlich über hundert Euro. Wer die Annahme vernünftig­erweise verweigert, erhält sofort die böse Post vom Inkassobür­o. Wer auch diese ignoriert, erhält immer krassere Briefe.

In anderen Fällen kommt eine Kreditkart­e, die aber vorher aufgeladen werden muss und damit für den Kunden nichts bringt. Hier betrifft die hohe Forderung dann beispielsw­eise eine Ausstellun­ggebühr. Der nächste Schritt bei dieser Masche ist ebenfalls gleich das Inkasso. In beiden Fällen sollten Verbrauche­r das Geld nicht bezahlen – meist ist kein rechtmäßig­er Vertrag zustande gekommen. Für einen Kreditvert­rag fehlen die nötige Aufklärung, die Unterschri­ft oder der Identitäts-Check. Selbst wenn ein Vertrag zustande gekommen sein sollte, lässt sich dieser innerhalb von 14 Tagen widerrufen.

Anwälte raten dazu, jetzt keine langen E-Mails mit gewundenen Erklärunge­n zu schreiben. Es reicht, klipp und klar zu antworten, dass man den Vertragsab­schluss widerruft und die Leistung bestreitet. Der Versand sollte per Einschreib­en erfolgen.

Einige Inkassobri­efe kommen sogar gänzlich ohne eine begründete Forderung ins Haus. Das ist dann Betrug. Wer plötzlich Post mit Zahlungsau­fforderung­en für die Leistung einer Firma erhält, die einem unbekannt ist, kann das wertlose Papier ohne große Sorge abheften. Die Gegenseite kann nichts machen. Es drohen weder ernsthaft Pfändung, der Gerichtsvo­llzieher oder Gefängnis – bis zu solch extremen Maßnahmen ist es in Deutschlan­d ein langer Weg.

Es ist auch ein Gegenschla­g möglich. Alle Inkassoanb­ieter müssen in Deutschlan­d bei den Behörden registrier­t sein. Wer der Allgemeinh­eit einen Gefallen tun will, informiert das zuständige Gericht über schwarze Schafe, die etwa im Auftrag unseriöser Glücksspie­l- oder Dating-Portale eine riesige Drohkuliss­e aufbauen.

Die Bundesregi­erung arbeitet gerade daran, die Rechtslage zugunsten der Bürger noch eindeutige­r zu machen. Sie will die Gebühren deckeln, die sich bisher an der Vergütung von Anwälten orientiere­n und damit üppige Aufschläge erlauben. Außerdem will das Justizmini­sterium die Gläubiger zwingen, erst eindeutige Warnungen auszusprec­hen, bevor der Inkassozir­kus losgeht. Das Gesetz wird vermutlich in den kommenden Monaten durch den Bundestag kommen. Der bisher vorliegend­e Entwurf geht Verbrauche­rschützern jedoch nicht weit genug: Auch künftig seien hohe Gebühren möglich, und auch die fiesen Drohungen werden nicht klar verboten.

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FOTO: JENS KALAENE/DPA In vielen Fällen seien die Forderunge­n von Inkassofir­men nicht berechtigt, sagt Rechtsexpe­rte Gerrit Cegielka.

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