Haute Couture im Kraftwerk
Auf der Berliner Fashion Week geht der Trend Richtung pompös bis glamourös
- Die Luft ist warm im stillgelegten Heizkraftwerk in Mitte. Schließlich sollen sich die Models nicht erkälten, wenn sie in dem imposanten Industriebau aus Beton und Stahl die hauchdünnen Kleider wechseln. „Eine beeindruckende Location – richtig Berlin“, findet Lena Hoschek. Die bekannte österreichische Modedesignerin ist seit Jahren Stammgast auf der Mercedes Benz Fashion Week, die vor 13 Jahren im schnöden weißen Zelt am Brandenburger Tor Premiere hatte. „Durch die neue Location wird die Veranstaltung wieder auf ein ganz neues Niveau gehoben“, glaubt Hoschek. Im Kraftwerk fühle man sich auch nicht mehr so eingeengt.
Alleine der Laufsteg, auf dem bis Mittwochabend 30 Designer und Labels bei 15 Schauen ihre Herbst/Winter-Mode vorstellen, ist 45 Meter lang. Hoscheks Entwürfe der „Artisan Partisan Kollektion“, die Mittwochmittag auf dem Catwalk zu sehen sein werden, versprühen in dieser Saison viel Bohemian-Flair und Ethno-Schick. „Für mich ist es eine ganz besondere Kollektion, weil ich mich zum 15-jährigen Jubiläum meines Labels stark auf meine Wurzeln besinne“, erklärt die bekannte StarDesignerin, deren verspielte Looks wie gewohnt ausgesprochen weiblich und Figur umschmeichelnd ausfallen. „Der Bänderrock war das erste Kleidungsstück, das ich einst verkauft habe“, erzählt Hoschek. Auch in den neuen Entwürfen sollen ihre heiß geliebten Bänder deshalb eine große Rolle spielen.
Wer zu den Shows mit prominenten Gästen wie Franziska Knuppe will, braucht zwar wie immer eine extra Einladung. Doch auch Otto
Normal-Verbraucher hat nun die Möglichkeit, Fashion-Week-Flair zu schnuppern. Das Erdgeschoss des Kraftwerks ist kostenlos für jeden zugänglich. An der Bar kann man sich einen Drink bestellen und die Shows, die im Obergeschoss stattfinden, auf einer großen Leinwand verfolgen. Auch im Internet gibt es Livestreams.
Der Fotograf und Stylist Armin Morbach hat seine Bilder an die unverputzten Betonsäulen gehängt. Die südafrikanischen Designer, die am
Montagabend die Modewoche eröffneten, präsentieren ihre neuen Kreationen auf Kleiderpuppen. Die Kreationen von Rich Mnisi, der schon Beyoncé und Naomi Campbell einkleidete, spielen mit fließenden Geschlechtergrenzen und leuchtenden Mustern.
Nude-Welle ebbt ab
Auch Berliner Nachwuchsdesigner bekommen in dem Showroom an der Köpenicker Straße eine Präsentationsfläche. Die Rokoko-artigen Kleider
der schon etablierten Designerin Isabel Vollrath wirken in dem monumentalen Industrie-Flair schon fast wie künstlerische Skulpturen.
Die Nude-Welle, bei dem Seide und Chiffon mehr Nacktheit zeigen als verhüllen, ebbe langsam ab, sagt Danny Reinke. Der 27-jährige Designer mit Atelier auf der Insel Eiswerder in Spandau sieht nun die 1970erJahre kommen. Aber nicht den Hippie-Style, sondern Glitzer- und Glamour der damaligen Disco-Welt. „Mit opulenten Ärmeln und Rüschen wird die Mode wieder verspielter“, erklärt Reinke.
Der Fischersohn aus Mecklenburg-Vorpommern spielt seit Jahren erfolgreich mit den deutschen Spießigkeits-Klischees wie Socken in Sandalen. Der vermeintliche alte Pullunder wird bei seinem Label namens „German Nerdiness“zum High-Fashion-Teil, weil er ihm einen neuen Farb- und Muster-Mix verpasst, edle Stoffe verwendet und Proportionen verändert. In seiner Show am gestrigen Dienstag war unter anderem eine gehäkelte Jacke aus Schurwolle zu sehen. „Kombiniert mit Oversize-Hosen und einem knallgelben Fischledergürtel transportieren wir den Look in die Moderne“, sagt Reinke.