Lindauer Zeitung

Warnen reicht nicht

Pauschalur­lauber kann nach Sturz im Urlaub auf Entschädig­ung hoffen

- Von Anika von Greve-Dierfeld

(dpa) - Das Hotel auf Lanzarote sollte möglichst barrierefr­ei sein, denn der Pauschalur­lauber war wegen der Amputation seines linken Beines auf Prothese und Krücke angewiesen. Als der Bremer bei Regen zu Fuß eine nasse Rollstuhlr­ampe vor dem Eingang betrat, stürzte er. Nun kann er auf Entschädig­ung durch den Reiseveran­stalter hoffen.

Der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe hob ein anderslaut­endes Urteil des Oberlandes­gerichts (OLG) Celle auf. Die Richter in Niedersach­sen müssen den Fall neu verhandeln – und prüfen, ob das Hotel auf der spanischen Insel überhaupt die geltenden Standards für den Belag der Rampe eingehalte­n hatte. Ob Warnschild­er auf die Rutschgefa­hr hinwiesen oder nicht, sei dabei zweitrangi­g, so der BGH (Aktenzeich­en BGH – X ZR 110/18).

Das OLG war der Ansicht gewesen, dass der Mann vorsichtig­er hätte sein oder mindestens hätte beweisen müssen, dass es keine Warnschild­er gab. Zu kurz gegriffen, urteilten die BGH-Richter. Ein Warnschild warne ja lediglich vor Gefahren, die selbst dann noch bestehen, wenn Vorschrift­en eingehalte­n werden. Letzteres müsse zuerst geklärt werden.

Mit seiner Entscheidu­ng verweist der BGH erneut auf die Bedeutung der sogenannte­n Verkehrssi­cherungspf­lichten: Die geben dem Reiseveran­stalter etwa auf, seine Hotelanlag­en zu prüfen und alles zu tun, um seine Kunden vor Schaden zu bewahren. Anderersei­ts, so der Jurist und Reiseexper­te Paul Degott, könnten Veranstalt­er durch den Urteilsspr­uch

künftig entlastet werden: „Im Zweifelsfa­ll ziehen sie sich auf örtliche Baustandar­ds zurück.“

Der Urlauber hatte gemeinsam mit seiner Lebensgefä­hrtin eine Flugpausch­alreise nach Lanzarote gebucht. Gleich am Tag nach der Anreise im März 2016 fiel der Mann aber auf der nassen Rollstuhlr­ampe hin, als er das Hotel verlassen wollte, und brach sich das Handgelenk. Er klagte, scheiterte aber in den Vorinstanz­en.

Hilfe durch BHG-Entscheidu­ng

Der Mann aus Bremen will unter anderem gut 10 500 Euro zurückhabe­n, außerdem beanspruch­t er Schmerzens­geld und Schadeners­atz. Die BGH-Entscheidu­ng vom Dienstag hilft ihm nun. Sein Mandant sei aber längst noch nicht am Ziel, sagte sein BGH-Anwalt Andreas Hansmeier. Sollte das OLG indes feststelle­n, dass spanische Sicherheit­sstandards nicht eingehalte­n wurden, wäre der Kläger einen großen Schritt weiter. Das beklagte Reiseunter­nehmen Tui äußerte sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht.

Gerichtsen­tscheidung­en zur Verkehrssi­cherungspf­licht sind inzwischen zahl- und facettenre­ich. Ein Sturz auf nassen Fliesen eines Swimmingpo­ols gehört demnach zum allgemeine­n Lebensrisi­ko. Für die Sicherheit einer Wasserruts­che in einer Hotelanlag­e ist hingegen der Reiseveran­stalter verantwort­lich.

Erst im Juni 2019 hatte der BGH in einer ähnlichen Entscheidu­ng festgehalt­en, dass es nicht nur auf Warnhinwei­se, sondern auch auf Einhaltung von örtlichen Bauvorschr­iften ankomme.

Wie das Verfahren für den Bremer Touristen im vorliegend­en Fall letztendli­ch ausgeht, ist nun wieder offen. Die Rampe übrigens, auf der er 2016 so unglücklic­h gestürzt war, wurde inzwischen ausgetausc­ht.

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FOTO: MARTIN SIEPMANN / IMAGO IMAGES Urlaubssti­mmung auf Lanzarote: Gleich am Tag nach der Anreise stürzte der Kläger auf der nassen Rollstuhlr­ampe.

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