„Mehr Cruyffista als Cruyff selbst“
Für die einen gilt Quique Setién als idealer Barça-Trainer, viele dürften sich dennoch fragen: Quique wer?
(dpa/SID/fil) - Der Aufstieg vom Ruheständler zum neuen Trainer des FC Barcelona binnen 24 Stunden kam auch für Quique Setién selbst überraschend. „Gestern ging ich noch an Kühen vorbei in meinem Dorf spazieren, und heute bin ich hier, bei den besten Spielern der Welt – das ist einfach das Größte“, sagte er am Dienstag bei seiner Vorstellung in Barcelona: „Das hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können.“
Der verblüffenden Verpflichtung Setiéns, der es einst zwar sogar zu drei Einsätzen in die Nationalmannschaft schaffte und seit 2002 schon Trainer ist, aber noch nie bei einem Topverein arbeitete, war eine diesem besonderen Verein unwürdige und beispiellose Posse vorangegangen. Setiéns Vorgänger Ernesto Valverde musste als erster Trainer seit 2003, damals hatte es Louis van Gaal getroffen, vorzeitig während der laufenden Saison seinen Hut nehmen – trotz zweier Meistertitel hintereinander, dem Gewinn des spanischen Pokals sowie des spanischen Supercups und der aktuellen Führung in der Primera División. Das Aus im Halbfinale des Supercups kostete ihn am Montagabend das Amt; dass Barcelona sich auf Nachfolgersuche befand, wusste er schon vorher. Ein Kandidat, genauer Vereinslegende Xavi, sagte öffentlich ab. „Barça wählt den Abgrund“, kommentierte die Zeitung „El Pais“.
„Wer Fußball liebt, liebt Barça“
„Es waren von Beginn an zweieinhalb sehr intensive Spielzeiten“, schrieb Valverde am Dienstag in einem Offenen Brief, der auf der ClubWebseite veröffentlicht wurde. Er habe in der Zeit Siege und Titel mit dem FC Barcelona gefeiert, aber auch schwere Momente durchgemacht. Das zweimalige Scheitern in der Champions League lastete schwer. „Barcelona ist ein besonderer Ort, an dem der Gewinn der Liga nicht ausreicht. Valverde tut mir sehr leid, er hat das nicht verdient“, kommentierte Clublegende Pep Guardiola.
Wie der ehemalige Bayern-Coach ist Valverdes Nachfolger ein Bewunderer von Johan Cruyff. Und mehr noch: der 61-Jährige gilt als „Cruyffista bis ins Mark“, wie die Sporttageszeitung „Marca“schrieb. Ähnlich wie Guardiola oder auch Leverkusens Coach Peter Bosz beruft sich Setién in seinem Wirken ganz auf die 2016 verstorbenen Barcelona-Legende Johan Cruyff. „Mundo Deportivo“, eine Art Hausblatt des FC Barrcelona, sieht in Setién gar den „geborenen
Barça-Trainer“. Weiter kommentierte das Blatt: „Die Schlaftablette geht, der neue Guardiola kommt“. Setién sei ein „Prediger des Cruyffismus“und bisweilen „mehr Cruyffista als Cruyff selbst“.
Barça und Cruyff hätten ihm „die Augen geöffnet. Wer den Fußball liebt, liebt Barça“, sagte Setién etwa einmal. Er verdanke „alles, was ich als Trainer bin, der Tatsache, dass ich gegen Barça hinter dem Ball hergelaufen bin. Ich habe viele Dinge kopiert.“Als Setién sein Idol einst in seiner Zeit als Profi bei Racing Santander traf, „habe ich ihm gesagt, dass ich einen kleinen Finger dafür gegeben hätte, in seinem Barça zu spielen“.
Und so kam der Segen für Quique Setién prompt und gewissermaßen direkt aus dem Himmel. „Viel Glück beim FC Barcelona“, hieß es am späten Montagabend im Namen von Johan Cruyff auf den offiziellen SocialMedia-Kanälen der 2016 verstorbenen Club-Legende. Die Verwalter des Cruyff-Nachlasses begrüßten den neuen Barça-Trainer als „most Cruyffist manager“und damit wahren Erben des einstigen Vordenkers. In weiten Teilen der Fußball-Welt dürfte es dennoch vor allem „Quique wer?“geheißen haben.
Vertrag bis 2022
Zuletzt hatte Enrique „Quique“Setién Solar bis zum Sommer 2019 mit Erfolg Real Betis Sevilla in der Primera División trainiert, seine längste Amtszeit hatte der Nordspanier von 2009 bis 2015 beim CD Lugo, den er bis in die zweite Liga führte. 2006 trainierte Setién auch kurzzeitig die Nationalmannschaft von Äquatorialguinea. Egal wo er arbeitete, setzte er immer auf angriffsorientierten und dominanten Ballbesitzfußball. Er habe immer das Gefühl gehabt, dass Fußball auf eine andere, eine bessere Art gespielt werden könne, predigte Setién stets: „Aber ich wusste nicht wie, bis Johan es uns gezeigt hat.“
In seiner Heimatstadt Santander gilt er als Legende. Bei Racing Santander war er lange als Profi aktiv und seit 2002 als Trainer. Sein Spitzname dort: „El Maestro“. Seine Bilanz in der Ersten Liga: 60 Siege, 60 Niederlagen, 53 Remis.
Der Vertrag, den der passionierte Schachspieler nun bei den Katalanen unterzeichnete, ist bis zum 30. Juni 2022 gültig. Und passend für einen auf einem der begehrtesten Trainerstühle im Weltfußball, formulierte Setién seine großen Pläne mit dem Starensemble um Lionel Messi: „Mein Ziel ist es, alles zu gewinnen, was man gewinnen kann.“