Klimahysterie
Unwort des Jahres 2019
Es gibt viele, die am menschengemachten Klimawandel zweifeln – US-Präsident Donald Trump gehört dazu. Aber auch in Deutschland finden einige, das Dauerthema Klimaschutz werde zu wichtig genommen. Der Begriff „Klimahysterie“sei von zahlreichen Vertretern von Politik, Wirtschaft und Medien benutzt worden, bilanzierte die sprachkritische Aktion „Unwort des Jahres“am Dienstag.
- In nur dreißig Jahren will Europa den Übergang zu einer CO2-neutralen Wirtschaft schaffen. Die EU-Kommission plant, diesen gewaltigen Umbau der europäischen Ökonomie im großen Stil und strukturpolitisch voranzutreiben und dabei sozial abzufedern. Sie legte am Dienstag in Straßburg einen Finanzierungsplan (Sustainable Europe Investment Plan) vor, der aufzeigt, wie die geplante „Klimaneutralität“bis 2050 finanziert werden soll. Für die Kohlereviere und andere Regionen, die besonders stark von fossilen Energien abhängen, soll ein „Gerechtigkeitsmechanismus“geschaffen werden, mit dem Ziel, innerhalb von zehn Jahren bis zu 100 Milliarden Euro zu mobilisieren.
Hilfe für mehr als 100 Regionen
Mehr als 100 Regionen mit 237 000 Beschäftigten seien vom geplanten Ende der Förderung und Verarbeitung von Kohle betroffen, heißt es zur Begründung der Verordnung, die in Straßburg vorgelegt wurde. Deshalb sollen die EU-Staaten den Finanzrahmen für die kommenden sieben Jahre um weitere 7,5 Mrd. Euro aufstocken. Dieser „Gerechtigkeitsfonds“(JTF) bildet die Grundlage des Gerechtigkeitsmechanismus, der durch zwei weitere Elemente ergänzt wird: ein Investitionsinstrument und eine Kreditlinie der Europäischen Investitionsbank (EIB) für Gebietskörperschaften und andere öffentliche Einrichtungen.
Der JTF soll im Rahmen der Regionalförderung entstehen und allen Mitgliedsstaaten offenstehen. Regionen mit den höchsten CO2-Emissionen und den meisten von der Fossilindustrie abhängigen Jobs erhalten die meisten Mittel aus dem JTF. Die Mitgliedsstaaten müssen dieses Geld aber durch eigene Mittel ergänzen. Sie müssen das Eineinalb- bis Dreifache auf die EU-Mittel drauflegen – dürfen dafür allerdings auch ihnen zustehendes Geld aus anderen Regionalfonds verwenden.
Die Kommission geht davon aus, dass auf diese Weise 30 bis 50 Milliarden Euro zusammenkommen, um den Ausstieg aus der Kohle durch neue Arbeitsplätze sowie Umschulungsund Sozialmaßnahmen abzufedern. Um das Geld effektiv einzusetzen, können die Mitgliedsstaaten technische Hilfe aus Brüssel in Anspruch nehmen. Die Entsorgung oder der Bau von Atomkraftwerken, Investitionen zum Einsatz fossiler Brennstoffe oder die Produktion und der Verkauf von Tabak dürfen aus diesem Topf nicht gefördert werden. Über das Investitionsinstrument sollen weitere 45 Milliarden Euro und durch die EIB noch einmal 25 bis 30 Milliarden aufgebracht werden.
Der JTF ist Teil einer nachhaltigen Finanzierungsstrategie, die die Kommission ebenfalls in Straßburg vorlegte. Damit sollen in den kommenden zehn Jahren „nachhaltige Investitionen“im Umfang von einer Billion (= 1000 Milliarden) Euro realisiert werden. Auch hier soll die EU vor allem eine „Anschubfinanzierung“zur Verfügung stellen, um private Investitionen auf breiter Basis anzustoßen. Kern der Strategie ist eine Konzentration des EU-Budgets auf klimawirksame Ausgaben. Sie sollen in den nächsten sieben Jahren von derzeit 20 Prozent auf 25 Prozent steigen. Die Kommission geht davon aus, dass dadurch in den kommenden zehn Jahren 485 Milliarden Euro im EU-Haushalt für den Klimaschutz zur Verfügung stehen.
Insgesamt werden nach Schätzung der Kommission Investitionen von 1,2 Billiarden Euro pro Jahr benötigt, um die für 2030 anvisierten Klimaziele in Europa zu erreichen. Der Löwenanteil entfällt auf den Gebäudesektor, wo rund 40 Prozent der Energie zu ineffizient verbraucht werden. Auch in der Energiewirtschaft selbst gebe es weiterhin große Potentiale zur Reduzierung der Emissionen und zur Verbesserung der Effizienz, heißt es in der Mitteilung der Kommission: „Die Ausgaben dieser Branche für Forschung und Entwicklung hat in den letzten Jahren einen historischen Tiefpunkt erreicht. Das wirkt sich nachteilig auf seine Innovationsfähigkeit aus.“
Private Investoren können dafür günstige Kredite von der EIB erhalten, die zur Klimabank der EU ausgebaut werden und die Hälfte ihrer Ausleihungen für den Klimaschutz bereitstellen soll. Die Identifizierung klimafreundlicher Projekte soll durch einheitliche Kriterien erleichtert werden. Neben der EU sollen auch die Mitgliedsstaaten mehr Geld für den Klimaschutz locker machen. Der Einsatz von Subventionen als Instrument der Klimapolitik soll in Zukunft erleichtert werden. Und damit die Investoren das Geld auch leichter anlegen können, will die Kommission den Paragrafendschungel lichten und Vorschriften überprüfen.
Die Bundesregierung reagierte wenig euphorisch auf die Pläne. Eine Kapitalerhöhung der Europäischen Investitionsbank (EIB) sei nicht erforderlich, weil die Klimaziele „mit den vorhandenen Ressourcen der EIB erreichbar“seien, heißt es in der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der GrünenAbgeordneten Franziska Brantner, über die der „Spiegel“berichtet hatte. Auch der von der EU-Kommission geforderten Aufstockung des EUHaushalts erteilte Berlin eine Absage. Auch wenn das Budget bei einem Prozent der EU-Wirtschaftsleistung bleibe, bestehe „ausreichend Spielraum, um die für die Erreichung der Klimaziele erforderlichen Mittel durch entsprechende Prioritätensetzung bereitzustellen“.