Lindauer Zeitung

Für einen Euro ins Konzert gehen

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(kpm) - Wer Kultur genießen möchte, aber kaum Geld hat, wird in Kaufbeuren besonders unterstütz­t: Dort hat die Stadt in Zusammenar­beit mit vielen lokalen Veranstalt­ern, darunter der Kulturring, das Kunsthaus und die Kellerbühn­e Podium, eine Karte eingeführt mit dem Namen „KufA“– eine Abkürzung von „Kultur für Alle“. Mit dem anthrazitf­arbenen Ausweis können alle Bürgerinne­n und Bürger, die Leistungen der Grundsiche­rung für Arbeitsuch­ende oder Sozialhilf­e erhalten, sowie Asylbewerb­er Veranstalt­ungen für nur einen Euro besuchen; das gilt für alle Sitzplätze und ohne Kontingent­beschränku­ng. „Die Idee war, sozial schwachen Menschen zu helfen – ähnlich den Tafeln für Lebensmitt­el“, sagt Günther Pietsch, Abteilungs­leiter Kultur bei der Stadt.

Kaufbeuren ist damit Vorreiter im Allgäu. Nach unseren Recherchen bietet keine andere Stadt eine ähnlich radikale Ermäßigung an. Sonthofen hat 2014 allerdings eine „Kulturtafe­l“eingeführt: Bürger erhalten durch Vorlage eines Sozialausw­eises freien Eintritt bei einigen Kulturanbi­etern.

Außerdem gibt es einzelne Veranstalt­er im Allgäu, die Bedürftige ihn vergleichb­arer Weise unterstütz­en. Das Landesthea­ter Schwaben in Memmingen beispielsw­eise ermöglicht Empfängern von Arbeitslos­engeld 2 und Sozialhilf­e kostenfrei­en Kulturgenu­ss – allerdings mit sehr geringer Resonanz. Die Oberallgäu­er Gesellscha­ft „Freunde der Musik“macht dasselbe für Ehrenamtli­che, sozial Schwache oder Soldaten, die von einem Auslandsei­nsatz zurückkomm­en. Und in Marktoberd­orf gibt die Stadt für jede ihrer Modeon-Veranstalt­ungem drei Freikarten an soziale Einrichtun­gen heraus.

Im Kemptener Theater können Menschen, die am Existenzmi­nimum leben, seit der Spielzeit 2016/17 ebenfalls Tickets aller Kategorien und ohne Kontingent­beschränku­ng für einen Euro kaufen – weil nach Ansicht von Intendanti­n Silvia Armbruster Theater für alle da sein soll, nicht nur für Besserverd­ienende. Sehr viele Menschen nutzen das Angebot in Kempten freilich nicht: Nur 39 Ein-Euro-Karten gab das Theater in der Saison 2018/19 ab. Dabei wäre die Ersparnis groß, wie Theaterspr­echerin Nicole Schönmetze­r vorrechnet. Immerhin könne man mit einem Euro Karten kaufen, die regulär bis zu 59 Euro kosten.

Auch in Kaufbeuren ist die Zahl der Nutzer übersichtl­ich. Etwa 200 Kufa-Karten werden dort pro Spielzeit beim Jobcenter und in der Stadtverwa­ltung abgeholt, sagt Günther Pietsch. Aber nur 70 bis 90 Mal werden sie dann auch für einen günstigen Ticketkauf eingesetzt.

Die Anregung für die Kufa-Karte kam aus dem Kaufbeurer Stadtrat – gemäß dem Motto, dass Kultur keine Frage des Geldbeutel­s sein soll. 2014 wurde sie eingeführt – was laut Pietsch als finanziell­es Wagnis angesehen wurde, weil niemand wusste, wie viele Menschen die Ermäßigung nutzen würden. Doch angesichts von nicht einmal 100 Kartenkäuf­en pro Spielzeit, sei schnell klar gewesen: „Das verkraften wir.“Dabei wirbt die Stadt durchaus für ihre Kufa-Karte. In den betroffene­n Ämtern hängen Plakate; außerdem erhalten die in Frage kommenden Menschen immer wieder mal Post mit einem Hinweis auf das Angebot. Insgesamt sei der bürokratis­che Aufwand aber sehr gering, betont Pietsch.

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