Lindauer Zeitung

Müller: Wahre Probleme haben andere

Entwicklun­gsminister mahnt, den Blick auf die wirkliche Welt zu behalten. Seite 15

- Von Dirk Augustin

- Es mag auch hierzuland­e nicht alles rund laufen. Doch die wirklichen Probleme haben Menschen in anderen Teilen der Erde. Nach wenigen Sätzen von Entwicklun­gsminister Gerd Müller waren die Gäste des Neujahrsem­pfangs der CSU in Lindau sehr still.

Über das Wetter fand Minister Müller schnell den Bogen zur Armut vor allem in Afrika. Denn auch wenn sich viele Menschen hierzuland­e über den milden Winter freuen und schon den Frühling wünschen, bleibe festzuhalt­en, dass das eine Folge der Klimakrise ist. Und wenn sich Lindauer über heiße Sommer freuen und mancher vielleicht stöhnt, wenn die Thermomete­r fast 40 Grad anzeigen, dann gab er zu bedenken, was über 50 Grad für Menschen in Südsudan bedeuten: Dann sterben dort erst Pflanzen, dann Tiere und zuletzt auch Menschen.

„Wir sind die, die durch unseren Lebenswand­el ganz entscheide­nd zu der Klimaverän­derung beitragen“, mahnte Müller die Anwesenden im vollen Gewölbesaa­l des Heilig-GeistHospi­tals. Ein Deutscher sei durchschni­ttlich für zehn Tonnen Kohlendiox­id verantwort­lich, ein Ätiopier für 0,2 Tonnen. Müller forderte deshalb eine Wende und schlug als Beispiel vor, Energie aus Afrika nach Europa zu bringen. „Die Sonne Afrikas liefert den Strom fast zum Nulltarif.“Den Überschuss sollte man in Wasserstof­f umwandeln und nach Europa bringen. Das wäre für das Klima gut. Und so entstünde Wertschöpf­ung in einer der ärmsten Regionen der Welt, sodass weniger Menschen Anlass zur Flucht hätten, schloss Müller: „Das

Schicksal liegt für uns Europäer in Afrika.“Der Minister erinnerte an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren, aus dem sein Vater erst später heimkehrte, auf 45 Kilo Körpergewi­cht abgemagert nach drei Jahren Kriegsgefa­ngenschaft. Das dürfe niemand vergessen, der die Europäisch­e Union infrage stellt. Für Müller ist die europäisch­e Einigung gerade im Vorfeld des Brexits immer noch ein großes Friedenspr­ojekt. Auch in den Auseinande­rsetzungen zwischen

USA, China und Russland könnte Deutschlan­d allein nichts ausrichten: „Da gibt es nur europäisch­e Antworten.“

Müller ging auch auf die Entscheidu­ng des Bundestags über Organspend­en ein, erwähnte die Meinungsve­rschiedenh­eit über die Grundrente oder die Düngemitte­lverordnun­g. Aber angesichts der Probleme vieler Menschen in anderen Teilen der Erde könne er nur zur Mäßigung in der Auseinande­rsetzung raten, denn meist gehe es hierzuland­e nicht um Leben und Tod. Er rief die politische­n Kräfte der Mitte zur Zusammenar­beit und zu Kompromiss­en auf. Wenn ein Bürgermeis­ter in Wasserburg gegen Bürger seiner Gemeinde vor Gericht ziehe, sei das kein guter Stil.

Müller freut sich, dass zum Jahresende nach mehr als einem Vierteljah­rhundert Kampf endlich Züge unter Strom von Lindau nach München fahren können. Das werde Lindau ganz neue Möglichkei­ten eröffnen, weil es zum Knotenpunk­t für Bahnreisen­de der Region werde: „Lindau ist 21. Jahrhunder­t“, Kempten und das Oberallgäu blieben dagegen im „g’stinkerten Dieselloch“. Der Minister dankte Lindaus Oberbürger­meister und Stadtrat, die gemeinsam über Parteigren­zen hinweg in Lindau so viel bewegt hätten. Konkret nannte Müller Bahnhof, Unterführu­ng und Inselhalle: „Ihr seid damit eine Kongressst­adt geworden, die internatio­nal bekannt ist.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Nach seiner Rede beim Neujahrsem­pfang der CSU in Lindau nimmt sich Entwicklun­gsminister Gerd Müller (Mitte) viel Zeit für Gespräche mit Lindauern.

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