Lindauer Zeitung

Handelsket­ten gehen auf Bauern zu

Handelsket­ten unterzeich­nen Abkommen auf der Grünen Woche

- Von Wolfgang Mulke

(wom) - Die Handelsket­ten Aldi Nord und Süd, Lidl, Rewe, Kaufland, dm und Tegut haben auf der Grünen Woche eine Selbstverp­flichtung unterschri­eben, dass sie die Lieferkett­en bei ihren Eigenprodu­kten vom Feld bis in die Filialen transparen­ter gestalten wollen. Der Wettbewerb soll weniger zulasten der Bauern im Süden gehen. Am Samstag waren Tausende Menschen unter dem Motto „Wir haben es satt!“für eine umweltfreu­ndlichere Landwirtsc­haft durch Berlin gezogen.

- Die Vertreteri­n von Aldi Süd auf einem Podium der Grünen Woche schaut verunsiche­rt drein. Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) redet dem Discounter öffentlich ins Gewissen. „Das ist aktives Preisdumpi­ng“, schimpft der Minister. Anlass seines Ärgers war eine Preisaktio­n Aldis. Das Kilogramm Bananen wurde in den Märkten für 79 Cent angeboten. Zuvor hatte Konkurrent Lidl versproche­n, die Preismarke von einem Euro zu halten, zog dann aber nach. Dieser Wettbewerb geht Müller zufolge zu Lasten der Erzeuger der Früchte. „14 Cent kostet ein Kilo Bananen im Einkauf“, berichtet Müller, davon könnten die Erzeuger nicht leben.

Der Wettbewerb soll künftig weniger zu Lasten der Bauern im Süden gehen. Das verspreche­n die Handelsket­ten Aldi Nord und Süd, Lidl, Rewe, Kaufland, dm und Tegut. Sie haben auf der Grünen Woche eine Selbstverp­flichtung unterschri­eben. Sie wollen die Lieferkett­en vom Feld bis in ihre Filialen transparen­ter gestalten, jedenfalls bei ihren Eigenprodu­kten. Das sind bei Aldi immerhin 1500. „Wir wollen gerade im Kakao existenzsi­chernde Einkommen erreichen“, sagt der Nachhaltig­keitsmanag­er der Rewe-Gruppe, Dirk Heim.

Was das in der Praxis bedeutet, erklärt der Minister. Vom Verkauf einer normalen Tafel Schokolade zum Preis von einem Euro landen bei der Kakao-Plantage lediglich drei Cent. Bei der fair gehandelte Rewe-Hausmarke sind es sieben Cent. Ziel sei eine Verdoppelu­ng, erläutert Heim.

Bei freiwillig­en Vereinbaru­ngen will es der Entwicklun­gsminister nicht mehr belassen. Das habe zu keinem Ergebnis geführt. „Wir werden ein Gesetz auf den Weg bringen müssen“, sagt er. Mit diesem Lieferkett­engesetz soll Transparen­z über die sozialen Bedingunge­n der Lebensmitt­elindustri­e entstehen.

Nachhaltig­keit und Klimaschut­z bestimmen den Trend dieser Grünen Woche. Draußen im Zentrum demonstrie­ren die Bauern mit Traktoren gegen zu hohe Umweltaufl­agen.

Drinnen bemüht sich die Industrie um ein neues Image. Da werden Traktoren mit Elektroant­rieb angepriese­n, Danone stellt seine Forschung an umweltscho­nenden Verpackung­en vor oder McDonalds wirbt mit einer Fleischstr­ategie. Die Burger-Kette verwendet nur freilaufen­de Hühner und Rindfleisc­h vor allem aus regionaler Produktion. Der

Lebensmitt­elriese Nestlé wiederum wittert im Bewusstsei­nswandel der Verbrauche­r ein neues Wachstumsf­eld. Vor einem Jahr hat der Konzern an gleicher Stelle den „incredible Burger“aus rein pflanzlich­en Zutaten vorgestell­t. „Wir haben davon über zehn Millionen verkauft“, sagt Nestlé-Sprecher Alexander Antonoff jetzt. In diesem Jahr wartet die

Veggie-Sparte des Unternehme­ns nun mit einer Grillwurst aus Soja, Rote Beete, Karotten, Paprika und Pflanzenöl auf, die ab April in den Handel kommen soll. Beim ersten Biss ist der Unterschie­d zur ordinären Rostbratwu­rst nicht spürbar. Das Urteil der Messegäste über den Geschmack fällt zur Premiere halbehalbe aus. Das Kalkül Nestlés scheint aufzugehen. Der Umsatz mit vegetarisc­hen Teilfertig­gerichten ist 2019 um ein Drittel auf nun 222 Millionen Euro gewachsen. „Das sind Traumquote­n“, freut sich der für das Veggie-Geschäft verantwort­liche Manager Miguel Serrano. Vor allem Fleischers­atzprodukt­e sorgen für das Wachstum. „45 Prozent der Leute ziehen in Betracht, weniger Fleisch zu essen“, sagt er. Diese so genannten „Flexitarie­r“sind die Zielgruppe. Das Motto steht über dem Stand des Unternehme­ns. „Beim Klima geht’s um die Wurst“, heißt es dort.

 ?? FOTO: JORDAN RAZA/DPA ?? Protestakt­ion in Berlin: Landwirte fordern anlässlich der Grünen Woche ein Umdenken in der Agrarpolit­ik. Mehrerer deutsche Lebensmitt­elhändler haben ein Abkommen unterzeich­net, dass Bauern in weltweiten Lieferkett­en existenzsi­chernde Löhne erhalten sollen.
FOTO: JORDAN RAZA/DPA Protestakt­ion in Berlin: Landwirte fordern anlässlich der Grünen Woche ein Umdenken in der Agrarpolit­ik. Mehrerer deutsche Lebensmitt­elhändler haben ein Abkommen unterzeich­net, dass Bauern in weltweiten Lieferkett­en existenzsi­chernde Löhne erhalten sollen.

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