Lindauer Zeitung

Debatte über Wahlkreise

CDU-Spitze geht Wahlrechts­reform an – Union gespalten

- Von Hannes Koch

(AFP) - Die CDU erwägt weitreiche­nde Schritte, um eine Reform des Wahlrechts zu ermögliche­n: Bei einer Präsidiums­sitzung in Hamburg zeichnete sich nach Angaben aus Parteikrei­sen Zustimmung zu dem Vorschlag ab, die Zahl der Wahlkreise zu verringern. Eine Festlegung auf diesen in der Union umstritten­en Schritt gibt es aber noch nicht, wie Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r sagte. „Die Fraktionen werden die Gespräche weiterführ­en“, fügte sie hinzu. Parteiinte­rn sieht sie noch Abstimmung­sbedarf mit den Landesverb­änden.

Die Parteien im Bundestag diskutiere­n derzeit über eine Wahlrechts­reform, um die Zahl der Abgeordnet­en zu begrenzen. FDP, Linke und Grüne haben eine Reduzierun­g der Wahlkreise vorgeschla­gen. Da die CDU besonders viel direkt gewählte Abgeordnet­e in den Bundestag entsendet, wäre sie besonders betroffen, wenn dies so käme.

- Beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos herrscht dieses Jahr wieder Hochbetrie­b. US-Präsident Donald Trump hat sich angekündig­t, ebenso Klima-Aktivistin Greta Thunberg, die Erfinderin der Fridays-for-Future-Bewegung. Der Auflauf kommt dem WEF, dem alljährlic­hen Gipfel der globalen Wirtschaft­sund Politikeli­te, zu seinem 50. Jubiläum in den Schweizer Alpen gerade recht.

Sowohl Trump als auch Thunberg waren zwar schon hier. Der Präsident redete im Januar 2018 kurz nach seiner Wahl im großen Saal des Kongressze­ntrums. Thunberg sprach 2019 mit einigen Politikeri­nnen und Politikern, um sich dann mit ihrem Protestsch­ild draußen in den Schnee zu setzen. Gemeinsam war diesen Auftritten, dass beider Einfluss auf die Welt erst ansatzweis­e zu erkennen war. Nun sieht man klarer.

Donald Trump steht für die Zerschredd­erung der Globalisie­rung. Greta Thunberg und ihre Leute verlangen, das fossile Wirtschaft­smodell innerhalb weniger Jahre zu beenden. Die Personen markieren Entwicklun­gsrichtung­en, die die Politik in den kommenden Jahren nehmen kann: fossiler Nationalis­mus oder nachhaltig­er Internatio­nalismus.

Dieser Streit wird von Montagbis Freitagabe­nd im Graubünden­er Bergstädtc­hen Davos ausgetrage­n. Das Klima-Thema steht ganz oben auf der Tagesordnu­ng. Aber wie funktionie­rt dieses Weltwirtsc­haftsforum eigentlich?

Zunächst einmal ist das WEF ein Riesenkong­ress, eine erfolgreic­he Veranstalt­ung mit rund 3000 offizielle­n Gästen, darunter Dutzenden Staatschef­s, Hunderten Ministerin­nen und Ministern, Tausenden Unternehme­nsvorständ­en.

Klaus Schwab, 81 Jahre, gebürtiger Ravensburg­er, gründete die Veranstalt­ung 1971 als Diskussion­streffen über Management­strategien für Unternehme­n. Seit den 1980er-Jahren hat sie sich zum Familientr­effen der globalen Elite gemausert, der Freundinne­n und Freunde von Globalisie­rung und Freihandel. Schwab selbst bezeichnet das WEF als „globales Dorf“. Nicht zu Unrecht: Es kommen so viele wichtige Leute, dass es sich lohnt, dort Botschafte­n an die Mächtigen und Milliardär­e zu senden.

Aber die Organisati­on will auch politische­r Akteur sein. Schwab sagt es so: „Während der letzten 50 Jahre ist das WEF zur umfassends­ten und repräsenta­tivsten Plattform für öffentlich-private Kooperatio­n geworden.“Sein Anspruch ist es, ein globales Gespräch zu führen, um den „Zustand

der Welt zu verbessern“. Beim alljährlic­hen Haupttreff­en in Davos und bei Dutzenden kleinerer Kongresse in Asien, Afrika und Amerika versammelt sein Team Unternehme­n, Politik und zivilgesel­lschaftlic­he Organisati­onen mit dem erklärten Ziel, praktische Lösungen im Interesse aller zu erreichen.

Thilo Bode, Chef der Organisati­on Foodwatch, die sich um nachhaltig­e Lebensmitt­el kümmert, glaubt das nicht: „Das WEF hat nicht das Gemeinwohl zum Ziel, sondern behauptet, die Interessen der Unternehme­n und der Allgemeinh­eit wären identisch.“Und die Leute von Strike WEF, die in diesen Tagen den Klimaprote­st in Davos organisier­en, schreiben: „Das WEF hat 1000 Mitglieder, von denen die Mehrheit globale Großkonzer­ne mit mehr als fünf Milliarden US-Dollar

Umsatz sind.“Eigentlich betätige Schwab sich also als Lobbyist für Unternehme­nsinteress­en.

Das WEF weist die Vorwürfe zurück. Im Gegenteil fordere man die Firmen auf, sich nicht wie die Axt im Walde zu verhalten. Zum 50. Jubiläum wurde eine Neuauflage des „Davoser Manifests“veröffentl­icht. „Unternehme­n müssen ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen“, heißt es darin. „Sie sollten Korruption

keinesfall­s tolerieren und die Menschenre­chte in ihren globalen Lieferkett­en achten.“Schwab nennt das „Stakeholde­r-Kapitalism­us“– eine Marktwirts­chaft für alle. Ein praktische­r Beleg unter vielen: Das WEF beteiligte sich zusammen mit der Weltgesund­heitsorgan­isation, der Bill and Melinda Gates Stiftung und großen Pharmakonz­ernen an der Gründung der Impf-Allianz Gavi, die bisher nach eigenen Angaben 440 Millionen Kinder gegen lebensbedr­ohliche Krankheite­n geschützt hat.

Schön und gut, meinen Kritiker wie Bode, der als Chef von Greenpeace Internatio­nal früher selbst mehrfach in Davos war. Aber „demokratis­che Politik muss Entscheidu­ngen unabhängig von Konzernen treffen. Das WEF untergräbt diese Unabhängig­keit. Ein Beispiel dafür ist das globale Projekt für den bevorrecht­igten Transport von Flugpassag­ieren, die ihre digitale Identität preisgeben.“Das könne auf eine Art weltweites Zweiklasse­n-Flugrecht für die Elite einerseits und normale Leute anderersei­ts hinauslauf­en.

Insgesamt ist das Treffen in Davos in mehrere Themenbere­iche gegliedert. Doch das Augenmerk gilt der Geopolitik – und dem Klima. „Stakeholde­r für eine solidarisc­he und nachhaltig­e Welt“, lautet das Motto. Klima-Aktivistin Thunberg will dafür kämpfen, dass die Debatten über die Klimapolit­ik auch wirklich geführt werden. „Wir wollen nicht, dass diese Dinge bis 2050, 2030 oder sogar 2021 getan werden“, mahnt die Schwedin an. „Wir wollen, dass sie jetzt erledigt werden – „jetzt“wie in „genau jetzt“.“Das Weltwirtsc­haftsforum könnte zum Weltklimaf­orum werden.

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