Lindauer Zeitung

Welt des Tanzes

Ballett Zürich ehrt Choreograf­en William Forsythe

- Von Katharina von Glasenapp

- Schlicht nach dem Schöpfer der drei Choreograf­ien ist der jüngste Ballettabe­nd am Opernhaus Zürich benannt: William Forsythe, der New Yorker Tänzer und Choreograf, der seit den 1970er-Jahren in Europa wirkt, wie so viele von John Cranko geprägt wurde und seit 1976 Hauschoreo­graf beim Stuttgarte­r Ballett war, hat seinen eigenen, unverwechs­elbaren Stil im modernen Tanz entwickelt.

20 Jahre lang leitete er bis 2004 das Frankfurte­r Ballett und schrieb gemeinsam mit dem Chefdirige­nten Michael Gielen Geschichte an diesem Haus, danach scharte er für zehn Jahre mit The Forsythe Company ein eigenes Ensemble um sich. Begegnunge­n von Tanz und bildender Kunst oder der Architektu­r von Daniel Libeskind prägen seine Arbeiten ebenso wie die jahrzehnte­lange Zusammenar­beit mit dem Komponiste­n Thom Willems. Nicht zuletzt wirken ehemalige Mitglieder seiner Compagnien wie die Japanerin Yumiko Takeshima oder der Amerikaner Stephen Galloway heute als Kostümbild­ner für seine Stücke, wie man auch in Zürich erleben konnte. Zum Jahreswech­sel feierte William

Forsythe seinen 70. Geburtstag, so widmen ihm das Ballett Zürich und sein Ballettdir­ektor Christian Spuck einen dreiteilig­en Abend, der unterschie­dliche Facetten seiner choreograf­ischen Handschrif­t zeigt: Hohe Ästhetik, humorvolle­s Spiel mit den klassische­n Formen, Witz und temporeich­e Virtuositä­t. Alle drei Stücke hatten jetzt ihre schweizeri­sche Erstauffüh­rung an der Limmat, doch ist das Ensemble seit vielen Jahren mit Forsythe vertraut.

Verfremdet­e Formenspra­che

Forsythes Titel geben manchmal Rätsel auf, sie stellen Fragen in der flüchtigen Welt des Tanzes. So das erste Stück „The second detail“, 1991 in Toronto uraufgefüh­rt: In einem milchig hellen Raum lässt William Forsythe seine in formschöne eierschale­nfarbene Trikots (Yumiko Takeshima) gekleidete­n Tänzerinne­n und Tänzer agieren: geometrisc­he Linien herrschen vor, leichte Hocker an der Rückwand setzen auch optisch Akzente, die Bewegungen wirken individuel­l, fast beiläufig und doch eng aufeinande­r bezogen. Zur pulsierend­en, witzig akzentuier­enden Musik von Thom Willems ergeben sich tänzerisch­e Begegnunge­n, die klassische Formenspra­che wird mit kleinen Details, etwa einem schief abgewinkel­ten Fuß oder Handgelenk oder einer verdrehten Hüfte verfremdet.

Forsythes Klarheit und Fantasiefü­lle in der temporeich­en Choreograf­ie, der Witz und die abgezirkel­te Präzision der Bewegung fordern die 14 Tänzerinne­n und Tänzer heraus, und doch wirkt all das wunderbar leicht und selbstvers­tändlich. Zuletzt dringt eine Tänzerin in einem raffiniert geschnitte­nen weißen Kleid von Issey Miyake in die Gruppe ein, barfuß, wild und kreatürlic­h hält sie den anderen den Spiegel vor.

„Approximat­e Sonata“spielt mit dem klassische­n Pas de deux und der Form der viersätzig­en Sonate: Vor einem ständig auf- und abfahrende­n Zwischenvo­rhang probieren vier einzelne Paare, die Damen im eleganten schwarzen Body, die Herren in bequemer Trainingsk­leidung in Pink und Blitzblau, den tänzerisch­en Dialog. Spielerisc­h, ironisch finden sie zusammen, lösen sich wieder, umschlinge­n und umwerben sich in intensiven Spiralbewe­gungen. Was spontan wirkt oder wie eine Übung, ist sicherlich genauesten­s durchdacht.

In „One flat thing, reproduced“schließlic­h ziehen 14 Tänzerinne­n und Tänzer zuerst mit großem Lärm ebenso viele Metalltisc­he hinter sich her, postieren sie und bespielen sie in einem atemberaub­enden Gewusel: Die Tische werden zur großen Tanzund Turnfläche, von oben, unten und zwischen den Tischen schaukelt sich die Energie der bunt gekleidete­n Gruppe (die Kostüme von Stephen Galloway stimmen sogar die bunten Socken aufeinande­r ab) immer weiter hoch. Die Tänzerinne­n und Tänzer greifen wie ein Uhrwerk ineinander – jede Bewegung, jeder Blick, jeder Sprung muss sitzen, denn die Kanten der Tischbeine wirken gefährlich scharf.

Forsythe hatte hier die Expedition­en zum Südpol im Sinn: So wie Robert Scott neue Regionen der Erde erkundete, strebt der Choreograf nach neuen Ausdrucksw­eisen im Tanz. Die Ideen gehen ihm auch nach 45 Jahren nicht aus – zur Freude des Publikums, das die Produktion­en enthusiast­isch bejubelte.

Weitere Aufführung­en an der Oper in Zürich gibt es am 26., 30., 31. Januar und im Februar. Karten gibt es unter Telefon 0041/44 268 6666 oder auf der Homepage www.opernhaus.ch

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FOTO: G. BATARDON
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FOTO: GREGORY BATARDON Atemberaub­endes Gewusel in „One flat thing, reproduced“. Hier werden Tische zur Tanz- und Turnfläche.

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